Meine allerschlimmste Freundin

Laura Berlin, Tom Beck, Proschat Madani, Broecker. Ohne erkennbare Brechung

Foto: Sat 1 / Arvid Uhlig
Foto Harald Keller

Bewusst gesetzte herbe Kontraste sind das Gestaltungsprinzip der Sat-1-Komödie „Meine allerschlimmste Freundin“ – und sollen für Lacher sorgen. Das funktioniert bei diesem deutschen Me-too-Produkt, das deutlich an den US-Kinohit „Ted“ angelehnt ist, allerdings nicht so gut wie bei dem viel satirischeren Vorbild. Denn die Aussage bleibt unentschieden: Wird das tradierte Geschlechter-Verhalten anfangs noch verulkt, strebt das Paar am Ende geradewegs wieder zurück zu den gestrigen Verhältnissen. Klasse dafür ist Tom Beck!

So beginnen Märchenfilme: Die Kamera schwingt sich vom Himmel hinunter auf ein Turmzimmerchen in einem schlossartigen Gebäude und erspäht hinter dem Fenster ein blondes Mädchen. Die weibliche Erzählerstimme hebt an: „Es war einmal ein sehr trauriges kleines Mädchen. Sie hatte keine Eltern, keine Freunde – und leider noch nicht genug Busen, um bei einer Gesangs-Castingshow mitzumachen.“ Das vermeintlich Märchenschloss ist das Kinderheim Kupferfeld. Vor der Türe liegt neben anderen antiken Spielzeugen eine einfache Puppe. Ende der Kindheitserinnerungen – das Bild platzt dem Zuschauer blasenartig entgegen, wir sind in der Gegenwart. Die Puppe Bella ist ein lebendiges Wesen und bewirbt sich um einen Part in einer Bademodenwerbung. Gesucht wird ein Busendouble für Heidi Klum. „Kein Ding“, meldet Bella forsch. „Ich habe mir extra die Tüten tunen lassen“, erklärt der unverschämte Rotschopf, die Fluppe lässig im Mundwinkel, und reißt sich die Bluse auf.

Leider wird es nichts mit dem Engagement. In Bellas Heim ist noch eine wilde Orgie im Gange, als der Vertreter der Bank erscheint. Bella ist bankrott, ihre Luxusvilla perdü. Zeit also, sich mal wieder bei ihrer alten Freundin Jana (Laura Berlin) zu melden. Bettenverkäuferin Jana lebt mit ihrer Jugendliebe Wolfgang (Tom Beck) im Dekor der frühen 60er und das Paar verhält sich auch so. Ein US-Werbefilm für Frühstücksflocken aus dieser Ära könnte kaum gezierter ausfallen: Während er sich beim Frühstück in die Zeitschrift „Logistik von morgen“ vertieft, schmiert sie ihm den perfekt gebräunten Käsetoast. Zwischendurch tauschen beide verliebte Blicke, dann geht es hinaus in den Alltag des Jahres 2015.

Bewusst gesetzte herbe Kontraste sind das Gestaltungsprinzip der Sat-1-Komödie „Meine allerschlimmste Freundin“. Die Puppe Bella ist vorlaut, vulgär, hedonistisch, ein manipulierendes Biest. Aus Eigennutz will Bella das Traumpaar Jana und Wolfgang trennen und trifft bei Jana tatsächlich einen Nerv. Die junge, ätherisch wirkende Blondine, ein Prinzessinnentyp, war nie mit einem anderen Mann zusammen, kennt nur das strikt geregelte Leben zwischen Haushalt und Beruf. Jetzt steht der nächste Schritt an: Wolfgang hat eine Anzahlung auf ein schmuckes Eigenheim geleistet und macht ihr einen Heiratsantrag. Freudig nimmt nimmt Jana an. Insgeheim aber hegt sie Zweifel. Die von Bella eifrig geschürt werden.

