„Mein Lover, sein Vater und ich“ – eigentlich schade, dass der Titel die Überraschung vorwegnimmt, aber auch so ist der Effekt nicht schlecht: Kaum hat sich Nicole vom deutlich jüngeren Liebhaber getrennt und beim Klassentreffen in der Provinz ihre alte Leidenschaft für ihren Schulschwarm erneuert, stellt sich raus, dass die beiden Männer Vater und Sohn sind.
„Eine Frau zwischen zwei Männern“, das Sujet ist wahrlich nicht originell, aber „Mein Lover, sein Vater und ich“ gewinnt der Konstellation ausgesprochen überraschende Seiten ab. Schon die Geschichte ist klasse, weil Autorin Sarah Schnier die vermeintliche Erwartbarkeit der Handlung mehrfach durchkreuzt. Endgültig zu einem aus dem Romantic-Comedy-Einerlei herausragenden Fernsehfilm aber wird die Komödie durch Holger Haases Inszenierung. Der 2005 mit „Das Leben der Philosophen“ gestartete Regisseur hat für Sat.1 schon einige Hingucker („Robin Hood & ich“) gedreht, mit „Bollywood lässt Alpen glühen“ bewiesen, dass ungewöhnliche Ideen bei ihm in guten Händen sind, und im Kino („Da geht noch was“) reüssiert. „Mein Lover, sein Vater und ich“ beeindruckt zudem durch eine Bildgestaltung, die immer wieder um neue Wege bemüht ist. Das gilt zwar nur bedingt für das Lichtkonzept (Berlin kühl, Münsterland warm), aber umso mehr für viele einzelne Einstellungen und Kamerafahrten (Uwe Schäfer), deren Kunstfertigkeit oft im beiläufigen Detail liegt.
Soundtrack:
Ocean Colour Scene („Hundred Mile High City“), Eels („I Need Some Sleep“), Foster The People („Houdini“), C2C („Down The Road“), Radiohead („Karma Police“), Ximena Sarinana („Wrong Miracle“), Olivia Ruiz („Spit The Devil“), The B-52’s („Love Shack“), Blondie („Call me“), Red Hot Chili Peppers („Suck My Kiss“), The Civil Wars („My Father’s Father“), Alabama Shakes („I Found You“ & „Always Alright“ & „Heavy Chevy“), Rhye („The Fall“), Manic Street Preachers („This Is The Day“)
Das TV-Movie wäre jedoch auch ohne die bemerkenswerte Kameraarbeit sehenswert, zumal Haase den durchaus nachdenklichen Humor bis hin zur beredten Schlusseinstellung meist angenehm lakonisch inszeniert; und weil es großen Spaß macht, den beiden Hauptdarstellern zuzuschauen. Katharina Müller-Elmau nutzt das Spektrum, das ihr die zentrale Rolle bietet, weidlich aus: Nicole, Chefeinkäuferin eines angesagten Online-Portals für Mode, ist eine kühl kalkulierende Geschäftsfrau, die mit Mitte 40 noch blendend aussieht und in jeder Lebenslage auf Effizienz setzt. Umso süffisanter ist ihre Einführung, als sie beim Wakeboarden mit ihrem Freund Sascha am Steuer des Motorboots einschläft. Auch wenn sie ihr Alter ignoriert: Es fordert seinen Tribut. Als sich Nicole über eine Dienstanweisung ihrer schnöseligen Chefs (wunderbare Kindskopfrollen für Maximilian Grill und Marc Ben Puch) hinwegsetzt, wird sie gefeuert und Sascha ihr Nachfolger. Kurz entschlossen macht sie Schluss, nimmt eine Einladung zum Klassentreffen in der alten Heimat an und landet im Bett von Womanizer Axel.
Hendrik Duryn ist als Darsteller des früh Vater gewordenen & nach wie vor begehrenswerten Mittvierzigers eine ähnlich perfekte Besetzung wie Müller-Elmau, und das nicht bloß, weil es in dieser Altersklasse neben ihm und Henning Baum nicht viele Schauspieler gibt, die sich unbekleidet sehen lassen können. Darüber hinaus hat Duryn („Der Lehrer“) das nötige Charisma, um auch die nachdenkliche Seite Axels glaubhaft zu spielen: Er hat Angst um die ohnehin fragile Beziehung zu seinem Sohn, der nun prompt beide hasst, den Vater und seine Ex-Freundin. Dank vieler Eigenheiten sind diese beiden Rollen ungleich komplexer als in anderen Produktionen des Genres; im Grunde sind Nicole und Axel zwei schräge Vögel. Ähnlich ungewöhnlich sind die Nebenfiguren – beispielsweise Nicoles konsumkritischer Vater und vor allem auch ihre Mutter, mit deren Identität der Film ein verblüffendes Spiel treibt.
Zu loben sind auch der Schnitt (Marco Baumhof), vor allem für die flotte Auftaktsequenz, das Produktionsdesign (Ralf Küfner) für Axels „Bücherscheune“, eine Art gigantisches Regal mit Schlafplatz, und schließlich das Kostümbild (Ingrida Bendzuk) für die ausgefallenen Kleider Nicoles. Zwar nutzt auch „Mein Lover, sein Vater und ich“ weidlich das unerschöpfliche Repertoire der Popmusik, bedient sich aber weder bei den aktuellen Charts noch beim ansonsten für dieses Genre unvermeidlichen Frank Sinatra. Und wenn man denkt, jetzt sei eine Steigerung eigentlich nicht mehr möglich, verblüfft der Film mit einem „Psycho“-Zitat.