Eine Frau liegt tot im barocken Brunnen von Ludwigslust. Ausgestellt, drapiert, zur Schau gestellt wie eine Puppe. Es handelt sich um Lulu Schuster, verheiratet mit dem Mäzen der kleinen Kreisstadt im Mecklenburg-Vorpommern. Eigentlich schien hier das Leben noch in Ordnung zu sein. Die Mordkommission ist sichtlich überfordert. Doch Verstärkung naht: Sophie Eichstätt, Analytikerin beim LKA Kiel, die eine überregionale Mordserie wittert, und Mark Condor, ein Kollege vom LKA-Schwerin. Ausgerechnet. Die beiden hatten vor zwei Jahren eine Affäre, an der beinahe die Eichstätt-Ehe kaputt gegangen wäre. Condor hat offensichtlich überall was am Laufen. Auch mit der Toten. Dummerweise am Abend vor ihrer Ermordung. Was er natürlich nicht sagt. Noch steht sein Sperma nicht unter Verdacht.
„Mord in Ludwigslust“ beginnt mit Bildern der norddeutschen Landschaft. Flach & herbstlich liegt sie da, ohne Leben, ohne Farbe. „Blühende Landschaften“? Weniger! Eher ein Hauch der Morbidität, die der Name Lulu verströmt in Anlehnung an Wedekinds Theaterkreatur, die zur Femme-fatale-Ikone aufstieg. „Alle, die mich lieben, sterben“, sagt sie dem Polizisten nach dem Sex. Eine Prophezeiung? „Lulu war die blühende Landschaft“, heißt es. Allen verdrehte sie den Kopf. Schon 1992, kurz nach der Wende, wo es für Condor nicht viel zu holen gab. Er war schon damals befreundet mit Wildfang Luise, mit Udo & dessen Schwester Rebecca. Sie machten es besser. Udo Schuster profitierte vom Aufbau Ost, mauschelte mit der Treuhand und besaß einen guten Draht nach Russland. In einer Kiesgrube fing alles an.
Ein Kommissar, der dem Tod seiner Geliebten mit der Ex-Geliebten nachgeht und bald selbst unter Verdacht gerät – das hat was und taugt als dramaturgischer Ausgangspunkt für eine gelungene Dorfkrimi-Variation. Aber es kommt noch dicker. Die Grundlage für die Geschichten um Lulu, den gehörnten Ehemann und ihren Tod reicht bis zurück in die deutsch-deutsche Nachkriegsgeschichte. „Diese Geschichten sind zwar fiktiv“, so Autor Thomas Kirchner, „aber sie basieren auf zeithistorisch-allgemeinen Wahrheiten.“ Im Rahmen eines Krimis, der auch in Sachen Optik und Ästhetik alle Register zieht (und das ist natürlich gut so), fragt es sich dennoch: wie viel von so einer Geschichte und ihren zeitgeschichtlichen Implikationen wahrgenommen werden, im Gedächtnis bleiben beim Zuschauer? Legt sich nicht doch am Ende der Spannungsbogen über alles? „Gesellschaftliche Themen verkleiden sich im Fernsehen oft als Krimi“, so Autor Kirchner. „Verkleidet“, ein treffender Begriff.
Doch wollen wir nicht zu fundamentalkritisch werden! „Mord in Ludwigslust“ ist – für sich genommen – ein gelungener, klassisch klug und doch abwechslungsreich erzähltes, bisweilen leicht schräges Krimi-Thriller-Drama, reich an Wendungen, versehen mit Rückblenden, aber nicht zu verschachtelt, nicht zu konstruiert. Die Besetzung ist ausgezeichnet: jeder einzelne Schauspieler ist vortrefflich ausgewählt für die jeweilige Rolle, vor allem aber beeindruckt der Cast strukturell. Hier stehen sich die (guten) Schauspieler nicht auf den Füßen. Es ist ein vorzügliches Farbenspiel. Da kann man zwischenzeitlich als Zuschauer sogar vergessen, dass man sich in einem Kriminalfilm befindet. (Text-Stand: 16.1.2012)