Dorfpolizist Helge Vogt verschenkt Sanduhren. Gerade kommt er von einem Urlaub zurück aus Berlin. Wie ein Weltenbummler wird er in der Dorfkneipe begrüßt. Wieder mal hat er Wirtstochter Lona eine Sanduhr mitgebracht. Helge liebt Sand, und auf Amrum gehen die Uhren anders. Umso mehr geraten er und sein Vorgesetzter Heinz Koops durcheinander, als ihre Insel plötzlich zum Mekka für Profikiller wird. Ohne ihr Wissen wurde vor Wochen die junge Moldawierin Mathilda auf die Insel gebracht. Sie ist Augenzeuge in einem Mordprozess gegen das organisierte Verbrechen. Doch das Versteck ist aufgeflogen. Als die Dorfpolizisten den Personenschutz übernehmen, liegen bereits vier Leichen beim Inselbestatter. Helges und Koops’ letzter „Fall“ war ein Schweizer, der sich im Watt verlaufen hat. Mit Mord bekamen sie es auf Amrum bisher noch nie zu tun. Deshalb wollen sie Mathilda so schnell wie möglich von der Insel bringen. Doch es gibt Sturmwarnung. Keine Fähre kann mehr auslaufen. Nur eine letzte Fähre läuft noch ein. Und mit ihr seltsame Männer mit seltsamen Koffern.
Außer Schafen und ein paar Dösköppen scheint es nicht viel zu geben auf dieser Nordseeinsel – bis ein paar Killer für Abwechslung sorgen. Elf (!) Leichen, das ist eine runde Sache – und der hoch verschuldete Inselbestatter kann aufatmen. „Mörder auf Amrum“ ist aber auch für den vom Fernsehkrimi übersättigten Zuschauer eine willkommene Abwechslung. In dem Film von Markus Imboden und Holger Karsten Schmidt witzelt die Polizei nicht cool über ernsthafte Todesfälle hinweg wie die Kommissare in diversen Krimi-Reihen, sondern die gesamte Tonlage bewegt sich zwischen Mord und Wahnwitz, Brutalität und Komik, Beschaulichkeit und Kugelhagel. Als ob sich die Coen-Brüder ein Western-DVD-Wochenende gemacht hätten und dabei bei „High Noon“ und „Rio Bravo“ hängen geblieben wären.
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Hinnerk Schönemann ist die Idealbesetzung für jenen unbedarften Polizisten, der schon gern mal mehr als eine Robbe auf der Sandbank retten würde. Er spielt mehr als das wohlfeile Muster „ein Bulle wächst über sich hinaus“. Bei jenem Helge Vogt begnügt er sich auch nicht nur mit der bloßen Verlängerung seines Sonnebrillen-Cops Simmel oder seines Dummdödel-Polizisten aus „Dr. Psycho“. Von allen Rollen ein bisschen darf er geben – so nuancen- und facettenreich hat man ihn selten gesehen. Auch Irina Potapenko als Moldawierin Mathilda besticht durch ihre Zwischentöne, und sie gibt dem Film ein Höchstmaß an Authentizität. Und Roeland Wiesnekker zeigt einmal mehr sein außergewöhnliches Charisma: sein kaltblütiger Killer glänzt mit zynischer Lakonie und ist das Herzstück der Gut-Böse-Handlung.
„Mörder auf Amrum“ hält stets die Waage zwischen köstlichem Milieu- und Typen-Krimi und hoch spannendem Thriller. Es ist der vierte Dorfkrimi des Gespanns Schmidt/Imboden – und es ist der beste, weil eigenwilligste der vier Filme. Das Genre wird überdreht bis hin in Loriotsche Verbalspitzen („die armselige Insel nehmen Sie zurück“). Sogar das Sorgenkind des ZDF-Fernsehfilms, die Musik, ist mit viel norddeutscher Klangfarbe und ironischen Anleihen beim Italo-Western für TV-Verhältnisse auffallend gut. Fazit: ein Fernsehfilm, den auch Kinofans nicht verpassen sollten.