Mit geradem Rücken

Ann-Kathrin Kramer. Mit aufrechtem Gang durch die Flure der sexuellen Belästigung

Foto: Sat 1 / Georges Pauly
Foto Rainer Tittelbach

Ann-Kathrin Kramer spielt eine Frau, die einer massiv vom Chef bedrängten Mitarbeiterin beisteht, die nicht wegschauen will und um die es zwischenzeitlich ziemlich einsam wird. „Mit geradem Rücken“ lebt vom hohen Identifikationspotenzial jener Hella Wiegand, Floor-Supervisor in einem Hamburger Luxushotel. Der Film verschreibt sich keinem Genre, sondern bleibt beim Thema und bei seiner Heldin, er ist spannend und besitzt einen guten Flow.

Das Grand Hotel in Hamburg ist ihr Leben. Hella Wiegand liebt ihren Job als Floor-Supervisor, sie ist beliebt bei den Kollegen und auch die Geschäftsführung hält große Stücke auf sie. So könnte es etwas werden mit ihrer Bewerbung in die obere Etage. Doch plötzlich ist der Hausfrieden massiv gestört. Hella überrascht das Zimmermädchen Shirin mit Jakob Braunstein, dem Chef des Hotels, in einer heiklen Situation. Haben die beiden ein Verhältnis oder belästigt er die junge Frau? Shirin schweigt, der Manager spricht von einem Missverständnis, lächelt sein Gewinnerlächeln, der Personalchef lässt sich einlullen – und Hella bekommt ihre Beförderung. Doch sie kann nicht so einfach zur Tagesordnung übergehen. Sie hat zwar nicht genug gesehen, um als Zeugin auszusagen – dennoch überredet sie Shirin, die die sexuelle Belästigung durch Braunstein mittlerweile zugegeben hat, mit ihr zur Polizei zu gehen. Dort macht man den beiden aber wenig Hoffnung. Gefragt sind Beweise.

Ann-Kathrin Kramer spielt jene Hella Wiegand, eine Frau, die nicht wegschauen will und um die es zwischenzeitlich ganz schön einsam wird. Aus Angst vor ihren Eltern zieht sogar die junge Türkin ihre Anzeige später wieder zurück. Erst als die Heldin nichts mehr zu verlieren hat, wagt sie alles, um wenigstens ihre Selbstachtung zu behalten. „Mit geradem Rücken“ ist ein Plädoyer für Solidarität unter Frauen, ist ein Film, der zeigt, wie Zivilcourage im Alltag möglich ist. Das Sat-1-Movie, das sich keinem klassischen Genre verschreibt, folgt der Dramaturgie einer persönlichen Kampfansage: eine Frau, die selbst schwer Hilfe annehmen kann, übernimmt für eine jüngere Frau, die noch einsamer im Leben dasteht, den Kampf gegen Goliath und stößt dabei an gesellschaftliche Grenzen: ihr Gegner ist ein angesehener Mann, der bei allen beliebt ist und der sich noch nie etwas zuschulden hat kommen lassen.

Mit geradem RückenFoto: Sat 1 / Georges Pauly
Verfängliche Situation im Hotel. Die Heldin sieht zu wenig. Ann-Kathrin Kramer, Pegah Ferydoni und Kai Wiesinger in „Mit geradem Rücken“

„Mit geradem Rücken“ lebt vom hohen Identifikationspotenzial der Hauptfigur. Hella Wiegand ist Dreh- und Angelpunkt des Films: eine Erin Brockovich im Grandhotel. Ihr folgt der Zuschauer auf Schritt und Tritt – vom freundlichen Empfang der Kolleginnen bis zum Spießrutenlauf durch die Hotelflure. Krimi-Experte Florian Froschmayer inszeniert das Drama einer aufrechten Frau mit leisen Thriller-Momenten. Immer wieder verlässt die Heldin das Hotel bei Nacht und eine Tiefgarage ist – was Nervenkitzel angeht – eine vielversprechende Location. Der Film ist spannend, setzt aber kaum auf Genre-Thrill, sondern auf die ganz alltäglichen Ängste, die einen Menschen erfassen, der belästigt oder bedroht wird. Ein guter Schachzug: die beiden Hauptkontrahenten sich nicht zu oft und zu früh begegnen zu lassen. So bleiben eine gewisse Spannung beim Zuschauer und Wut und Ohnmachtsgefühle bei der Protagonistin weiterhin im Spiel. Der Einsatz der Hotel-Räumlichkeit ist ebenso effektiv: elegant die Plansequenz (Szene ohne Schnitt) zu Beginn, die einem die Dynamik eines solchen Hotels sinnlich nahebringt. Auch in anderen Szenen dominiert die Bewegung: die Protagonisten eilen durch die Flure, ein Termin jagt den nächsten, die einen lächeln, die anderen haben Angst. „Mit geradem Rücken“ besitzt einen guten Flow und auch die Besetzung mit Kramer, Wiesinger und Ferydoni hätte kaum wirkungsvoller sein können. Ein sehr amerikanisch gemachter Themenfilm – warum nicht?! (Text-Stand: 21.10.2012)

tittelbach.tv ist mir was wert

Mit Ihrem Beitrag sorgen Sie dafür, dass tittelbach.tv kostenfrei bleibt!

Kaufen bei

und tittelbach.tv unterstützen!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Fernsehfilm

Sat 1

Mit Ann-Kathrin Kramer, Pegah Ferydoni, Kai Wiesinger, Hans Löw, Stefanie Höner, Floriane Daniel, Julian Weigend, Dagmar Sachse, Franziska Troegner, Robert Schupp, Lion Wasczyk

Kamera: Patrick-David Kaethner

Schnitt: Claudia Klook

Produktionsfirma: Relevant Film

Produktion: Heike Wiehle-Timm

Drehbuch: Sophia Krapoth

Regie: Florian Froschmayer

Quote: 2,74 Mio. Zuschauer (8,7% MA)

EA: 20.11.2012 20:15 Uhr | Sat 1

Spenden über:

IBAN: DE59 3804 0007 0129 9403 00
BIC: COBADEFFXXX

Kontoinhaber: Rainer Tittelbach