Matula – Der Schatten des Berges

Gärtner, Feifel, Ben Braeunlich, Thorsten Näter. Großstadtdetektiv im Alpen-Western

Foto: ZDF / Barbara Bauriedl
Foto Harald Keller

Der altgediente Serienrecke Josef Matula will eigentlich ins warme Italien, als der Motor seines Bullis streikt. Ein Zwangsaufenthalt in einem abgelegenen Bergdorf ist die Folge. Kein Stoff für einen Neunzigminüter, wäre nicht Matula beim Wandern über eine Leiche gestolpert. Die lokale Polizei kommt zu ganz anderen Schlussfolgerungen als der Ex-Privatdetektiv aus Frankfurt. Natürlich will er es genauer wissen. Und kommt einem ungeheuerlichen Verbrechen auf die Spur. Es war nicht zwingend zu erwarten – aber Matulas Alleingänge nach seinem Ausscheiden aus der Serie „Ein Fall für zwei“ funktionieren erstaunlich gut. Das galt für sein Solo-Debüt 2017 ebenso wie den vom Sender als „Krimi-Special“ annoncierten und als Neo-Western angelegten Nachfolger „Der Schatten des Berges“ (ZDF / Odeon TV).

Schneebedeckte Koppen, Almen, Waldhornklänge ‒ Degeto-Krimikitsch? Keine Spur. Schon prescht ein Motorrad mit Beiwagen splitspritzend durchs Idyll. Josef Matula! Immer noch rüstig. Den Sprung übers Gatter packt er ohne Hänger. Männer mit Hunden jagen ihn. Gewehrschüsse fallen. Und treffen auch. Zeit für eine Atempause. Für eine Rückblende. Sechs Tage vorher. Matula, im Vintage-Bulli vor alpiner Kulisse unterwegs, lernt Italienisch. Es geht mächtig bergauf, und da wird dem alten Boxermotor ganz heiß. Bald schon will er nicht mehr. Matula, Frankfurter Privatdetektiv in Ruhestand, ist gestrandet. Ein entspannter Radfahrer ‒ Eisi Gulp in einer Gastrolle ‒ versucht ihn mit einer Anekdote aus seiner Jugendzeit aufzuheitern. Und hilft ihm, den Bulli zu wenden. Bergab geht‛s dann auch ohne Motorkraft. So rollen die beiden Oldtimer, Mensch und Maschine, am Ortsschild des „Wintersportparadieses Tiefenbach“ vorbei. Der Schwung reicht tatsächlich bis zur weit und breit besten und einzigen Werkstatt. Die Reparatur wird länger dauern. Matula muss bleiben. Im „Alpenhof“ ‒ „einfach, aber sauber“ ‒ hat‛s noch Platz. In der Gaststube wird Matula Zeuge, wie ein Betrunkener namens Martin den Bürgermeister (Martin Feifel) provoziert. Der Polizist Janosch Grebe (Harald Windisch) befriedet die Szene. Während er auf die Lieferung der Ersatzteile wartet, vertreibt sich Matula die Zeit mit Wandern. Immer an seiner Seite der ihm im Vorgängerfilm zugelaufene, wie sein Herrchen knopfäugige Vierbeiner, den Matula „Renz“ getauft hatte – nach seinem ersten Arbeitgeber im Dauerbrenner „Ein Fall für zwei“.

Matula – Der Schatten des BergesFoto: ZDF / Barbara Bauriedl
Weniger zünftig als gewohnt geht es nach dem Todesfall in der Dorfkneipe zu. Harald Windisch, Frederic Linkemann, Martin Feifel als Bürgermeister, Claus Theo Gärtner

In einem Gebirgsbach entdeckt Matula den toten Dorfmetzger. Nun selbst hingemetzelt. Ausgleichende Gerechtigkeit, würden Tierschützer vielleicht denken. Aufgebahrt auf einem Pritschenwagen, erhält Martin vom Pfarrer (Hans Michael Rehberg in einem Gastauftritt und in einer seiner letzten Rollen) die letzte Ölung. Die Angelegenheit soll flugs als Kletterunfall kaschiert werden, aber Matula erkennt die Absicht und ist verstimmt. Zu deutlich die Hinweise, dass es mit dem Tod des angeblich insolventen Schlachtermeisters recht eigene Bewandtnis hat. Suizid ist denkbar, aber Matula ermittelt eher in Richtung Mord. Unaufgefordert, versteht sich. Die Dorfbewohner sehen seine Einmischung gar nicht gern.

