Marie Brand erwacht neben einer Leiche. Es ist kein Traum. 17 Minuten später weiß der Zuschauer mehr. Bei der Toten handelt es sich um ein Callgirl. Ihr letzter Kunde war der Schach-Champion Wladimir Stirner. Bei den Euro-Meisterschaften in einem Nobelhotel in der Nähe Kölns wurde sie offenbar von einem Konkurrenten um den Titel und um viel Geld beauftragt, ihn ein bisschen nervös zu machen. Der Mann ist gelähmt, sitzt im Rollstuhl, die Frau ist jung, bildhübsch und sexy. Gerade deshalb geht der Plan auf. Stirner verliert gegen Ehrenberg, seinen schärfsten Kontrahenten. Mord aus Rache? Die Tote war nur ein Bauernopfer. Wen hätte Stirner beauftragen sollen? Seine Pflegerin? Seinen „Adjutanten“? Brand und Simmel finden kein Motiv, sondern stoßen nur auf eine Hand voll unangenehmer Subjekte. Einer davon ist der Sex-Baron Bülow. Er mischt sich handfest in die Ermittlungen ein, denn er ist persönlich betroffen: die Tote war seine Tochter.
„Marie Brand und die Dame im Spiel“ entwickelt ein bizarres Beziehungsgeflecht. Was die zwischenmenschlichen Geschichten angeht, besitzt der Zuschauer stets einen Informationsvorsprung, der ihm für den Krimifall allerdings wenig nützt. Clever ist das dennoch, denn so bekommt der Zuschauer neben dem Krimi noch Spurenelemente kleiner Dramen mit auf den Weg zur Auflösung, die in mehreren Etappen erfolgt. Die Umstände des Mordes sind einerseits kompliziert, andererseits steckt Logik dahinter. Das ähnelt dem Prinzip des Schachspiels. Vordergründig bleibt der Fall zunächst undurchsichtig, ein wenig düster durch die verbiesterten Charaktere. Dagegen nimmt sich das, was Brand und Simmel miteinander treiben, wie ein offenes Buch aus. Ein offenes Buch, in das man gerne einen Blick wirft. Selten hat ein Buddy-Pärchen im deutschen TV-Krimi weniger genervt als dieses von Millowitsch und Schönemann. Zumindest in diesem Film nach dem in sich geschlossenen Drehbuch von André Georgi, das klug gebaut, fein reduziert und mehr als ein Whodunit ist.
Es passiert aber auch nicht oft, dass menschliche Abgründe und zwischenmenschliche Untiefen, wie sie die Kommissare, insbesondere Simmel, an den Tag legen, dass ein dramatischer und ein heiterer Tonfall so reibungslos ineinander fließen. In einer solch guten Form zwischen Entspanntheit und hoher Konzentration ist dieses typisch deutsche Pärchen amerikanisch im besten Sinne. Brand und Simmel erweisen sich zunehmend als ideale Serien-Figuren. Zu alldem trägt in „Marie Brand und die Dame im Spiel“ auch eine Regie mit Augenmaß bei – mit dem Wechsel zwischen weich und hart, hell und dunkel, nah und weit. Mag das auch „nur“ Wahrnehmungspsychologie sein, so ist es doch das i-Tüpfelchen auf diesem stimmig empfundenen Krimi mit viel Rheinblick. Gelohnt hat sich auch die hochkarätige Besetzung. Ein Typ wie Stirner, eiskalt serviert von Thomas Sarbacher, hätte von einem nicht so versierten Schauspieler zur Peinlichkeit werden können. Auch Blicker Zapatka ist großartig, auch Nina Kronjäger hat starke Szenen. Zweites Highlight der Reihe.