Lisas Fluch

Lavinia Wilson, Ken Duken, Petra K. Wagner & die Thriller-Drama-Doppelstrategie

Foto: HR / Bettina Müller
Foto Rainer Tittelbach

Lavinia Wilson beamt sich in die Köpfe ihrer Gegenüber. Macht sich ihre Lisa schauend die Welt untertan? Oder walten kriminelle Energien in dem HR-Fernsehfilm? Ein merkwürdiges, eigenwilliges TV-Stück, das von seiner Hauptdarstellerin getragen wird. „Lisas Fluch“ ist ein Film, der seine Motive, die übersinnlichen Kräfte und die seelischen Abgründe, in eine Rätselstruktur kleidet und dem Zuschauer einen gewissen Interpretationsspielraum lässt.

„Manchmal, wenn ich einen Menschen ansehe, dann kann ich in seinen Kopf sehen. Und wenn ich ihn dann anfasse und mich ganz fest konzentriere, dann kann ich fühlen, was er fühlt. Ich bin dann irgendwie in seinem Kopf, in seinem Körper.“ Schon in ihrer Kindheit hat Lisa übersinnliche Kräfte an sich feststellen können, die sie in erster Linie strafend einsetzte. Heute als Krankengymnastin versucht sie, ihre Fähigkeit therapeutisch zu nutzen. In einem „Wunschseminar“ hat sie ihre verschütteten Suggestivkräfte wieder entdeckt. Nur einmal lässt sie sich noch zu einer „bösen Tat“ hinreißen. Frank, ihr Mann, ein exzellenter Koch, mal wieder in finanziellen Nöten, leidet seit Jahren unter seinem sehr viel erfolgreicheren Bruder Nick. Gerade musste er sich von ihm 10.000 € leihen – mit der Bedingung, sein Restaurant auf Molekularküche umzustellen. Für Frank eine Demütigung: „Er will alles – Aufmerksamkeit, Bewunderung, mich von Kopf bis Fuß, meine Seele.“ Lisa spürt Franks große Not, den Konkurrenzdruck, den angestauten Hass gegen den Bruder. Sie will ihm helfen – sie „verflucht“ den Überflieger Nick. Und den plagt wenig später eine seltsame Krankheit.

Lisas FluchFoto: HR / Bettina Müller
Nick (Ken Duken) gibt mal wieder den großen Zampano. Sein Bruder Frank (Anatole Taubman) leidet seit Jahren unter seiner Dominanz. Pheline Roggan als Nicks Frau

Vielleicht aber haben die vermeintlichen Folgen von „Lisas Fluch“ in Wahrheit andere Ursachen? Der Fernsehfilm, den der Hessische Rundfunk als „Thriller-Drama“ lanciert, fährt eine Doppelstrategie. „Ich vergifte mich hier noch in meiner eigenen Küche“, orakelt Frank Sekunden vor einer vieldeutigen Weißblende. Wenig später geht der „Loser“ dem ewigen Gewinner an die Gurgel. Und nach dem ersten Probeessen in der neuen Molekularküche ist Nick so, wie Frank ihn immer haben wollte: ruhig, unscheinbar – krank. Aber auch Lisa flucht und hext sich durch den Abend. Nach einigen Tagen tut Nick ihr leid und sie will den Fluch rückgängig machen. Dann findet sie seltsame Chemikalien in der Küche ihres Mannes.

Wie der Molekularkoch alles so zubereitet, „dass es nicht mehr nach dem aussieht, was es ist, und vor allem nicht mehr danach schmeckt“, so führt Autor-Regisseurin Petra K. Wagner („Sieben Tage“) auch den Zuschauer gelegentlich auf falsche Fährten. Vielleicht widerstrebt es ihr ja genau so wie dem Koch? Wie dem auch sei: „Lisas Fluch“ ist ein Film, der seine Motive, die übersinnlichen Kräfte und die seelischen Abgründe, in eine passende Rätselstruktur kleidet. Wie auch im zuletzt gesendeten HR-Fernsehfilm „Morgen musst du sterben“ besitzt der Film einen gewissen Interpretationsspielraum. Was er auf jeden Fall ist: ein seltsamer Film über seltsame Beziehungen. Und er ist ein Film, der auch das Medium ernst nimmt. „Der direkte Weg in den Kopf eines Menschen geht über die Augen. Also, schauen Sie Ihr Gegenüber an, schauen Sie in ihn hinein“, heißt es in der ersten Szene. Dazu sehen wir Lavinia Wilson – schauend sich die Welt erschließen. Ein überaus reizvolles Versprechen.

Lisas FluchFoto: HR / Bettina Müller
Lisa (Lavinia Wilson) hat für ihren Mann dessen Bruder „verflucht“ und bereut es. Doch plötzlich ahnt sie, dass Nicks Krankheit eine andere Ursache haben könnte.

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Fernsehfilm

HR

Mit Lavinia Wilson, Anatole Taubman, Ken Duken, Pheline Roggan, Franziska Walser, Constanze Becker, Marita Breuer, Heinrich Giskes

Kamera: Armin Alker

Schnitt: Carmen Vieten

Musik: Sebastian Kirchner

Soundtrack: Joss Stone („4 and 20“)

Produktionsfirma: Hessischer Rundfunk

Drehbuch: Petra K. Wagner

Regie: Petra K. Wagner

Quote: 3,70 Mio. Zuschauer (12% MA)

EA: 06.04.2011 20:15 Uhr | ARD

Spenden über:

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