Das Grand Hotel in Hamburg ist ihr Leben. Hella Wiegand liebt ihren Job als Floor-Supervisor, sie ist beliebt bei den Kollegen und auch die Geschäftsführung hält große Stücke auf sie. So könnte es etwas werden mit ihrer Bewerbung in die obere Etage. Doch plötzlich ist der Hausfrieden massiv gestört. Hella überrascht das Zimmermädchen Shirin mit Jakob Braunstein, dem Chef des Hotels, in einer heiklen Situation. Haben die beiden ein Verhältnis oder belästigt er die junge Frau? Shirin schweigt, der Manager spricht von einem Missverständnis, lächelt sein Gewinnerlächeln, der Personalchef lässt sich einlullen – und Hella bekommt ihre Beförderung. Doch sie kann nicht so einfach zur Tagesordnung übergehen. Sie hat zwar nicht genug gesehen, um als Zeugin auszusagen – dennoch überredet sie Shirin, die die sexuelle Belästigung durch Braunstein mittlerweile zugegeben hat, mit ihr zur Polizei zu gehen. Dort macht man den beiden aber wenig Hoffnung. Gefragt sind Beweise.
Ann-Kathrin Kramer spielt jene Hella Wiegand, eine Frau, die nicht wegschauen will und um die es zwischenzeitlich ganz schön einsam wird. Aus Angst vor ihren Eltern zieht sogar die junge Türkin ihre Anzeige später wieder zurück. Erst als die Heldin nichts mehr zu verlieren hat, wagt sie alles, um wenigstens ihre Selbstachtung zu behalten. „Mit geradem Rücken“ ist ein Plädoyer für Solidarität unter Frauen, ist ein Film, der zeigt, wie Zivilcourage im Alltag möglich ist. Das Sat-1-Movie, das sich keinem klassischen Genre verschreibt, folgt der Dramaturgie einer persönlichen Kampfansage: eine Frau, die selbst schwer Hilfe annehmen kann, übernimmt für eine jüngere Frau, die noch einsamer im Leben dasteht, den Kampf gegen Goliath und stößt dabei an gesellschaftliche Grenzen: ihr Gegner ist ein angesehener Mann, der bei allen beliebt ist und der sich noch nie etwas zuschulden hat kommen lassen.
Foto: Sat 1 / Georges Pauly
„Mit geradem Rücken“ lebt vom hohen Identifikationspotenzial der Hauptfigur. Hella Wiegand ist Dreh- und Angelpunkt des Films: eine Erin Brockovich im Grandhotel. Ihr folgt der Zuschauer auf Schritt und Tritt – vom freundlichen Empfang der Kolleginnen bis zum Spießrutenlauf durch die Hotelflure. Krimi-Experte Florian Froschmayer inszeniert das Drama einer aufrechten Frau mit leisen Thriller-Momenten. Immer wieder verlässt die Heldin das Hotel bei Nacht und eine Tiefgarage ist – was Nervenkitzel angeht – eine vielversprechende Location. Der Film ist spannend, setzt aber kaum auf Genre-Thrill, sondern auf die ganz alltäglichen Ängste, die einen Menschen erfassen, der belästigt oder bedroht wird. Ein guter Schachzug: die beiden Hauptkontrahenten sich nicht zu oft und zu früh begegnen zu lassen. So bleiben eine gewisse Spannung beim Zuschauer und Wut und Ohnmachtsgefühle bei der Protagonistin weiterhin im Spiel. Der Einsatz der Hotel-Räumlichkeit ist ebenso effektiv: elegant die Plansequenz (Szene ohne Schnitt) zu Beginn, die einem die Dynamik eines solchen Hotels sinnlich nahebringt. Auch in anderen Szenen dominiert die Bewegung: die Protagonisten eilen durch die Flure, ein Termin jagt den nächsten, die einen lächeln, die anderen haben Angst. „Mit geradem Rücken“ besitzt einen guten Flow und auch die Besetzung mit Kramer, Wiesinger und Ferydoni hätte kaum wirkungsvoller sein können. Ein sehr amerikanisch gemachter Themenfilm – warum nicht?! (Text-Stand: 21.10.2012)