„Wann haben wir das letzte Mal einen Abend ohne Wein verbracht?“ Der Frage seiner Frau begegnet Ludwig Wohlstedt mit Ausflüchten. Lieber entkorkt er nach dem „Gläschen“ zum Essen, aus dem zumeist ein „Fläschchen“ wird, noch einen edlen Tropfen als Schlummertrunk. Als er eines Tages einen Kollaps erleidet, wird bei ihm ein massives Alkoholproblem festgestellt. Gemeinsam wollen er und seine Frau Annemarie die Krise bewältigen – ohne professionelle Hilfe. Beide sind Dozenten an der Karlsruher Universität und sie gelten als ein Traumpaar. Doch sie unterschätzen die Macht der Sucht, übersehen die Tiefe des Problems.
Robert Atzorn spielt Ludwig Wohlstedt, jenen erfolgreichen Mann, der mit 60 Jahren in eine tiefe Krise geraten ist. Alkohol als Fluchtdroge – diese Erfahrung kennt der Schauspieler nur zu gut. „Es fing als Jugendlicher an, weil ich damit meine Schüchternheit überwinden konnte“, erinnert er sich. Mit 30 war das Theater mit dem „Beruhigungstropfen“ vorbei. Mit dem Erfolg kam das Selbstbewusstsein. „Das Schlimme am Alkohol ist der schleichende Prozess. Es fängt meist harmlos an, bis man merkt: Du kannst gar nicht mehr ohne.“ Abschalten, das bedeutet für viele eine Flasche Wein am Abend. 9,5 Millionen Menschen konsumieren laut Drogen- und Suchtbericht Alkohol in riskanter Weise. 1,3 Millionen sind alkoholabhängig.
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Bernd Böhlich hat sich des Themas angenommen. In den Mittelpunkt hat er ein wohl situiertes Paar gestellt, dem es materiell an nichts mangelt und das dennoch nicht glücklich ist. „Eigentlich geht es uns doch sehr gut, wir sind gesund, haben interessante Berufe, wunderbare Lebens- und Wohnverhältnisse etc.“, so beschreibt Böhlich den Ausgangspunkt seiner Helden, dem sich die Frage anschließt: „Was ist los mit uns?“ Der Film ist kein Trinkerdrama, das den Zuschauer an den sozialen Rand der Gesellschaft führt, sondern ein Film, der sehr genau die „Trinkkultur“ der Gesellschaft beschreibt. Böhlich: „Man muss sich oft rechtfertigen, wenn man nichts trinken will, weil man keinen Appetit hat oder einen klaren Kopf bewahren will.“
Das Alkoholproblem tritt in „Mein Mann, der Trinker“ zunehmend in den Hintergrund. Das Zittern am Morgen, der Schnaps vor dem Unterricht, die Promille zur Entspannung – das sind die Symptome. Die Ursachen liegen tiefer. Es ist nicht allein der Entzug, der dem Helden zusetzt, sondern auch seine dominante Frau, von der er sich entmündigt fühlt. In seiner Ehe und in einer Zeit, wo ihm und den Seinen die Träume und Ideale abhanden gekommen sind, ist der Alkohol der Stoff, der ihn vergessen lässt und ihm das Überleben erlaubt. Robert Atzorn, dessen „Tatort“-Zwischenspiel nicht immer glücklich war, kann unter Regisseur Bodo Fürneisen endlich mal wieder zeigen, was er kann. Sein Gesicht wird zum Spiegel der Befindlichkeit des traurigen Helden: Ängste in die Falten gemeißelt, ein gezwungenes Lächeln schenkt er nur der werten Gattin. Sie wird gespielt von Franziska Walser. Es ist die psychologisch schwierigere Rolle. Die Tochter von Martin Walser bewältigt sie mit Bravour.