Dieser Mann hat schon bessere Tage gesehen. Piet N. Scheller (Heino Ferch) war ein erfolgreicher hanseatischer Broker, ein Spieler aus Leidenschaft, bis er sich verzockte. Es folgten Privatinsolvenz, Konkursverschleppung, beinahe Knast. Nichts ist ihm geblieben. Sein bester Freund ist heute sein Fallmanager bei der Agentur für Arbeit (Philipp Hochmair). Ausgerechnet in dieser wenig erfreulichen Lage läuft ihm Veronika (Tanja Wedhorn), eine Freundin aus grauer Vorzeit, über den Weg. Die lebt seit kurzem wieder in Hamburg – und arbeitet für ein amerikanisches Auktionshaus. Beide behalten ihre aktuellen Lebensverhältnisse dem anderen gegenüber erst einmal für sich. Als sie das Wiedersehen bei einem Dinner in dem italienischen Edelrestaurant feiern, welches Piet früher einmal gehörte, weiß Vero längst über seine prekäre Situation Bescheid. Der aber gibt in altbewährter Manier weiterhin den Chef. Diese großkotzige Art bringt sie auf eine Idee: Sie schlägt vor, dort weiterzumachen, wo ihre Beziehung vor 20 Jahren abrupt endete. Warum also der alten Zeiten willen nicht den versäumten Romantiktrip nach Venedig heute als Freunde nachholen – und das wie damals geplant per Anhalter. Das bringt den klammen Hartz-IV-Empfänger zwar reichlich ins Schwitzen, aber er ist dabei. Und mehr noch, selbst die Karten für die Oper und ein Abendkleid, natürlich Haute Couture, weiß der Tausendsassa aufzutreiben.
Foto: Degeto / Jörg Oschmann
Heino Ferch mit ungewohnter Haarpracht und in einer Komödie, das ist schon eine Rarität – und beides kann sich durchaus sehen lassen. Sein verarmtes Börsengenie in der ARD-Komödie „Liebe verjährt nicht“ erinnert – im Gegensatz beispielsweise zu seinem Psycho-„Ermittler“ in „Spuren des Bösen“ oder Kommissar Kessler in den drei Ostsee-Zweiteilern – ein wenig an den Bonvivant in den „Allmen“-Gaunerkomödien nach Martin Suters Romanen; auch dieser Kunstkenner steckt stets in Geldnöten. Die aristokratisch anmutende Nonchalance dieses Schweizer Lebemanns gibt Ferch in der Komödie von Sebastian Hilger („Wir sind die Flut“) nach dem Drehbuch von Wolfgang Limmer („Ein Sommer im Allgäu“) nun etwas zeitgeistig Stylishes mit auf den Weg Richtung Italien. Der Film, der als vermeintliche Sozialkomödie beginnt und sich mit seinen Dialogwechseln in Richtung Screwball Comedy zu entwickeln versucht, ist in der letzten Stunde vor allem eines: ein Road-Movie, das mehr und mehr von einer komödiantischen in eine romantische Gangart umschlägt. Nach einem Lkw mit kasachischem Fahrer geht es weiter mit einem Reisebus eines polnischen Kirchenchors, bevor es mit dem Wohnmobil eines älteren Ehepaars, das mit seinen Enkelkindern spontan durch die Gegend tourt, etwas intimer wird. Und dann kommen die beiden hinter dem Brenner irgendwann in Sexten an, einem Südtiroler Ort, in dem Piet noch etwas zu erledigen hat.
Zur Outdoor-Story passt die frische Inszenierung, die für einen Primetime-Unterhaltungsfilm optisch, insbesondere was die Lichtsetzung angeht, mutig die Grenzen des Möglichen auslotet. Es sind immer wieder die emotional entscheidenden Szenen, bei denen sich Hilger und Kameramann Gunnar Fuß visuell etwas Besonderes einfallen lassen. Einmal sieht man, gebrochen durch eine Fensterscheibe, groß die schlafende Veronika und neben ihr den wachen, nachdenklichen Piet, der auf einmal gar nicht mehr wie dieser Mann wirkt, der sich für das oberflächliche Leben entschieden hat. Später ist es seine Schlaflosigkeit, die ihn aus dem Zelt in die Natur treibt, wo er mit Körperübungen im Regen seine Mitte sucht. Als Veronika sich zu ihm gesellt, tanzen und lachen die beiden in der Dunkelheit, bis sie ihn küsst. Die Sinnlichkeit einer solchen Szene sagt mehr als viele Worte; sie aktualisiert das, was unter der Oberfläche dieser beiden nach Dominanz strebenden Menschen verborgen liegt, es sind die Momente, in denen die Hauptfiguren dem Zuschauer etwas von ihrem Innenleben preisgeben. In der darauffolgenden Nacht kommen sie sich abermals nahe. Jetzt reden sie – über ihr Leben, über Glück und darüber, was man bereut oder auch nicht. Das Bild ist einige Minuten in tiefdunkles Blau getaucht, wodurch nur vage die Konturen der beiden zu erkennen sind. Trotzdem oder gerade deshalb ist diese Nähe zwischen ihnen spürbar und wirkt das Gesagte umso präsenter.
Foto: Degeto / Christine Schröder
Bei einer so elaborierten und narrativ sinnvoll verwendeten Filmsprache hätte man auch bei der Dramaturgie Genauigkeit und Feinschliff erwartet. Doch Autor Limmer setzt auf Zufälle und dialogische Behauptungen („Ich bin ein Spieler“), anstatt den Erzählmotiven Struktur und damit der Handlung eine gewisse Stringenz zu geben. In der Exposition wird angedeutet, dass das Geld für den „Helden“ eine Art Fetisch-Funktion besitzt. Danach verliert die Geschichte (und damit auch der Zuschauer) diesen Gedanken aus dem Blick. In der Folgezeit dominieren Beziehungs- und Lügenspiele, bevor auf dem Weg zum Happy End Piets Liebe zum Geld als retardierendes Moment aus dem Hut gezaubert wird. Auch diese Komödie, deren Hartz-IV-Plot den Autor thematisch kein Bisschen zu interessieren scheint und der einzig und allein Vorwand dafür ist, die Wiedervereinigung des Paares voranzutreiben, ließe sich emotional mehrschichtig erzählen: Die Sehnsucht nach Liebe und die Gier nach Geld hätte man wunderbar dramaturgisch miteinander verknüpfen können. Als narrativer Widerspruch, aber auch als ein psychologisches Dilemma. Schade, dass im Mittelteil allein die Standards der romantischen Komödie bedient werden. Und so ist denn auch das Finale nicht mehr als ein aufgesetzt wirkender Knalleffekt ohne Subtext. Wie von Geisterhand verliert der Egomane sein Wesen und lädt seine Ex zum moderaten Mitspielen ein. Viel mehr als die Erfüllung der Genrekonvention ist das nicht. Für eine Figur wie die ebenso wehrhafte wie liebenswerte Vero, aber auch für Tanja Wedhorn, die sich tapfer schlägt beim spielerischen Duett mit dem charismatischen Ferch, hätte man sich ein intelligenteres Ende erhofft.