Für ihren Schöpfer Frank Wedekind war sie „ein schönes wildes Tier“. Für andere war sie das männermordende Monster, die Femme fatale, der Vamp. Lulu hat wie kaum eine andere literarische Figur die Männerphantasien beflügelt und die Ikonografie der Weiblichkeit des 20. Jahrhunderts beeinflusst. An den Schnittstellen zwischen Sexualität und Liebe, zwischen Narzissmus und Exhibitionismus findet jenes Geschöpf, das als Lolita über die Männerwelt kommt, um ihren Liebhabern später den Tod zu bringen, den Sinn ihrer Existenz. „Lulu“ ist zeitloser Mythos, ein Theaterklassiker. Ein Stück, das auch Kulturmuffel ansprechen kann.
Foto: ZDF / Arte / Jochen Roeder
Jessica Schwarz stand für den Regisseur Uwe Janson bald als Idealbesetzung fest. Doch die Grimme- und Bayerische Filmpreisgewinnerin hatte große Angst davor, die Rolle zu spielen. „Ich bin keine Theaterschauspielerin und hatte am Anfang vor allem Schwierigkeiten mit Wedekinds Sprache“, erinnert sich Schwarz. „Ein Gefühl für die Sprache habe ich erst bekommen, nachdem ich die Kostüme angezogen hatte.“ Das glaubt man gern – sind doch aufregende Roben das A&O in jenem Spiel mit den weiblichen Reizen, auf das sich die Heldin so gut versteht. Die Geschichte lässt sich lesen als Revue des männlichen Niedergangs, aber auch als Revue femininer Verführungskraft. Janson setzt das entsprechend ins Bild. Die Kamera umschmeichelt das Objekt der Begierde, dessen Zauber in der unbefangenen Art liegt, sich zu bewegen. Schwarz umtänzelt die gierigen Blicke. Später werden ihre Bewegungen träger. Der Alltag der Lust hat sich in den Körper eingeschrieben. Jansons Lulu ist keine reine Männerprojektion. „Sie ist eine Frau, die den Anspruch auf Liebe ganz stark für sich formuliert.“ Lulu ist bei ihm kein Tier, sondern eine Frau, die sich nach Liebe sehnt.
Die Handlung von „Lulu“ wurde in ein fiktives Hotel verlegt. Gedreht wurde filmisch, bespielt wurden 360 Grad, nichts sollte an eine Theaterbühne erinnern. Zwar ist das Stück streng szenisch gegliedert, doch eine kongeniale Montage belebt die statische Szenerie. Die Methoden während des Drehs erinnerten aber eher an die Produktionsweise beim Theater: Es wurde chronologisch gedreht und die bis zu 18-minütigen Szenen mussten am Stück durchgespielt werden. „Eigentlich eine tolle Erfahrung“, findet Jessica Schwarz, „schwierig wird es aber, wenn man die 18 Minuten zum 24. Mal hintereinander spielt.“ (Text-Stand: 27.3.2006)