“Das Schwierige ist ja, dass man über diesen ersten Werbeblock hinweg muss.” Regisseurin Sherry Hormann hatte zunächst einige Scheu, für Sat 1 ein TV-Movie zu drehen. Nach ihrem preisgekrönten Debüt “Leise Schatten”, zwei erfolgreichen Kinokomödien und zwei herausragenden “Bella Block”-Episoden wagte sie den Sprung erstmals zu einem Kommerzkanal. Doch Reue ist nicht angebracht. “Meine Tochter ist keine Mörderin” gehört zum Besten, was in der Sparte Fiction dieses Jahr aus den Reihen der Privatsender gekommen ist. Zwei uneitle, ungeschönte Hauptdarstellerinnen, Nina Petri und Maria Simon, und ein vorzügliches, weitgehend amerikanisches Restteam sorgten für die Zwischentöne in dem ebenso spannenden wie emotional anrührenden Drama von Autorin Rodica Döhnert.
Eine kalifornische Kleinstadt. Blutverschmiert wird die junge Mutter Stefanie von der Polizei abgeführt. Sie soll ihren kleinen Sohn in der Nacht erschossen haben. Sie selbst kann sich an das Geschehene nur schemenhaft erinnern. Bei der Vernehmung soll sie sogar ein Schuldgeständnis unterschrieben haben. Die aus Deutschland herbeigeeilte Mutter kann und will das nicht glauben. Mit einem Pflichtverteidiger versucht sie das Unmögliche. Sie kann es nicht fassen, dass es nicht mehr um den Beweis der Unschuld ihrer Tochter geht, sondern nur noch einzig und allein darum, sie vor der Todeszelle zu retten.
Sherry Hormann spricht von “einem Who-done-it-Krimi, in dem nichts so ist, wie es scheint, getragen von der Suche nach Liebe in einer erkalteten Familie”. In dem Film geht es um weit mehr als die Suche nach juristischer Wahrheit. Die Mutter der mutmaßlichen Mörderin sieht sich in den chaotischen Familienverhältnissen der Tochter selbst gespiegelt. Sie hat vieles falsch gemacht und steht jetzt vor einem Scherbenhaufen. “Beides sind Frauen, die schwach sind und schwach bleiben und trotzdem stark sind”, betont Hormann. Hollywood-like Heldenepen liegen der Deutsch-Amerikanerin nicht, die während der Dreharbeiten in den USA nicht nur strengster Beobachtung der Gewerkschaften unterlag, sondern auch wegen des justizkritischen Drehbuchs “als ein halber Kommunist” verschrien war. “Ich finde, wenn man Schwächen zugibt, ist das eine unglaubliche Stärke – und das wird zu wenig erzählt.”
Diese Vielschichtigkeit der Charaktere ist der Ursprung auch einer dramaturgischen Doppelbödigkeit. “Bei Psychothrillern wie diesem liegt die Leichtigkeit oft versteckt zwischen dem Grauen”, so Hormann. “Das ist wie im Leben – eine Gratwanderung zwischen Leben und Desaster.” Es ist vor allem die spröde Annäherung der beiden Frauen, die Wärme in den kalten amerikanischen Justizapparat bringt, wo offenbar nur ein Staatsanwalt mit der Verurteilung einer Kindsmörderin schnell Karriere machen möchte. Doch es ist nicht die wohl proportionierte Wärme, die ein Krimi zum Funktionieren braucht, nein, es ist das Herzstück eines Films, der weit mehr als ein Genre bedient. “Meine Tochter ist keine Mörderin” beschreibt auch einen Kampf um eine verloren geglaubte Liebe. (Text-Stand: 22.10.2002)