Mobbing

Wolff, Moretti, Zahn, Weegmann. Kommunikation Mobbing – Krieg & Krankheit

Foto: BR / Fischerkoesen
Foto Rainer Tittelbach

Was am Arbeitsplatz beginnt, endet im Fernsehfilm „Mobbing“ in der Familie. Mobbing ist ein sozialer Zersetzungsvorgang. Ängste, Projektionen, Demütigungen lassen am Ende auch die Liebe sterben. Der fein akzentuiert inszenierte Film von Nicole Weegmann nach dem konzentrierten Buch von Eva & Volker A. Zahn ist auch ein höchst aufschlussreicher Film über die „Entliebung“ eines Ehepaars. Susanne Wolff und Tobias Moretti gelingt ein furioses Doppel. Sie können sich hinter nichts verstecken: keinen anderen Figuren, keinen Genre-Ritualen, keinem Alltagsgeplänkel. Beziehungshorror zweier angeschlagener Seelen.

Eine glückliche Familie, zwei Kinder, Freunde und ein wohnliches Heim. Vater Jo arbeitet seit 18 Jahren im Kulturreferat einer Kleinstadt und macht dort einen guten Job. Die Stimmung ändert sich schlagartig, als er eine neue Chefin bekommt. Sie kritisiert seine Arbeit und beschneidet nach und nach seine Kompetenzen. Zuhause schreit das Baby und Ehefrau Anja bekommt immer häufiger keine Antwort auf ihre Fragen. Jo verbeißt sich in die Krise, kapselt sich ab und reagiert immer gereizter auf die Ratschläge seiner Frau. Nach einer Abmahnung und der Kündigung seines besten Freundes geht es mit Jos seelischer Verfassung weiter bergab. Schließlich wird er fristlos entlassen. Weshalb, erfährt Lisa erst später. Ihr Mann redet kaum noch mit ihr, lieber wütet er mit der Kettensäge im Garten. Sie kommt nicht mehr an ihn heran. Sein einziges Ziel ist es nur noch, den angestrengten Prozess vor dem Arbeitsgericht zu gewinnen. „Ich hol mir diesen Job zurück“, schwört er sich ein auf die Zukunft. Seine Familie verliert er zunehmend aus dem Blick. Für Anja eine unerträgliche Situation. Sie will nicht immer alles ausbaden müssen, sie ist erschöpft, sie ist wütend: „Du kriegst nichts auf die Reihe, gar nichts, nicht den Job, nicht die Familie, gar nichts!“

„Mobbing ist ein diffuser Zustand. Gerüchte, Ängste, Projektionen und Demütigungen verbinden sich zu einem Alptraum, der sich in den Köpfen festsetzt – nicht nur des Gemobbten, sondern aller Mitspieler.“ Die Schriftstellerin Annette Pehnt hat für ihren Roman „Mobbing“ einen kommunikativen Zugang zu diesem gesellschaftlichen Phänomen gewählt. Die gewohnten Rollen, der zupackende, lebensfrohe Mann und die patente, einfühlsame Ehefrau, halten dem Mahlwerk des Mobbings nicht stand. Für die Verfilmung hat das Autorenduo Eva und Volker A. Zahn („Ihr könnt euch niemals sicher sein“) einen ähnlichen Zugang gewählt. Beim konkreten Akt des Mobbings sind weder der Zuschauer noch die weibliche Hauptfigur anwesend. Die Mobbing-Attacken kommen nur vermittelt zum Ausdruck; Jos Chefin wird im Film nicht gezeigt. Diese Perspektive verlagert den Schwerpunkt der Geschichte vom Thema Mobbing auf die Auswirkungen dieser Macht-Ohnmacht-Quälkommunikation auf das familiäre Umfeld des Betroffenen. Im Film rückt die nicht minder unter dem Konflikt leidende Ehefrau indes aktiver ins Zentrum der Handlung. „Bei uns sollte Anja ein Fels in der Brandung sein, sie sollte um die Liebe kämpfen, erschöpft und wütend, aber bis zum bitteren Ende optimistisch“, so Eva Zahn. „Was ist bloß aus uns geworden? Wir belügen uns schon gegenseitig“, erkennt Anja. „Es war schon ein harter Kampf für das bisschen Gerechtigkeit“, zieht sie Bilanz. Dieser realistische Blick ist ihrem Mann abhanden gekommen. Der Verlust seiner Würde hat ihm offenbar jegliches Gespür für den Wert des Lebens genommen. Die Schlussszene liefert ein Horrorbild für Entfremdung.

MobbingFoto: BR / Fischerkoesen
Dass Jo Rühler auf seiner Arbeit gemobbt und schließlich fristlos gekündigt wird, wirkt sich auch auf seine Frau Anja (Susanne Wolff) und Sohn Felix aus.

Nicole Weegmann über die Inszenierung:
„Neben der Inszenierung einer gegenwärtigen und authentischen Welt, die der aktuellen Relevanz des Themas angemessen ist, waren bei diesem Stoff Atempausen entscheidend für die Atmosphäre. Atempausen im Sinne von Blicken, nonverbalen Momenten und Zeit, die vergehen musste, um das jeweils Erlebte Stufe für Stufe weiter in die Beziehung des Ehepaares eindringen zu lassen.“

„Mobbing“ ist auch ein höchst aufschlussreicher Film über die „Entliebung“ eines Ehepaars. Die destruktive Kraft und unheilvolle Wirkung geht zunächst von der (abwesenden) Täterin aus; wie sich die Mobbing-Interaktion dann aber im Einzelnen darstellt, ist auch eine Frage der „Mentalitäten“ der beiden Opfer und ihrer Beziehung. Die Mobbing-Krise hat Seiten im Anderen freigesetzt, die der Partner nur schwer ertragen kann. Susanne Wolff und Tobias Moretti gelingt ein furioses Doppel. Sie können sich hinter nichts verstecken, keinen anderen Figuren, keinen Genre-Ritualen, keinem Alltagsgeplänkel. Dabei kommt Wolff die vergleichsweise schwierigere und sinnstiftendere Rolle zu. In „Mobbing“ geht es zur Sache, wie es nur wenige Male im Jahr in einem TV-Drama zur Sache geht. Gekrönt wird diese BR-Arte-Koproduktion durch einen sehr klaren Erzählstil, (haut)nah an den Figuren und mit zwei, drei, fein klug akzentuierten Stimmungsbildern und Zwischenschnitten zur richtigen Zeit, die Spirale des Schreckens weiterdrehend. Immer wieder blickt man auf das Heim der Familie, aus der Vogelperspektive, schräg, die Figuren wirken dabei wie Spielfiguren. Mobbing, ein sozialer Zersetzungsvorgang, am Ende dann aber ohne Kettensäge.

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Fernsehfilm

Arte, BR, SWR

Mit Susanne Wolff, Tobias Moretti, Andreas Lust, Bettina Mittendorfer, Krista Stadler, Margret Völker

Kamera: Alexander Fischerkoesen

Ausstattung: Eva Maria Stiebler

Schnitt: Andrea Mertens

Soundtrack: David Bowie („Heroes“), Peter Gabriel („Heroes“)

Produktionsfirma: Claussen+Wöbke+Pütz

Produktion: Uli Putz, Jakob Claussen, Anja Föringer

Drehbuch: Eva Zahn, Volker A. Zahn

Regie: Nicole Weegmann

Quote: 3,51 Mio. Zuschauer (12,3% MA)

EA: 25.01.2013 20:15 Uhr | Arte

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