Marie Brand und die Leichen im Keller

Mariele Millowitsch, Hinnerk Schönemann, Rogall, Zens. Während du schliefst

Foto: ZDF / Guido Engels
Foto Tilmann P. Gangloff

„Marie Brand und die Leichen im Keller“ (ZDF / Warner Bros.) leidet unter der Abwesenheit von fast allem, was einen guten Krimi ausmacht: Die Geschichte fesselt nicht, die meisten Mitwirkenden sind reizlos, die Umsetzung entbehrt jeglicher Inspiration; außerdem gelingt es Regisseur Michael Zens nicht, echtes Interesse für die Figuren zu wecken. Drehbuchautor Stefan Rogall steht für diverse fröhliche ZDF-Komödien und hat auch für „Wilsberg“ einige sehenswerte Episoden geschrieben, aber sein drittes Drehbuch für „Marie Brand“ macht nur in jenen Szenen richtig Spaß, in denen Mariele Millowitsch und Hinnerk Schönemann als eingespieltes Team vermutlich auch ohne Regieanweisung auskämen.

Es ist immer ein schlechtes Zeichen, wenn die heitere Rahmenhandlung interessanter ist als die Krimiebene. Die 28. Episode der Reihe mit Mariele Millowitsch und Hinnerk Schönemann beginnt mit Zahnschmerzen: Abgelenkt vom Leid der Kollegin verursacht Jürgen Simmel einen Auffahrunfall. Da es schon mehrere Ereignisse dieser Art gab, droht dem Hauptkommissar ein Fahrverbot, Nachschulung inklusive. Weil eine derartige Maßnahme natürlich nicht in Simmels Selbstbild passt, bilden seine Versuche, Frau Brand zu einer kleinen Wahrheitsbeugung zu überreden, eine Art roter Faden. Wirklich witzig ist das zwar nicht, aber immerhin halbwegs unterhaltsam, zumal Schönemann eine unnachahmliche Art hat, solche Momente mit einer aufdringlichen Beiläufigkeit zu spielen.

Diese harmlosen Heiterkeiten mit dem Prädikat „sehenswert“ zu versehen wäre allerdings unangemessen und nur mit dem Hinweis zu rechtfertigen, dass der Rest des Films stellenweise schlicht langweilig ist. Daran ändern auch die obligate Verfolgungsjagd und die eine oder andere Slapstickeinlage nichts. „Marie Brand und die Leichen im Keller“ leidet unter der Abwesenheit von fast allem, was einen guten Krimi ausmacht. Die Geschichte fesselt nicht, die Mitwirkenden sind reizlos, die Umsetzung entbehrt jeglicher Inspiration; und dann spielt diesmal nicht mal Thomas Heinze mit, der als Chef des Duos immer für kleine Kabinettstückchen gut ist. Dabei steht Autor Stefan Rogall für diverse fröhliche ZDF-Komödien („Nicht ohne meinen Schwiegervater“ und „Nicht ohne meine Schwiegereltern“ mit Fritz Wepper, „Der Stinkstiefel“ mit Leonard Lansink); für die ZDF-Reihe „Wilsberg“ hat er ebenfalls einige gute Drehbücher geschrieben („90 – 60 – 90“, „Bielefeld 23“). Dass seine dritte Arbeit für „Marie Brand“ ein eher langweiliger Film geworden ist, mag auch an der Inszenierung liegen, aber die Krimihandlung ist gänzlich unspektakulär.

Marie Brand und die Leichen im KellerFoto: ZDF / Guido Engels
Zwei gute Gast-Schauspieler in Nebenrollen: Anne Ratte-Polle & Moritz Führmann in „Marie Brand und die Leichen im Keller“

