Die Idee ist reizvoll, aber nicht neu: Ein Gesellschaftsspiel entpuppt sich als Kampf auf Leben und Tod. Doch während in Hollywood-Spektakeln wie „Jumanji“ oder „Zathura“ auch schon mal ein Nashorn durchs Zimmer galoppiert oder das gesamte Haus ins Weltall fliegt, kommt die Sat-1-Variante „Manatu – Nur die Wahrheit rettet Dich“ zwangsläufig eine Nummer kleiner daher: Nicht imposante Monster aus dem Rechner oder mordlustige Außerirdische, sondern holografische Eingeborene werden hier beschworen. Auch die Aufgaben sind eher schlicht: Durch entsprechende Gestik, mit der man die über dem Spielbrett schwebende Figur dirigiert, rudern die Spieler über einen reißenden Fluss oder spießen mit dem Speer Fische auf.
Während die Teilnehmer keine Konsequenzen fürchten müssen, wenn die Eingeborenen ins Wasser plumpsen, bergen die roten Felder eine tödliche Gefahr. Jetzt endlich kommt die Fantasie ins Spiel, die einzige Dimension, in der eine vergleichsweise winzige TV-Produktion mit einem Hollywood-Film konkurrieren kann: Kommt man auf ein rotes Feld, erscheint ein wabernder Schädel und stellt drei Fragen. Der gesamten Spielgruppe ist insgesamt bloß eine einzige Lüge erlaubt. Bei allen weiteren finden sich sämtliche Teilnehmer über einem gähnenden Abgrund wieder, der aussieht wie in den Dschungel getriebener Schacht: Sie stehen auf kleinen Plattformen, die zudem nach und nach ruckartig in der Wand verschwinden. Es gibt allerdings einen Ausweg, eine unerreichbar scheinende Tür; drücken die Teilnehmer bunte Knöpfe in der richtigen Reihenfolge, wachsen Stufen aus der Wand.
„Manatu“ – Spiel wie Film – lebt von dieser tödlichen Ebene; die Stationen dazwischen sind mal mehr, mal weniger unterhaltsamer Zeitvertreib. Autor Sven Böttcher verzichtet außerdem darauf, aus den Lügen nennenswertes dramaturgisches Kapital zu schlagen. Der große Bruder wird zwar als „Spanner“ überführt, doch er hat seiner halbwüchsigen Schwester nur nachspioniert, weil er sie bei ihrem Freund in schlechten Händen glaubt. Und dass Muttern vergessen hat, einen Kasten Mineralwasser zu bezahlen, ist ihr zwar peinlich, aber eine lässliche Sünde. Dass auch die kleine Betty die Familie in die Grube befördert, weil sie nicht zugeben will, sich eine Haarspange ihrer Schwester „geliehen“ zu haben, ist allerdings schwer zu glauben, nachdem die Sippschaft bereits zwei Mal nur knapp dem Tode entronnen ist.
Ohnehin ist die Rahmenhandlung ein bisschen schwach und allzu deutlich Richtung Sat-1-Zuschauerin gestrickt: Laura (Susanna Simon) hat am Morgen wieder mal alle Hände voll zu tun, bis sämtliche Familienmitglieder aus dem Haus sind. Gatte Mathias (Markus Knüfken) hat ohnehin bloß Ohren für sein mobiles Telefon. Ihren Geburtstag haben natürlich alle vergessen. Bloß der Schwager nicht: Marc (Pasquale Aleardi) lebt auf einer Südseeinsel und schickt Laura eine Felsplatte, die schon während des Transports unheimlich leuchtet. Die magischen Kräfte des Manatu zwingen die Familie dazu, daheim zu bleiben: Die Autos sind versperrt, die Telefone tot, die Rollläden runter; dem munteren Spieleabend steht nichts mehr im Weg.
Die ersten Prüfungen sind noch harmlos-heiter: Der Strom fällt aus, Mathias muss in den finsteren Keller und kriegt einen Riesenschreck, als er den Sicherungskasten öffnet; bei Licht betrachtet sitzt da allerdings nur ein Spielzeugmonster. Betty macht hingegen eine traumatische Erfahrung, die der Rest der Familie merkwürdig gelassen hinnimmt: Um die anderen aus der Grube zu befreien, muss sie ihre heiß geliebte Puppe Lena opfern, die sie ständig mit sich herumschleppt. Am Ende bekommt sie sie allerdings wieder, womit Böttcher dem Mädchen die Chance nimmt, sich weiterzuentwickeln. Dabei hat Betty unübersehbare Probleme; Lena ist die einzige, die ihr auch mal zuhört. Während die Grube, deren fünf Ecken die Form der Spielplatte aufnehmen, einerseits recht eindrucksvoll aussieht, ist es andererseits schade, dass die Familie immer wieder hier landet: Sie hat die Herausforderung beim ersten Mal so souverän gemeistert, dass später keine richtige Spannung mehr aufkommt; da können die Damen noch so überzeugend kreischen, wenn sie am Seil über der schwindelnden Tiefe baumeln… Alles ziemlich harmlos!