Chefarzt Professor Dr. Harry Seidel, ein arroganter Zeitgenosse, ist nach einem schweren Autounfall wie verwandelt. Aus dem unnahbaren Chirurg mit Bilderbuch-Karriere, vorzeigbarer Ehefrau und gelegentlichen Liebschaften wird ein in sich gekehrter Mediziner, der mit 51 über den Sinn des Lebens nachdenkt. Was soll das alles, dieser unwürdige tägliche Kampf gegen die Windmühlen der Krankenhausbürokratie, gegen einen Verwaltungsapparat, der nur auf ökonomische Bilanzen schaut? Der Hyppokratische Eid, ein Witz! Seidel interessieren andere Bilanzen. Konfrontiert mit den Idealen seiner Vergangenheit, die ihm wieder bewusst gemacht werden von einem Freund, der seit über 20 Jahren tot ist und der ihm als Geist erscheint, nimmt er sich wieder Zeit für seine Patienten, findet für sie die passenden Worte. „Es geht um gelebte Tage, nicht um Tage, die man lebt.“.
Sinnkrise eines Erfolgsmenschen, die Fragen nach dem Großen und Ganzen, der Krankenhausalltag in Zeiten der Privatisierung, der Umgang mit dem Sterben, der Tod als letztes Tabu – eigentlich ist das Stoff für mehrere Filme. Doch Dieter Wedel, der es seit Jahren mehrteilig liebt, hat nicht vergessen, dass er bei „Mein alter Freund Fritz“ nur 90 Minuten zur Verfügung hatte. Er zeichnet einen Menschen, der an einem Scheideweg in seinem Leben angekommen ist. Dieser Mensch steckt voller Zweifel, voller Fragen und er steckt in einer beruflich prekären Situation. Die Krankenhausverwaltung würde ihn am liebsten loswerden. Harry Seidel ist das Zentrum einer „Comédie humaine“.
„Mein alter Freund Fritz“ ist in allem eine Nummer größer, eine Spur lauter als die Tragikomödien jüngerer Kollegen. Das kann erhellend sein, wenn Wedel der richtige Satz einfällt. Beispiel: „Ich habe bestimmt 20.000 Menschen aufgeschnitten, aber so etwas wie eine Seele habe ich nicht gefunden.“ Das kann auch in Richtung Altherren-Ironie zielen („Ich liebe ihn wie eine Bruder – wie Kain den Abel.“). Dieter Wedel bleibt aber ein Profi, der weiß, wie er Informationen bündelt, wie er viel anreißt, ohne dass der Eindruck des Überladenseins entsteht. Klammer um alles ist der wandlungsfähige Held. Tukur spielt ihn unnachahmlich.
Foto: ZDF / Uwe Ernst
Der Film beginnt fast wie eine fiktive Dokumentation über den Fall Seidel, über jenen Chefarzt, der mit einem Geist spricht. Woody Allen lässt schön grüßen. Auch sonst hat Wedel wieder aus dem Füllhorn der (Populär-)Kultur geschöpft. „Was der Arbeit nützlich ist, darf man benutzen“, zitiert er Heine. Aber er hat sich auch eigenes selbst ausgedacht: Das Krankenhaus als Fließbandbetrieb, so dezidiert wurden die Mängel im System selten beim Namen genannt. Ob das aber unbedingt eine Stärke ist? Rennt nicht Wedel vielmehr mit seiner Kritik an der Überverwaltung in Krankenhausbetrieben offene Türen ein? Die Stärke von „Mein alter Freund Fritz“ liegt eher in der menschlich erhellenden Geistergeschichte und in der Vielfalt seines nicht minder geistreichen Menschenentwurfs. (Text-Stand: 26.2.2007)