Alice Tanner, eine von drei Chef-Analysten einer Rating-Agentur, sah sich bisher immer nur auf dem Weg nach oben. Doch ein One-Night-Stand mit einem Klienten könnte ihre Karriere knicken. Jedenfalls hat Agentur-Chef Brugger mit Michael von Marck einen vierten Chief Analyst „eingekauft“. Da ist jetzt wohl einer zu viel im Frankfurter Glaspalast. Das Hauen und Stechen beginnt. Gnadenlos werden Informationen über die Konkurrenten gesammelt. Um Alice, die eigentlich sauber das Spiel gewinnen wollte, im Kampf gegen die rücksichtslosen Im-Stehen-Pinkler zu unterstützen, heuert Halbschwester Nguyen als Chefsekretärin an. Eine versteckte Wanze auf der Herrentoilette soll Alice den nötigen Informationsvorsprung liefern. Große Sorgen bereitet ihr jene Solartechnikfirma, mit dessen Chef sie ins Bett gegangen ist. Als der sich vor ihren Augen erschießt, bringt das ihre Karriereplanung arg durcheinander. In dieser Firma scheint etwas faul zu sein. Werksspionage? Doppelspiel eines Vorstands? Gerade jetzt erweist sich Michael von Marck, Alices neuer Hauptwidersacher, als sensibler Kollege.
Foto: ZDF / Krause-Burberg
„Männer ticken, Frauen anders“ – so schwachsinnig dieser Titel, so stark und sinnlich dieses TV-Stück aus den oberen Etagen der Frankfurter Finanzwelt. Look und Design bestimmen das Sein der Charaktere – aber nicht nur. Es ist ein ständiges Beäugen, Belauschen, Belauern. Die Konkurrenz am Nachbarschreibtisch schläft nicht. Abhörgeräte, Internet und eine gläserne Architektur machen es möglich. Da wird die Herrentoilette nicht nur zum Meeting Point der stressgeplagten und intrigenwilligen Alpha-Männchen, sondern auch schon mal zum Seelenspiegel, zum Ort, an dem sich die Analysten unter Tränen oder in Robert-de-Niro-Manier psychologisch aufbauen. Oder wie einst Mario Adorfs Baulöwe in Fassbinders „Lola“ gibt auch der Agenturchef auf der Firmentoilette gut gemeinte Ratschläge. Rolf Silber ist da ein richtig guter Unterhaltungsfilm in bester amerikanischer Mainstream-Manier gelungen. Das Drehbuch vergisst nichts. Jedes Detail wird irgendwann irgendwie wieder aufgenommen. Das pointierte, schlagfertige Reden wirkt in diesem Film nicht aufgesetzt – es passt zum Berufsstand und es macht Laune. Dass Sprachwitz, Komödiensituationen, menschliches Leid, Mobbing, ja sogar Selbstmord in einer Geschichte zusammen gehen können – das ist eine Kunst, die hierzulande selten ist. In „Männer ticken, Frauen anders“ gelingt das vorzüglich.
Foto: ZDF / Krause-Burberg
Soundtrack: Edie Brickell & The New Bohemians („Circle“), Imogen Heap („Hide and seek“), Michael Jackson („Black or white“), Diana King („Think like a Girl“), Vanessa Amorosi („Shine“), Adele („Tired“), The National („Fake Empires“)
Nicht weniger wild gemixt zwischen King of Pop und Independant-Songwriting ist der wunderbare Soundtrack. Nicht weniger unhomogen ist die Besetzung. Auch dieser Mix funktioniert ausgesprochen gut. Und was soll man noch von Julia Koschitz schwärmen, die zwischen Screwball-Touch und „ehrlichen“ Tränen einfach alles glaubwürdig spielen kann, was eine pfiffige, lebensnahe (Tragi-)Komödie braucht. Und selbst das Happy End von Silbers Film ist eine kluge Variante, die in die beschädigte Figurenpsyche blicken lässt. Alice fragt unsicher: „Der Ort, in dem du aufgewachsen bist – warum heißt der eigentlich Hüttengesäß?“ Michael: „Das ist ’ne lange Geschichte.“ Alice: „Ich hätt’ Zeit…“ (Text-Stand: 11.10.2011)