Eine Screwball-Komödie! Da hat sich Sat 1 aber große Ziele gesetzt. Allerdings weckt das Etikett Erwartungen, an denen diese weitgehend witzlose Geschichte kraftlos scheitert. Dabei ist schon allein die Kombination Veronica Ferres und Dieter Hallervorden ungewöhnlich und vielversprechend, zumal die Geschichte genug Potenzial für kurzweilige neunzig Minuten mitbringt. Ferres spielt die Schwindlerin Annabelle, die ihre vermögenden verheirateten Liebhaber schon seit Jahren mit der immer wieder gleichen Methode übers Ohr haut: Angeblich hat Annabelle 30.000 Dollar in eine gemeinsame Kreuzfahrt investiert, an der ihre Opfer aber gar nicht teilnehmen können; selbstverständlich zücken die Männer umgehend das Scheckheft. Als ihr ein mittlerweile mittelloses früheres Opfer auf die Schliche kommt und sich sein Schweigen mit 300.000 Dollar bezahlen lassen will, muss Annabelle einen richtig großen Fisch an Land ziehen. Ihre Freundin und Mitbewohnerin Claire (Renate Stuurman) hat den perfekten Tipp für sie. Claire soll für den Lottomillionär Reiner (Hallervorden) die Hochzeit seiner Tochter ausrichten. Weil der Alte ein misstrauischer alleinstehender Pfennigfuchser ist, der niemandem von seinem Reichtum erzählt, gibt sich Annabelle als wohlhabende Schönheitschirurgin aus. Reiner zappelt zwar bald in ihrem Netz, aber dann muss sie verblüfft feststellen, dass sie nicht die einzige ist, die es auf sein Vermögen abgesehen hat: Tom (Steffen Groth), der Verlobte von Tochter Tiffany (Katharine Mehrling), ist genauso ein Hochstapler wie sie selbst, und natürlich versuchen die beiden nun, sich gegenseitig zu enttarnen; bis sie sich ineinander verlieben.
Das ist als Grundidee ganz hübsch, aber sehr viel mehr hat „Liebe auf den ersten Trick“ nicht zu bieten. Der Film wäre auch ohne die hochtrabende Bezeichnung „Screwball-Komödie“ eine Enttäuschung, dafür muss man ihn gar nicht an einer Perle des Genres wie dem Howard-Hawks-Klassiker „Leoparden küßt man nicht“ (1938) messen. Screwball-Komödien zeichnen sich nicht zuletzt durch Tempo und rasante Dialogduelle voller Esprit aus; von beidem kann hier keine Rede sein. Voraussetzung für witzige Wortgefechte ist stets die Schlagfertigkeit der Hauptfiguren, aber die Lügen von Annabelle und Tom kommen nicht wie aus der Pistole geschossen, sie sind das Ergebnis sichtbarer Denkvorgänge. So kann kein Schlagabtausch entstehen, zumal sich zwischen Groth und Ferres keinerlei Reibungshitze entwickelt. Wenn Annabelle gurren soll, klingt das nicht sexy, sondern bloß merkwürdig. Ihr schmachtender Loreley-Blick ist ebenfalls nicht verführerisch, und wenn Ferres schlechtes Schauspiel markiert, ist das in der Tat schlechtes Schauspiel; da war ihr letzter Sat-1-Film, „Die Staatsaffäre“ (2014), auch wegen ihr selbst um zwei Klassen besser. Hallervorden knüpft gleichfalls nicht an die großen Leistungen seiner Comeback-Werke „Sein letztes Rennen“ (2013) oder „Honig im Kopf“ (2014) an; schon eher werden unangenehme Erinnerungen an den „Palim Palim“-Didi aus der Blödelreihe „Nonstop Nonsens“ wach. Witzig sind allein die Szenen mit Claires Freund Malik (Darron Meyer), der bevorzugt nackt auftritt und sich bei der Hochzeitsfeier als „platonischer Atheist“ vorstellt, weil Annabelle ihm vorher gesagt hat, er solle sich als Anästhesist ausgeben, den eine platonische Freundschaft mit ihr verbinde. Im Gegensatz zum erwartbaren Ende ist das Finale vor dem Finale immerhin ein kleiner Knüller.
Foto: Sat 1 / Charlie Sparring
Soundtrack: Joss Stone („Super Duper Love”), Leslie Clio („Fuck What They Told Ya”), Tony Bennett & Shawn Colvin („Young At Heart”), Frank Sinatra („It Had To Be You”), Aloe Blacc („It Had To Be You”, „Loving You Is Killing Me”)
Anders als frühere Sat-1-Filme, die zwar in Kapstadt entstanden sind, aber in Deutschland spielten („Super-Dad“, „Zum Teufel mit der Wahrheit“, beide 2015), ist die Stadt diesmal nicht nur Drehort, sondern auch Schauplatz. Für die Handlung ist das zwar nicht weiter wichtig, aber immerhin musste Kameramann Henner Besuch, dem es erfolgreich gelingt, Ferres zehn Jahre jünger wirken zu lassen, nicht dauernd darauf achten, dass die bergige Umgebung nicht ins Bild kam. Davon abgesehen hat Regisseur André Erkau („Happy Burnout“) seltsamerweise darauf verzichtet, die sehenswerte Landschaft in Szene zu setzen. Selbst bei einem Gleitschirmausflug von Reiner und Annabelle gibt es statt eindrucksvoller Panorama-Blicke bloß unglaubwürdige Nahaufnahmen der vor lauter Höhenangst quiekenden Annabelle. Das Fehlen großer Bilder ist umso verwunderlicher, als Erkau den Film wie schon seine letzte Arbeit für Sat 1, „Love is in the Air“, in Breitwand gedreht hat. Das Kinoformat ist hier zwar nicht ganz so überflüssig wie dort, aber auch „Liebe auf den ersten Blick“ lässt sich ohne wesentliche Verluste rechts und links in ein bildschirmfüllendes Format umwandeln.
Auch bildsprachlich hat der Film keinerlei Raffinesse zu bieten. Wenn Erkau und Besuch mal was wagen, sieht das prompt seltsam aus, etwa, als sie beim Bettgeflüster von Reiner und Annabelle die Kamera kippen, sodass die beiden quasi stehend liegen. Womöglich hätten Sat 1 und Produktionsfirma UFA Fiction die Inszenierung besser dem Autor überlassen: Jan Haering hat mit „Undercover küsst man nicht“ 2016 ein eindrucksvolles temporeiches Regiedebüt hingelegt. Erkau dagegen ist bis heute kein Fernsehfilm gelungen, der an die Qualität seiner tragkomischen Kinoarbeiten „Selbstgespräche“ (2007), „Arschkalt“ (2011) und „Das Leben ist nichts für Feiglinge“ (2013) anknüpfen konnte; das gelang weder mit den „Tatort“-Episoden für den WDR, „Wahre Liebe“ aus Köln (2014) und „Schwanensee“ aus Münster (2015), noch mit „Wolfsland – Ewig Dein“ (2016). Der Arbeitstitel der Komödie lautete übrigens „Lüg’ mich an und ich heirate Dich“; dass das dem Sender nicht gefiel, lässt sich nachvollziehen. Sat 1 hätte den Film bestimmt gern „Heiratsschwindler küsst man nicht“ genannt, aber der Titel war schon an eine 2012er-Produktion der ARD-Degeto vergeben.