Meine allerschlimmste FreundinFoto: Sat 1 / Arvid Uhlig
Zurück in die frühen Sixties, als Liebe noch Liebe war. Allerdings gibt Puppe Bella den „Ted“. Laura Berlin & Tom Beck in „Meine allerschlimmste Freundin“

Soundtrack: Robin Thicke („Blurred Lines“), Black Eyed Peas („I Gotta Feeling“), Christopher Lennertz feat. Stefan Lessard, Money Mark, & Matt Chamberlain („P***s Shaped Food“), Daft Punk („Get Lucky“), Tommy Reeve („I’m Sorry“), Justin Timberlake („Sexyback“), Alle Farben feat. Graham Candy („She Moves Far Away“), Police („Roxanne“), Tom Beck

Deutlich ist „Meine allerschlimmste Freundin“ an Seth MacFarlanes US-Kinohit „Ted“ angelehnt. Dort ist es ein lebendiger Teddy, der ein von Drogen- und Sexexzessen geprägtes Leben führt, mal ein Medienstar war, aber inzwischen in einer Krise steckt. Er stört die Beziehung zwischen seinem Wohngenossen John (Wahlberg), dessen kindlicher Wunsch nach einem Freund Ted einst lebendig werden ließ, und Johns Freundin Lori (Kunis). Am Ende stirbt Ted, wird aber nun von der einsichtigen Lori ins Leben zurückgewünscht. „Meine allerschlimmste Freundin“ weist die gleichen Grundmuster auf, Autor Michael Kenda vertauschte aber die Geschlechterrollen – bei ihm teilt das Spielzeug seine Geschichte mit dem weiblichen Part des Paares. Weiterer Unterschied: Das deutsche Me-too-Produkt erreicht selten die satirischen Qualitäten des Vorbilds. Ansätze sind spürbar, aber das Potenzial wird nicht ausgereizt, die Aussage bleibt unentschieden: Zu Beginn wird tradiertes Geschlechter-Verhalten verulkt und über die Inszenierung als vorgestrig eingestuft, am Ende aber streben die Protagonisten zurück zu diesen Verhältnissen. Ohne erkennbare ironische Brechung.

Humor suchen Autor und Regisseur vorrangig aus dem Gefälle zwischen Bellas Vulgarität und den kultivierten und liebevollen Umgangsformen von Jana und Wolfgang zu gewinnen, aus der Diskrepanz zwischen weiblichem Rowdytum und schwärmerischem Beziehungsidyll. Aber in der überdeutlichen Herausstellung und steten Wiederholung verliert dieses Moment rasch an Reiz und mit Blick auf die behauptete innige Freundschaft zwischen Bella und Jana auch an Glaubwürdigkeit. Wäre Bellas Charakter dezenter gezeichnet worden, hätten ihre verbalen Ausfälle, ihre erotischen Eskapaden und ihre Sabotageaktionen überraschender und damit auch komischer gewirkt. Einer immerhin zeigt hier eine interessante Facette seines Könnens: Der vor allem als viriler Draufgänger aus „Alarm für Cobra 11 – Die Autobahnpolizei“ bekannte Schauspieler und Sänger Tom Beck erscheint in diesem Film mit Seitenscheitel und Brille wie ein Doppelgänger Clark Kents und beweist in der Rolle des Wolfgang komödiantisches Talent. Casting-Agenten sollten sich das merken. (Text-Stand: 10.2.2015)

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Mehr Informationen

tittelbach.tv ist mir was wert

Mit Ihrem Beitrag sorgen Sie dafür, dass tittelbach.tv kostenfrei bleibt!

Kaufen bei

und tittelbach.tv unterstützen!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Fernsehfilm

Sat 1

Mit Laura Berlin, Tom Beck, Proschat Madani, Daniel Roesner, Martin Armknecht, Jochen Nickel und Jacqueline Belle (Bellas Stimme)

Kamera: Gerhard Schirlo

Szenenbild: Patrick Steve Müller

Kostümbild: Anke Winckler

Schnitt: Andreas Althoff

Musik: Siggi Mueller, Jörg Magnus Pfeil

Produktionsfirma: Wiedemann & Berg, Red Arrow International

Drehbuch: Michael Kenda

Regie: Josh Broecker, Jan Stoltz

EA: 17.03.2015 20:15 Uhr | Sat 1

Spenden über:

IBAN: DE59 3804 0007 0129 9403 00
BIC: COBADEFFXXX

Kontoinhaber: Rainer Tittelbach