Du bist doch auch nicht zufrieden, wenn du dich nicht um jemanden kümmern kannst, sagt Marie gegen Ende von „Allein war gestern“ zu ihrer Mutter, und das ist der Schlüssel; nicht nur zu „Marie fängt Feuer“, sondern auch zu den sonstigen Filmreihen dieser Art, von „Reiff für die Insel“ über „Eifelpraxis“ (beide ARD) bis zu „Hanna Hellmann“, „Lena Lorenz“, den „Frühlings“-Dramödien oder eben „Marie fängt Feuer“ (ZDF). Alle erzählen von Frauen, die ihre Bestimmung darin finden, Anderen zu helfen. Das ist gerade in der heutigen Zeit erst mal ein sehr sympathischer Ansatz. Gleichzeitig haben diese Alltagsheldinnen aber eigentlich schon genug Probleme, weil sie wegweisende Entscheidungen treffen müssen, bei denen stets die Liebe eine wichtige Rolle spielt. Die Oberbayerin Marie (Christine Eixenberger) steht vor der Frage, ob sie zu ihrem verwitweten Freund Stefan (Stefan Murr) ziehen soll. Das Paar würde schon längst zusammenwohnen, aber die beiden jeweiligen Söhne sträuben sich noch; im ersten Film, „Für immer und ewig“ (2016), hat Stefans Sohn Daniel sogar ein Feuer gelegt, um die Trauung zu verhindern. Als weiteres Sorgenkind entpuppt sich auch diesmal wieder Maries Vater Ernst (Wolfgang Fierek), der sich als Rentner nutzlos fühlt; erst recht, seit er auch noch die Leitung der örtlichen Feuerwehr an Stefan übergeben hat. Deshalb hat er seine ganze Energie in ein Projekt investiert, das beide Familien unter einem Dach zusammenführen soll; aber Stefan und Marie haben gar keine Lust auf ein Mehr-Generationen-Haus.
Gerade in den Krimireihen mit Fortsetzungscharakter gelingt die Verknüpfung der verschiedenen Handlungsebenen nicht immer überzeugend; bei „Marie fängt Feuer“ funktioniert das vorbildlich. Die Figuren werden zwar nicht weiter eingeführt, aber die Handlung ist selbst dann einleuchtend, wenn man die ersten beiden Teile nicht kennt. Das liegt nicht zuletzt an Christine Eixenberger. Sie zeichnet sich erneut durch Sonnigkeit, Frische und dezent geschminkte Natürlichkeit aus; alles Eigenschaften, die die in Bayern als Kabarettistin bekannte Schauspielerin schon in den beiden ersten Filmen („Für immer und ewig“, „Vater sein dagegen sehr“) zur Traumbesetzung gemacht haben, weil sie Mann und Frau sowie Alt und Jung gleichermaßen begeistern dürfte. Oft wirkt ihr Spiel, als seien ihr die Reaktionen spontan eingefallen. Auch die Rolle unterscheidet sich von den anderen Helferinnen, und das nicht nur wegen der unübersehbaren Tätowierung auf dem Schulterblatt: „Allein war gestern“ beginnt mit einem Orgasmus der Heldin. Davon abgesehen steht es völlig außer Frage, dass Marie umgehend zur Tat schreitet, wenn Hilfe nötig ist: Die alte Luisa (Katharina Thalbach), auf deren Pferdehof Marie ihre halbe Kindheit verbracht hat, ist restlos pleite; sie spart sich das Essen vom Munde ab, damit wenigstens ihr letztes Pferd, Herr Leopold, noch was zu beißen hat. Als der Hengst ausreißt und einen Verkehrsunfall verursacht, soll Luisa den Schaden bezahlen; in ihrer Verzweiflung sieht sie nur einen Ausweg.
