Alle Menschen in seinem Leben vergrault Olaf Hintz (Dieter Hallervorden). Nach dem frühen Tod seiner Frau hat sich irgendwann die Tochter aus dem Staub gemacht; später hat seine Schwester (Ursela Monn) 15 Jahre lang für ihn, der nach einem Schlaganfall im Rollstuhl sitzt, das Opferlamm gespielt. Doch damit ist jetzt Schluss. Sie geht auf Kreuzfahrt, hat ihrem pingeligen Nörgelbruder davor aber noch Trixi Kuntze (Alwara Höfels) als Un-termieterin in die gemeinsame Wohnung geholt – und auch diese Frau, Mitte 30, jedes zweite Wort „echt“ oder „Scheiße“, vier Jobs und drei Kinder von drei verschiede-nen Vätern, wird irgendwann das Weite suchen… Doch zunächst ist sie glücklich: Endlich hat sie eine Bleibe für sich und ihre drei Kids, Murat (Julius Gabriel Göze), Afia (Latisha Kohrs) und Sean (Lior Kudrjawizki), gefunden. Einen Tag lang schaut sich der Lehrer im Ruhestand das lebendige Treiben an, dann lässt er das Schloss austau-schen. Doch Trixi hat ihren Namen zu Recht. Sie kann zwar weder lesen noch schreiben – aber dank ihres Mundwerks ist sie mit ihren Liebsten schnell wieder drin‘ in der schönen Berliner Altbauwohnung. Doch dann macht ihr Schulschwänzer-Sohn Murat bei Hintz lange Finger und gefährdet das Wohnglück. Klauen ist für den Alten zwar ein Unding, andererseits, Lehrer bleibt Lehrer – und was nützt schon ein Pädagoge, wenn es nicht Menschen gibt, die etwas Nachhilfe gebrauchen könnten. Und so erteilt der Pauker a.D. tagsüber Problemschüler Murat und abends Trixi Unterricht.
Können ein alter Zausel, der mit „o tempora, o mores“ allem & jedem nur ein Kopfschütteln abringt, und eine Frau, die Trixi heißt und „Tschö mit ö“ zu ihrer Lieblingsgrußformel ausgewählt hat, es in einer Art Generationen-WG länger als einen Tag miteinander aushalten? „Mein Freund, das Ekel“ zeigt: Sie können. Marco Petrys Fernsehfilm gehört zum Subgenre der Stinkstiefel-Komödie mit einem Drall zu dem, was man heute als Dramödie bezeichnet. Schon Hollywood hat uns in Filmen wie „Die Geister, die ich rief“ oder „Besser geht’s nicht“ göttliche Ekel beschert, und im hiesigen TV gehören diese Miesepeter und Haustyrannen mit finaler Läuterungsgarantie seit einem Jahrzehnt zu den beliebtesten Unterhaltungsfilmmustern: Das begann im ZDF mit Leonard Lansink in „Der Stinkstiefel“ (2009) und setzte sich erfolgreich im „Ersten“ am Freitag fort: „Der Kotzbrocken“ (2015), „Mein Schwiegervater, der Stinkstiefel“ (2015), „Zimmer mit Stall“ (2018) oder „Familie Wöhler auf Mallorca“ (2019) heißen die Filme, Wiesnekker, Gwisdek und von Thun waren die Schauspieler, die hier mal so richtig die Sau von der Leine lassen durften. Dagegen gibt Dieter Hallervorden einen Menschenfeind im Light-Format. Hintz ist kein aggressiver Kotzbrocken, dafür hat er zu viel Bildung und ist zu gut erzogen, eher brummelt er sein generelles Unbehagen in sich hinein („Herrgott, wie groß ist dein Tierreich!“). Der Mann ist verbittert – ein kluger Kopf im Rollstuhl, da kann schon Unzufriedenheit aufkommen. Und es ist auch nicht abwegig, dass man mit über 80 Jahren nicht so gern einen „Fremden“ in der eigenen Wohnung aufnimmt. Und so sind jener Olaf Hintz, aber auch Trixi Kuntze weniger Karikaturen, als es ihre Namen vermuten lassen. Die anfängliche Überzeichnung der Charaktere lässt im Handlungsverlauf nach, die Parteien beschnuppern sich – und irgendwann ist der Alte etwas umgänglicher, verfällt allerdings immer noch ganz gern ins Lehrmeisterhafte. Und so ersetzt mehr und mehr ein mit leichtem Augenzwinkern versehener Ernst das typen- und komödienhafte Spiel.
