Bei RTL weiß man immer noch nicht, was eine Sitcom ist, aber das spielt aus Zuschauersicht naturgemäß keine Rolle; zumindest, solange eine als Sitcom angekündigte Serie tatsächlich komisch ist. Mit „Magda macht das schon“ versucht der Sender erneut, an die Zeit der großen Erfolge anzuknüpfen, als es für heitere Serien wie „Die Camper“ „Ritas Welt“ oder „Nikola“ Preise ohne Ende gab. Mit Ausnahme von „Doctor’s Diary“ ist es RTL seither nicht mehr gelungen, diese Tradition fortzusetzen. Zuletzt sind 2013 mit „Doc meets Dorf“, „Christine“ und „Sekretärinnen“ gleich drei Produktionen gescheitert. Dabei hatte Polyphon-Produzentin Beatrice Kramm mit „Christine. Perfekt war gestern“ einen „neuen Evergreen“ schaffen wollen, der das Genre der Comedy-Serien wiederbelebt. Womöglich war der Sender selbst damals nicht ganz schuldlos an dem Misserfolg: Die Serien richteten sich an ein eher weibliches Publikum, liefen aber en bloc am Donnerstag auf dem Sendeplatz des Testosteron-Spektakels „Alarm für Cobra 11“. 2014 schließlich traf es „Schmidt – Chaos auf Rezept“: Die Serie war zwar flott und witzig, kam aber noch schlechter an und wurde nach wenigen Folgen wieder abgesetzt. Dieses Schicksal blieb „Männer! – Alles auf Anfang“ (2015) zuletzt zwar erspart, aber auch hier war die Zuschauerresonanz allenfalls mittelprächtig.
Auf dem Donnerstagstermin konnte sich bislang allein „Der Lehrer“ etablieren: weil die Serie mit Hendrik Duryn dank Jessica Ginkel auch Männer anspricht. In Gefolge der beiden soll nun auch Magda ihr Publikum finden. Weil die vorerst zehn Folgen von „Magda macht das schon“ (ebenfalls eine Polyphon-Produktion) nur jeweils 25 Minuten kurz sind, zeigt RTL im Anschluss an die neuen „Lehrer“-Episoden immer zwei Teile. Das könnte funktionieren, denn der Tonfall ist ähnlich. Wegen der Kürze der Zeit muss natürlich alles etwas flotter gehen, und zumindest in dieser Hinsicht wird die Serie dem Sitcom-Etikett in der Tat gerecht. Und so ist das Handlungsmuster zunächst recht überschaubar: Patente polnische Altenpflegerin trifft auf vierköpfige deutsche Durchschnittsfamilie plus Oma, ein Vorurteil gibt das andere, doch schon nach kurzer Zeit können sich die Deutschen ein Leben ohne Magda gar nicht mehr vorstellen. Die Inszenierung ist unauffällig bis konventionell, aber die Dialoge sind ein großes Vergnügen, weil sich in den ersten Folgen die Heldin und ihre Kontrahentin Waltraud (Hedi Kriegeskotte) keine Bosheit schuldig bleiben. Dank des klugen Konzepts von Sebastian Andrae entwickelt die Serie konzentrische Kreise, die sich immer weiter ausdehnen: Anfangs geht es nur um Magda und die nach einem Treppensturz bettlägerige Waltraud, aber Folge für Folge rücken auch die weiteren Familienmitglieder ins Zentrum: Mal beschützt Magda die pubertierende Tochter Leah (Charlotte Krause) vor einem aufdringlichen Verehrer, mal rettet sie den jüngeren Sohn Luca (Luis Kain) vor fiesem Mobbing. Auf diese Weise fließen ähnlich wie beim „Lehrer“ immer wieder Themen ein, die einen durchaus ernsten Hintergrund haben.
Trotzdem bleibt der Tonfall stets heiter, und dafür steht vor allem Verena Altenberger. Die Salzburgerin hat den größten Teil ihres Berufslebens am Wiener Burgtheater verbracht und im deutschen Fernsehen meist nur Nebenfiguren gespielt. Eine ihrer prägnantesten Rollen war eine erotische Tänzerin im letzten Film der „Hafenpastor“-Reihe („Der Hafenpastor und das Blaue vom Himmel“). In einer Fernsehlandschaft, die nicht aus Dutzenden von Sendern besteht, müsste „Magda macht das schon“ sie eigentlich zum Star machen. Die Mischung, mit der die Österreicherin die Figur verkörpert, ist zwar nicht einzigartig, aber wegen der kontrastreichen Kombination mitreißend: Die stets aufreizend gekleidete Magda ist gleichermaßen sexy und gottesfürchtig. Sie hat ein großes Herz, kann aber auch anders. Lügen gehen ihr zwar locker über die Lippen, lassen sie anschließend jedoch leiden. Oder, um es etwas übertrieben, aber doch irgendwie passend zu formulieren: Magda sieht aus wie eine Hure, handelt aber wie eine Heilige. Natürlich profitiert Altenberger von der Schlagfertigkeit, mit der Andrae die Figur versehen hat, zumal er auch entsprechend flotte Dialoge geschrieben hat. Aber sie erfüllt die Rolle mit allem an Leben, was denkbar ist, und vereint die Gegensätze zu einem glaubwürdigen Gesamtbild. Außerdem gelingt es ihr, Magda auf eine Weise verführerisch sein zu lassen, die trotz des waffenscheinpflichtigen Hüftschwungs nie billig wirkt, obwohl ihre Miniröcke bloß bessere Gürtel sind und ihr Dekolleté an Offenheit nicht viel zu wünschen lässt. Der Akzent klingt ebenfalls sehr überzeugend. Bei Bedarf kann sie auch auf russisches Deutsch umschalten, als sich Magda als Mafia-Gangsterbraut ausgibt.
Kein Wunder, dass sich die Darsteller der Familienmitglieder zunächst etwas schwer damit tun, sich zu profilieren, zumal die Besetzung eher unglamourös ist. Das ändert sich allerdings, weil Andrae seine Hauptfigur etwas zur Seite rücken lässt, damit auch die anderen zur Geltung kommen. „Magda macht das schon“ ist zwar nicht direkt linear erzählt, aber gerade die Eltern (Brigitte Zeh, Matthias Komm) bekommen zunehmend mehr Tiefe. Selbst Giftspritze Waltraud, als Kind aus Schlesien vertrieben, auf Menschen aus Polen seither nicht gut zu sprechen und ohnehin voller Vorbehalte gegenüber Ausländern, darf auch mal nette Seiten zeigen. Obwohl sich die Handlung größtenteils im Haus zuträgt, ist die Serie kein Kammerspiel, zumal die wenigen Außenszenen nicht bloß für optische Abwechslung sorgen sollen. Hübsch ist die Idee, Magda immer wieder in einen Bus zu setzen: Der türkisch-stämmige Fahrer Nadir (Neil Malik Abdullah) ist der einzige, der ihr unvoreingenommen begegnet, weshalb er im Verlauf der Erzählung so etwas wie ihr Vertrauter wird. Auch in diesen Szenen findet Andrae immer wieder Gelegenheiten für kleine Bonusgags, die neben dem durchgehenden Muster, die Beteiligten stets aneinander vorbei reden zu lassen, ein weiteres Merkmal dieser Serie ist. Und so wird der gelungene Gesamteindruck eigentlich nur durch den auf Dauer etwas einfallslos klingenden Polski-Pop gestört; eine vergleichsweise kleine Trübung, die Altenberger mit ihrem Temperament spielend wieder wettmacht.