Der noch relativ unerfahrene Hans Hofer hat die Reihe vom Regiekollegen Edzard Onneken übernommen. Seine Hauptdarstellerin erobert die Herzen erneut im Sturm, aber die weiteren Ensemblemitglieder, allen voran Saskia Vester und Wolfgang Fierek als Maries Eltern, bewegen sich im gewohnten Rollenmuster und werden kaum gefordert. Einzig Katharina Müller-Elmau fällt ein bisschen aus dem üblichen Rahmen des Provinzbürgermeisters. Sehr berührend ist auch Katharina Thalbach, die als alte Luisa ohne große Gesten oder Gefühle auskommt; die Umstände sind schon traurig genug, die muss sie nicht auch noch spielen. Dass gleich mehrmals zu ahnen ist, wie sich einzelne Szenen entwickeln, liegt eher am Buch (Stefan Kuhlmann) als an der Regie: Wenn Ernst Holz hackt, trifft ihn selbstredend der Hexenschuss; natürlich fällt die Petroleumlampe in Luisas Stall um und setzt das Stroh in Brand; und als Marie, die auch zur freiwilligen Feuerwehr gehört, nach der Rettung Luisas ins Haus der alten Frau geht, stößt sie als erstes auf den Brief von der Versicherung.
Trotzdem ist „Allein war gestern“ sehenswert, weil sämtliche Konflikte glaubwürdig erzählt und gespielt sind, zumal immer wieder amüsante Momente eingestreut werden. Dass dem Dorfpolizisten (Gabriel Raab) ständig Missgeschicke unterlaufen müssen – mal lässt er die Dienstwaffe, mal sein Fleischkäsbrötchen fallen, außerdem kleckert er wiederholt mit Senf –, ist zwar weniger witzig, als Buch und Regie gedacht haben, doch wie Marco Maries Freundin (Sylta Fee Wegmann) anschwärmt, ist sehr hübsch gespielt. Angie muss aber erst mal erkennen, dass der neue Tierarzt (Simon Schwarz) nicht der Richtige für sie ist, zumal sie unter Tierhaarallergie leidet. Und weil Marie beim Ausflug nach München mit einem attraktiven Mann zusammenstößt und hernach etwas aus der Fassung ist, wird in der zweiten neuen Episode, „Nichts als die Wahrheit“, nicht nur die bislang noch offene Frage nach dem Vater ihres Sohnes Max (Moritz Regenauer) beantwortet; mit dem schmucken Philipp (Julian Looman) taucht auch ein unerwarteter Nebenbuhler auf. Als Schützling hat Marie, mittlerweile zu Stefan gezogen, diesmal den Nachbarn Gerhard Tenner (Ferdinand Dörfler) erkoren: Gattin Camilla (Bettina Mittendorfer) liegt krebskrank im Krankenhaus, aber davon soll niemand etwas erfahren; erst recht nicht ihre beiden kleinen Töchter. Marie würde dem mit Haushalt, Kinder und Beruf völlig überforderten Gerhard gern helfen. Außerdem hält sie es für einen großen Fehler, die beiden Mädchen nicht einzuweihen. Stefans Sohn Daniel (Jonas Holdenrieder) sieht das ganz genauso, schließlich hat er seine Mutter verloren, aber Camilla bleibt so lange hart, bis es zu einem Unglück kommt, bei dem sich Daniel & Max als heldenhafte Retter erweisen. Das Buch (Michael Gantenberg, Lilly Bogenberger) spiegelt zwar geschickt Maries Gewissensbisse – sie hat Max erzählt, sein Vater sei gestorben – in der Geschichte der Tenners, aber ansonsten ist „Nichts als die Wahrheit“ nicht ganz so flüssig erzählt wie „Allein war gestern“. Die Nebenstränge mit Maries Eltern oder Bürgermeisterin Höllriegl, die nicht weiß, was sie von den Avancen des Hippie-Kneipiers Sommer (Wolfgang Maria Bauer) halten soll, sind zwar recht witzig, laufen aber völlig losgelöst nebenher.