Die Ukrainerin Marija (Margarita Breitkreiz) schlägt sich in der Dortmunder Nordstadt durchs Leben. Ihren Job als Reinigungskraft im Hotel verliert sie, weil eine Kollegin sie beim Stehlen erwischt. Das Geld wird knapp, aber Marija hält an ihrem Traum von einem eigenen Friseursalon fest. 1800 Euro muss sie bis zum Ende des Monats aufbringen, um ein Ladenlokal mieten zu können. Dabei hat sie schon Ärger genug mit Cem (Sahin Eryilmaz), bei dem sie in Miet-Rückstand ist. Als der das Geld einfordert, sieht sie keine andere Wahl, als ihn unaufgefordert oral zu befriedigen. Es ist ein Leben auf der Kippe, von dem Autor und Regisseur Michael Koch in seinem Debütfilm erzählt. Eine junge, alleinstehende Einwanderin in einem schäbigen Haus voller Illegaler und Schwarzarbeiter, abhängig von der Gunst eines zwielichtigen Vermieters. Leichte Beute für ein kriminelles Umfeld, denkt man, aber Marija ist entschlossen, ihr Leben in die Hand zu nehmen und sich nicht länger ausnutzen zu lassen.
„Wie fühlt es sich an, sich in einem fremden Land einzuleben? Sich gegen alle Widerstände und Rückschläge eine Existenz aufzubauen? Das Spielfilmdebüt des Schweizer Autoren-Regisseurs Michael Koch basiert auf genauen Recherchen in jenem Milieu, in dem er auf einem schmalen Grat zwischen Fiktion und Dokumentation auch gedreht hat, zum Teil mit Laiendarstellern.“ (epd film)
„Man muss nur in das Gesicht von Margarita Breitkreiz blicken, um zu verstehen, dass ,Marija‘ sich vom typischen Autorenkino-Miserabilismus unterscheidet. Breitkreiz’ Gesicht ist offen wie ein Buch: große Augen, ihre Mimik alert, aber nie panisch, das Kinn im permanenten Angriffsmodus eigenwillig vorgeschoben. Der Schweizer Regisseur und Drehbuchautor Michael Koch hat mit ,Marija‘ ein stilles, eindrucksvolles Spielfilmdebüt vorgelegt, das seinen Sozialrealismus nie ausstellt. Die Ruhrpott-Tristesse fungiert nicht al bloße Kulisse.“ (Tagesspiegel)
Die Kamera klebt die meiste Zeit an der Hauptdarstellerin Margarita Breitkreiz, die die Marija ernsthaft und spröde, trotzig und selbstbewusst gibt. Ihr Gesicht ist das Zentrum des Films. Das Leben ist grau und manchmal düster, und so ist es in der deutsch-schweizerischen Kinokoproduktion auch. Umso erfrischender wirkt die unverhofft liebevolle Annäherung zwischen Marija und Georg (Georg Friedrich), einem Ex-Knacki, der einen schwunghaften Handel mit Schwarzarbeitern betreibt, die im Haus von Cem eine Bleibe finden. Es sind die wenigen Momente, in denen ein Lächeln über Marijas Gesicht huscht, in denen sie befreit und gelöst wirkt. Cem ist der King in der Nordstadt, der alles unter Kontrolle hat, der sich auch um seine Leute kümmert. Aber der Marija nun an sich binden will. Er überträgt ihr Aufgaben wie die Begleitung eines kranken Mannes zum Arzt, kauft ihr ein Kleid, damit sie ihn zu einer Party bei einem Geschäftspartner begleitet, bucht Tickets für einen gemeinsamen Urlaub. Er drängt sich in ihr Leben – und wirft sie raus, als er erfährt, dass sich Marija für Georg entschieden hat. Der stellt sie als seine „Assistentin“ ein, die bei Geschäftstreffen dolmetschen soll. Als Georg ihr nach einem erfolgreich abgeschlossenen Geschäft ein Bündel Geldscheine zusteckt, stellt sie klar: „Ich will keine Geschenke. Ich hab’s verdient.“
‚Der Film ist Sozialdrama und zugleich die Entwicklungsgeschichte einer Frau, die der „Hölle“ in ihrer Heimat, wie sie sagt, ein für allemal entkommen will und mit allen Mitteln um ihre Zukunft in Deutschland kämpft. Marija entspricht nicht den gängigen Klischees von osteuropäischen Migrantinnen, ist weder verzweifelte Mutter, die ihre Familie daheim ernähren muss, noch ein naives Mädchen, das in die Prostitution abrutscht. Marijas Lebensziel ist auch nicht, einen Mann zu finden. Sie ist eigenständig, unabhängig, kann hilfsbereit, aber auch rücksichtslos sein. Sie rammt ihrer Kollegin, die sie in der Reinigungsfirma wegen des Diebstahls verraten hat, einen Gegenstand in den Bauch. Sie klaut wieder, wenn sich die Gelegenheit ergibt. Figur und Milieu werden weder romantisiert noch abschätzig ausgestellt. „Marija“ ist ein unspektakulärer, realitätsnaher Film in dokumentarisch-nüchterner Ästhetik – und berührt vor allem dank der glänzenden Hauptdarstellerin Margarita Breitkreiz.