Ein Landwirt, ein Querulant, der von der Gemeinde geradezu kriminell zurückschikaniert wurde, hängt in seiner Scheune. Selbstmord sagen alle. Seine Geliebte glaubt das nicht. Irgendwas hatte er offenbar herausgefunden, was einige der Dorfbewohner erpressbar macht. Und so kratzt jene Becky ihre letzten Kröten zusammen und engagiert den Privatdetektiv Finn Zehender, ihn, weil er der Billigste ist. „Der Günstigste“, korrigiert dieser und geht erst einmal in die Gaststätte. Wenig später deckt er tatsächlich Unregelmäßigkeiten im kleinstädtischen Getriebe auf – und bald hat er den schießwütigen Bruder des Dorfpolizisten an den Hacken und spürt den sinnlichen Atem von Becky im Nacken.
„Oha“, quittiert Dorfpolizist Gerhard Mühlfellner den Toten am Scheunenbalken. „7. Juli. Schuch, Herbert, erhängt vorgefunden. Adresse: Kölbscher Straße 19, Aschberg“, notiert Jungpolizistin Wippermann. „Uhrzeit?“, fragt der Chef. „14 Uhr 12.“ Das ist die Eingangsszene von „Mörderisches Wespennest“. Ganze vier Einstellungen, 47 Sekunden und man weiß sofort, woran man ist bei diesem Dorfkrimi aus der Feder von Holger Karsten Schmidt. Lakonie über alles, Markus Imboden führte klug Regie und Hinnerk Schönemann glänzt in einer Paraderolle, was den Besteiligten noch vor der Ausstrahlung eine Fortsetzung beschert hat. Das „Mord auf Amrum“-Trio hat wieder zugeschlagen. Deutschland von seiner unangenehmsten Seite. Der Film wurde garantiert nicht von der Tourismusbranche oder der Dehoga mitfinanziert. Der frische Krabbensalat kommt frisch aus der Dose, die Einrichtung, Eiche rustikal, aus Gelsenkirchen, aus dem Radio kommt gediegene Marschmusik und auch Vieles andere steht für das, was man gemeinhin deutsche Gemütlichkeit nennt.
Doch das war’s dann schon mit dem Realismus. „In einem solchen Nest sieht man auch tagsüber kaum Menschen auf der Straße; der Ort wirkt wie ausgestorben und wird so Kulisse für Eingebildetes“, sagt Imboden. „Dieser Ort hat etwas Künstliches, etwas Überhöhtes.“ Der Regisseur macht aus dem Ort ein Schaufenster für seine Figuren: den überdrehten Detektiv, den man nicht unterschätzen sollte, die notgeile Auftraggeberin, den Kopfschmerz geplagten Dorfpolizist, seine dienstbeflissene Assistentin, die Jurastudentin, die sich als Staatsanwältin ausgibt, und all die nervösen Vertreter der Vetternwirtschaft. Anders als in „Mörder auf Amrum“ pflastern nicht Leichen, sondern Verwundete den Weg des auf schräge Art grundsympathischen Helden. Dafür gibt’s wieder ein paar Zitate aus der Film-Noir-Ecke: Finn gibt den „Taxi Driver“ vorm Spiegel, „Philip Marlowe zahlt“, heißt es im Wirtshaus-Dialog und die auftragsgebende Blondine (es ist das Polenblond von Schudts Becky) wird mit einer Einstellung auf ihre Beine eingeführt. Für sich genommen ist das alles nicht unbedingt originell, aber in der Summe sorgt es für dramaturgische Dichte und spielerischen Mehrwert.
Dorfbulle Mühlfellner zur Jungpolizistin Wippermann:
„Als ich gerade mal eine Woche Polizist war, da war ich nicht so ungeduldig – schon Boden gewischt?… Dann dürfen Sie jetzt Falschparker aufschreiben.“
Weitere dicke Pluspunkte: nach der kriminalistischen Aufklärung folgt noch ein launiger Clou; die Art und Weise, wie Finn seine Mädels ins Spiel bringt (frei von billigen Männerphantasien); die originelle Filmmusik; die gelungene Besetzung aus renommiert, aufstrebend bis (noch) ziemlich unbekannt, aus der man Daniela Schulz („Schimanski: Schuld und Sühne“) hervorheben muss. Und es sind mal wieder die Kleinigkeiten, die erkennen lassen, dass Holger Karsten Schmidt einer unserer besten Autoren ist: so beweist er beispielsweise sein Gespür für Running Gags. Zwei stehen zur Auswahl, falscher Dienstausweis vs. zwei nervende Jungs. Er entscheidet sich für die bessere Variante, weiß, wann ein Gag überreizt wird und wie man einen kleinen Überraschungswitz durch Wiederholung setzt. Der Lust-Faktor ist mal wieder hoch – nach Amrum jetzt in Aschberg!