Kurz vor seinem Fünfzigsten fällt Jürgen Kotschie in ein tiefes Loch. „Hatten Sie auch schon mal das Gefühl, dass das ganze Leben an Ihnen vorbeizieht?“, fragt der Architekt seinen Polier. „Ständig.“ Kotschie beruhigt das wenig. Die Sinnkrise greift weiter um sich. Während die werte Gattin die Geburtstagseinladung plant – verzweifelt der sonst so freundliche Familienvater an seinem Dasein. Gewichtszunahme, Schweißausbrüche, Atemnot – und hier und da schon mal eine kleine Ohnmacht. „Männliche Meno-Pause“, witzelt der Arzt – und Kotschie wird es dann plötzlich doch alles zu bunt. Der brave Ehemann entflieht kurz nach seinem 50. dem Wahnsinn seines Alltags – der Ehefrau, dem Eigenheim, der stupiden Arbeit.
Grell, farbenfroh und oft surreal mischt Norbert Baumgarten die Ängste seines Helden auf den Bildschirm. „Mensch Kotschie“ bespiegelt mit viel Phantasie und schwarzem Humor das Leben eines lange Zeit „glücklichen“ Mannes, der plötzlich alles um sich herum in Frage stellt. Zuerst platzt der Gartenschlauch, dann steht Kotschie zunehmend auf eben demselben. Aus der Midlifekrisen-Geschichte erwächst ganz nebenbei fröhliche Zivilisationskritik. Alle scheinen sich gegen den kleinen Mann verschworen zu haben – allen voran die Welt der Dinge. Mit den Tücken des Objekts, mit Designer-Armaturen und automatischen Türen, kämpft er wie weiland Jacques Tati. Das ist mitleiderregend, aber vor allem komisch. „Mensch Kotschie“ ist strukturiert wie ein Traum, wie ein Musikstück. So etwas können sonst nur die Franzosen. Selten klappt das hierzulande. Es versucht aber auch kaum einer. Norbert Baumgarten („Befreite Zone“) und seinem Kameramann Lars Lenski gelingt es wunderbar, die ver-rückte Welt von Bürger Kotschi als subjektive Traumreise zu gestalten, bei der man auch als Hollywood-Geschichten-höriger Zuschauer gerne mitfahren dürfte. Und ein hochkarätiges Ensemble mit Claudia Michelsen, Ulrike Krumbiegel und dem famosen Komödianten Stefan Kurt hat sichtlich Spaß am surrealen Spiel. Eine Programmzeitschrift titelte passend: „Komischer kann eine Krise kaum sein.“ (Text-Stand: 13.11.2011)