„Diese Komödie hat viele tragische Elemente. Tragisch ist, dass ein verbitterter alter Mann wie Hintz jeden, der nicht seinen moralischen oder intellektuellen Ansprüchen genügt, aus seinem Leben verbannt, obwohl ihm nichts besser tut als die Nähe von anderen Menschen. Tragisch ist auch, dass eine alleinerziehende Mutter wie Trixi im täglichen Überlebenskampf für sich und ihre drei Kinder keine Chance hat, sich in anderen Bereichen weiterzuentwickeln. Das funktioniert erst, als sie und Hintz anfangen, eine Gemeinschaft zu bilden.“ (Marco Petry)
Eine ganz liebe, herzensgute Person ist die von Alwara Höfels gespielte Trixi Kuntze. Ihre Zwangslage lässt sie zu Beginn so einiges (herunter)schlucken. Was ihr dieser alte Muffel da nicht alles an den Kopf knallt! Wenn es ihr dann aber zu persönlich wird, zieht sie den Stecker, und auch wie sie ihre Kinder erzieht, das will sie sich nicht von diesem Besserwisser vorschreiben lassen. Höfels hat Erfahrung mit der Darstellung bodenständiger Frauen („Keiner schiebt uns weg“, 2018), die auf Liebe und Intuition statt auf Bildung setzen („Mein Sohn, der Klugscheißer“, 2016). Und auch mit betagten Misanthropen haben es ihre Figuren schon des Öfteren aufnehmen müssen: In „Krokodil“ (2013) bekam sie es mit Mario Adorf und in der herausragenden Tragikomödie „Sturköpfe“ (2015) mit Peter Haber zu tun. Auch in „Mein Freund, das Ekel“ ist sie für den tragischen „Opa“ im Rollstuhl die einzige erwachsene Verbindung zur Welt. Sie ist der Sonnenschein in seinem tristen Alltag. Entsprechend setzt Höfels ihr sympathisches Strahlen auf, und alles wird gut – weil beide Figuren voneinander lernen. Er gibt ihr Lebensplanungstipps, sie bringt ihn emotional auf Vordermann. Die erste Stunde spricht der Verstand, dann das Herz. So oft man diese Wendung auch schon gesehen haben mag, sie verfehlt ihre Wirkung nicht. Wenn der Alte, den Tränen nahe, seine Übergriffigkeiten und Verletzungen entschuldigt, dann sieht man da nicht die 999. Läuterung in einem TV-Rührstück, sondern zwei große Schauspieler in einem Moment, der banal sein mag, sich aber verdammt wahrhaftig anfühlt. Wie sich der alte Mann windet, wie er sich quält, um die richtigen Worte zu finden, wie er sich schämt, ja wie er diese Scham erstmals zulässt, weil ihm auf der Zielgerade des Lebens dann doch noch eine existentielle Erkenntnis gekommen sein musst, das ist kluges, kitschfreies Gefühlsfernsehen. Und weil sowieso jeder Zuschauer weiß, dass diese Dramödie ein Sozialmärchen ist, kann Autor-Regisseur Petry („Schule“, „Meine teuflisch gute Freundin“) sie auch gleich in einem gutgelaunten, versöhnlichen Wohlfühlmodus enden lassen. (Text-Stand: 11.4.2019)