Mörderischer Besuch

Batya Gur, Israel und Lauterbach als ein deutscher Auslandskommissar mit Haltung und Format

Foto: ZDF / Vered Adir
Foto Rainer Tittelbach

„Mörderischer Besuch“ ist das zweite ZDF-Krimi-Drama nach einem Roman von Batya Gur. Heiner Lauterbach spielt Kommissar Ochajon auch in dieser Verfilmung, die nicht nur dramaturgisch dichter, klarer und konzentrierter ist als „Die Seele des Mörders“, sondern in der auch die Hauptfigur gewinnt. Es geht um die „Alltäglichkeit“, in einem Land, das man für gewöhnlich allein mit dem Nahost-Konflikt verbindet. Was mitschwingt ist indes der „ganz normale“ Rassismus. Jenseits vom TV-Krimi-Realismus. Angenehm handlungsreduziert.

Jerusalem feiert Pessach, eines der wichtigsten Feste des Judentums. Kommissar Ochajon wird von seinem Sohn versetzt. Doch er bleibt an diesem Abend nicht allein. Vor seiner Wohnungstür findet er ein ausgesetztes Baby. Darüber lernt er seine attraktive Nachbarin Nita kennen. Sie essen gemeinsam zu Abend und verbringen die Nacht miteinander. Am nächsten Morgen wird Ochajon an einen Tatort gerufen. „Ein sturer, herrschsüchtiger, alter Mann“, klingt es ihm noch in den Ohren, als er den Toten, den Patriarchen einer prominenten Musikerfamilie, blutverschmiert auf dem Boden liegen sieht und sein Blick wenige Sekunden später auf das Foto Nitas fällt. An Pessach war die zerstrittene Familie seit langem einmal wieder zum Musizieren zusammengekommen. Doch es gab Streit. Es ist ein kostbares Gemälde aus der Wohnung des Ermordeten gestohlen worden. Dennoch geht Ochajon von einer Beziehungstat aus. Für seinen Kollegen Balilati sind Nita und der schwule Freund einer ihrer beiden Brüder die Hauptverdächtigen. Noch kann der besonnene Ochajon seine schützende Hand über die Frau halten, in die er sich verliebt hat. Doch wie lange noch?

Mörderischer BesuchFoto: ZDF / Vered Adir
Hat diese Frau gerade ihren Vater ermordet? Heiner Lauterbach und Liane Forestieri

„Mörderischer Besuch“ ist das zweite ZDF-Krimi-Drama nach einem Roman von Batya Gur. Michael Ochajon ist ihre Schöpfung, sechs Mal hat sie ihn als Katalysator eingesetzt, um etwas über das Israel der 90er Jahre zu erzählen. Heiner Lauterbach spielt ihn auch in der zweiten Verfilmung, die nicht nur dramaturgisch dichter, klarer und konzentrierter ist als zum Auftakt „Die Seele des Mörders“, sondern in der auch die Hauptfigur an Eigenleben gewinnt. Es ist – gemessen an anderen Krimis, die ARD und ZDF im Ausland produzieren – eine faszinierende, vielschichtige Figur. Ein Mann, der in sich ruht, eine Rolle, maßgeschneidert für Lauterbach, dessen schauspielerisches Können man nicht an seinen oft durchschnittlichen Filmen messen sollte. So gut hat man ihn zuletzt selten gesehen. Die Tonlage seines Ochajon ist ein bisschen mit der von Uwe Kockischs Brunetti zu vergleichen. Mit dem Unterschied, dass die Gur-Geschichten sehr viel stärker sind als Donna Leons „falsche“ Venedig-Krimis.

Es geht um die „Alltäglichkeit“, in einem Land, das man für gewöhnlich allein mit dem Nahost-Konflikt in Verbindung bringt. Was mitschwingt ist indes der „ganz normale“ Rassismus – mal wird er von Kommissar Balilati, mal durch eine Nebenhandlung, die die Abschiebepolitik der Israelis thematisiert, ins Spiel gebracht. Und ein Exkurs in die nationalsozialistische deutsch-jüdische Geschichte war sicher einer der Gründe, Gurs „Das Lied der Könige“ als zweiten Ochajon-Roman zu verfilmen. Fazit: ein wohltuend handlungsreduziertes Krimi-Drama, das auf den üblichen TV-Krimi-Realismus verzichtet.

Mörderischer BesuchFoto: ZDF / Vered Adir
Politisch und ermittlungstechnisch selten einer Meinung. Heiner Lauterbach, Menashe Noy

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Reihe

ZDF

Mit Heiner Lauterbach, Menashe Noy, Liane Forestieri, Benjamin Sadler, Astrid Posner, Kais Nashif, Wilfried Hochholdinger, Hannelore Hoger, Ezra Dagan, Bülent Sharif

Kamera: Klaus Liebertz

Schnitt: Ollie Lanvermann

Musik: Jürgen Ecke

Produktionsfirma: Filmpool

Drehbuch: Nils-Morten Osburg, Hermann Kirchmann – nach einem Roman von Batya Gur

Regie: Jorgo Papavassiliou

Quote: 4,80 Mio. Zuschauer (13,9% MA)

EA: 06.12.2012 20:15 Uhr | ZDF

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