Von 1981 bis 2013 war Claus Theo Gärtner in der Rolle des Privatdetektivs Josef Matula in exakt 300 Episoden die Konstante in der ZDF-Krimiserie „Ein Fall für zwei“. Eine Serienfigur also, die die Zuschauer lange begleitet hat, der man beim Altern zusehen konnte, die ihren robusten Charme und sperrigen Charakter auch im Reihen-Spin-off „Matula“ bewahrt hat. Da wird er beim Einbruch ins Polizeibüro ertappt, der Dorf-Sheriff nimmt die fällige Personen-Überprüfung vor und erfährt, dass Matula bereits 92 Mal wegen Hausfriedensbruch festgenommen wurde. Matula staunt: „Wie? Nur?“ Dienststellenleiter Grebe vertut sich schon sehr, als er gegenüber seinem Polizeihauptmeister Valentin Leipold (Frederic Linkemann) die Einschätzung riskiert: „Das ist ein alter Mann ohne Beschäftigung. Der tut nichts.“

Matula – Der Schatten des BergesFoto: ZDF / Barbara Bauriedl
Matula (Claus Theo Gärtner) solo. Nicht ganz: Hund „Dr. Renz“ ist immer mit dabei.

Oh doch, der tut noch was. Aber Drehbuchautor Ben Braeunlich, bereits verantwortlich für Matulas Solo-Comeback im vergangenen Jahr, stilisiert den – gemessen am Alter seines Darstellers – bald 75-Jährigen nicht zum Super-Senior. Die eine oder andere körperliche Einschränkung bleibt nicht aus, und weder Matula noch Gärtner verhehlen dies. Es ist eine alte und wenig originelle Erkenntnis, dass sich die Genremuster von Heimatfilm und Western gleichen. In den 1970ern versuchten deutsche Regisseure, diese Verwandtschaft fruchtbar zu machen. So Reinhard Hauff mit „Mathias Kneissl“, Volker Vogeler mit „Jaider, der einsame Jäger“. In dessen Fortsetzung „Verflucht, dies Amerika“ schickten Vogeler und sein Koautor Ulf Miehe einige der Protagonisten dann tatsächlich in die Neue Welt. Im ersten Film mit dabei: Claus Theo Gärtner. Jüngst erfuhr der Gegenwarts-Western in Gestalt mehrerer angelsächsischer TV-Serien wie „Longmire“ und Genrekreuzungen wie „Wynona Earp“ eine Renaissance. Die „Matula“-Episode „Der Schatten des Berges“ reiht sich ein – die Handlung würde auch in einem australischen Wüstenkaff oder einer alaskanischen Holzfällersiedlung funktionieren. Nicht aber in der Großstadt. Es ist eine Geschichte, die genau diese Landschaft braucht. Die so wirkt, als sei sie aus der Kenntnis der Geografie heraus entwickelt worden.

Ein Aspekt, der zur Glaubwürdigkeit und Plausibilität beiträgt. Habgier gibt es überall, aber die Auswirkungen des Klimawandels, das Verschwinden der Schneewinter, der daraus resultierende Einbruch des Fremdenverkehrs liefern den Hintergrund eines Krimis, der keine Verstiegenheiten, keine Gewaltexzesse, keine verblasenen Überdrehungen benötigt, um spannend zu unterhalten. Die Action-Szenen wurden von Regisseur Thorsten Näter kompetent umgesetzt und haben Schmiss, sind aber immer so inszeniert, dass sie die Fähigkeiten der Figuren nicht übersteigen. Ausgenommen der Hund Renz – der ist denn doch ein wenig zu clever für seine Art … Man muss nicht, kann die Geschichte aber als über das Geschehen hinausweisende Fabel lesen. Unterhaltend geriet der Film allemal, dank Matulas trockenem Humor und auch dank einiger eingestreuter Miniaturen wie der, in der Matula kopfschüttelnd das im Fremdenzimmer hängende Kruzifix abnimmt und in einer Schublade ablegt. Als er später in die Klause zurückkehrt, hängt der Heiland wieder an seinem Platz.

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Reihe

ORF, ZDF

Mit Claus Theo Gärtner, Frederic Linkemann, Harald Windisch, Marlene Morreis, Martin Feifel, Ferdinand Dörfler. Als Gäste: Hans-Michael Rehberg, Eisi Gulp

Kamera: Joachim Hasse

Szenenbild: Oliver Hoese

Schnitt: Julia von Frihling

Musik: Axel Donner

Redaktion: Nadja Grünewald-Kalkofen, Matthias Pfeifer

Produktionsfirma: Odeon TV

Produktion: Anette Kaufmann, Klaus Laudi

Drehbuch: Ben Braeunlich

Regie: Thorsten Näter

Quote: 5,09 Mio. Zuschauer (16,7% MA)

EA: 30.03.2018 21:15 Uhr | ZDF

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