Am Anfang steht die Enttäuschung. Ein Mann fühlt sich hintergangen von seiner verstorbenen Frau. Er erfährt von einem exzessiven E-Mail-Kontakt mit einer anderen Frau. Erst jetzt wird ihm klar, was für ein unbefriedigendes Leben seine Maria an seiner Seite geführt haben muss. Denn sie hat sein Leben des erfolgreichen Designers als das ihre ausgegeben. Von ihrer lebensbedrohenden Krankheit kein einziges Wort. Um die Möglichkeiten der Liebe und der Lüge, um Vertrauen und um Fantasie als Überlebensstrategie geht es in „Maria an Callas“.
Kann man sich etwas vorlügen und sich trotzdem ineinander verlieben? Maria war nicht die einzige, die ihr eigenes Leben neu erfindet. Auch ihr Gegenüber Anni hat sich in ihren E-Mails ihr Dasein schön geflunkert. Das „Ritz Palace“, das sie in dem Briefwechsel zum mondänen Luxushotel an der Küste aufhübscht, ist in Wirklichkeit eine abgelegene Kneipe am Meer und die Dorade mit Champagner entpuppt sich als Seelachs mit Bratkartoffeln. Selbst Ehemann Jost freundet sich mit dem Lügenspiel seiner Frau an. Und so teilt er Anni nicht den Tod von Maria mit, sondern führt in ihrem Namen den elektronischen Briefwechsel fort. Bis er sich in diese unbekannte Frau zu verlieben scheint. Er will diese Frau unbedingt kennen lernen. Und so macht sich der betuchte Erfolgsmensch auf an die Ostsee, wo er eine interessante Frau und ein nobles Ambiente erwartet – aber auf eine emotional schwer angeschlagene Frau trifft.
Die Lügen sind ein Stück Wahrheit in dieser wunderbar sensibel erzählten Geschichte. Die Lügen gehören zu den Menschen, sie machen aus ihnen keine notorischen Lügner, sondern sie zeigen etwas von ihrer Not. Diese Notlügen sind ein Markstein auf dem Weg zur Liebe. Ein anderes Medium, das Freundschaft und Liebe beflügelt und die Menschen ins Leben zurückholt, ist der Gesang von Maria Callas. Wagner: „Während Anni erst über diese Arie wieder einen Zugang zum Leben fand und Marie sich über die Musik ein Leben erlügen konnte, das nicht von Krankheit und Tod bestimmt war, findet auch Jost durch sie wieder einen Zugang zu dem Menschen, den er liebt und der sich von ihm abgewandt hatte.“
Götz George und Claudia Michelsen spielen das Paar, das sich findet, verliert und deren Liebe am Ende ohne jeglichen Kitsch-Zusatz über die Lüge triumphiert. Wenn sie das erste Mal aufeinander treffen, gewinnt der Film enorm an Tiefe, weil man als Zuschauer bereits sehr viel weiß über die beiden. Die winterliche Ostseeküste lädt ein, unaufgeregt diesen zwei einander zugeneigten Menschen bei ihrer Seelenarbeit zuzuschauen. Rituale, Bilder, Stimmungen ziehen sich als Leitmotive durch den Film. In ihnen spiegelt sich die emotionale Verfassung der sich Verliebenden. Dieser feinen Reduktion der Handlung entspricht das wunderbar minimalistische Spiel von Michelsen & George. (Text-Stand: 26.12.2007)