Der Titelplural ist im übertragenen Sinn zu verstehen, denn es gibt nur eine Leiche im Keller: Annika Herforth hat sich bei einem Treppensturz das Genick gebrochen. Die Filmerzählung legt nahe, dass Florian Leffers (David Miesmer) sie auf dem Gewissen hat, denn er war wie besessen von seiner früheren Arbeitgeberin und ist noch kurz vor ihrem Tod durch ihr Haus geschlichen. Brand und Simmel tippen zunächst jedoch auf einen Zwist zwischen zwei Schwestern: Nelly Herforth (Christin Nichols) wollte das wenig ertragreiche Besteckgeschäft des verstorbenen Vaters verkaufen, Annika wollte es weiterführen; womöglich hat ein Wort das andere gegeben, ein kleiner Schubser dazu, und schon hatte Nelly freie Bahn. Allerdings bringt Rogall noch ein vermögendes Zahnarztehepaar ins Spiel: Nelly Herforth ist Steuer-Beraterin und hat Heike und Erik Böttcher (Anne Ratte-Polle, Moritz Führmann) geholfen, viel Geld in die Schweiz zu schleusen; aber was hat das mit dem Tod von Annika zu tun?

Viele Zuschauer werden vermutlich feststellen, dass diese Frage zwar berechtigt, die Antwort jedoch letztlich egal ist, weil es Regisseur Michael Zens nicht schafft, echtes Interesse für die Figuren zu wecken. Am ehesten gelingt dies dank ihrer schauspielerischen Qualität noch Anne Ratte-Polle und Moritz Führmann, den einzigen bekannten Mitwirkenden neben dem zentralen Duo, aber ihre Rollen sind bloß Nebenfiguren ohne nennenswerte Tiefe. Immerhin lässt David Miesmer den mutmaßlichen Mörder halbwegs gruselig erscheinen, doch das ist eher das Ergebnis von Leffers’ Stalking-Aktivitäten: Der Mann hatte einen Schlüssel zum Haus seiner früheren Chefin und hat sie offenbar regelmäßig heimgesucht, während sie schlief, wie entsprechende Fotos dokumentieren.

Zens’ bisherige „Marie Brand“-Beiträge waren zwar ebenfalls keine Höhepunkte der Reihe („Marie Brand und das ewige Wettrennen“, ebenfalls nach Rogall-Vorlage, sowie „Marie Brand und der Duft des Todes“), aber durchaus sehenswert. Sein dritter Film liegt deutlich unter dem Durchschnitt, zumal weder die Bildgestaltung noch die Musik nennenswerte positive Akzente setzen. Im Gegenteil: In einigen Dialogszenen geht die Kamera per Zoom in die Nahaufnahme, um auf diese Weise zu unterstreichen, dass eine Person soeben eine bedeutende Erkenntnis gewonnen hat. Das ist nicht bloß bildsprachlich einfallslos, die Regie tut den Schauspielerinnen und Schauspielern auch keinen Gefallen damit, weil Close-ups mimische Emotionen meist nicht verstärken, sondern übertrieben wirken lassen.

Und so macht „Marie Brand und die Leichen im Keller“ nur in wenigen Momenten richtig Spaß, und das sind überwiegend jene Szenen, in denen Millowitsch und Schönemann als eingespieltes Team vermutlich auch ohne Regie auskämen, zumal es immer wieder schön ist, wenn sich Simmel verhaspelt und die Kollegin beispielsweise als seine Frau vorstellt. Amüsant sind auch die Wortwechsel mit dem Schnösel (Justus Maier) aus der Rechtsabteilung. Dass sich die Sache mit der Anzeige des Unfallgegners schließlich in Wohlgefallen auflöst, fügt sich bestens ins Gesamtbild, denn auch die Tat, der später eine zweite folgen wird, basiert wenig originell auf dem klassischsten aller Krimimordmotive.

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Reihe

ZDF

Mit Mariele Millowitsch, Hinnerk Schönemann, David Miesmer, Christin Nichols, Anne Ratte-Polle, Moritz Führmann, Laina Schwarz, Justus Maier

Kamera: Enzo Brandner

Szenenbild: Thomas Schmid

Kostüm: Judith von der Burg, Kerstin Westermann

Schnitt: Anke Berthold

Musik: Florian Tessloff

Soundtrack: Iggy Pop („The Passenger“)

Redaktion: Wolfgang Feindt

Produktionsfirma: Warner Bros. ITVP Deutschland

Produktion: Iris Wolfinger, Micha Terjung

Drehbuch: Stefan Rogall

Regie: Michael Zens

Quote: 8,77 Mio. Zuschauer (25,8% MA); Wh. (2023): 5,68 Mio. (25,6% MA)

EA: 20.01.2021 20:15 Uhr | ZDF

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