Marit, einst ein wilder Vogel und mittlerweile als Modedesignerin in London gelandet, kommt nach 16 Jahren erstmals wieder in ihr norwegisches Heimatdorf. Die Vorbehalte ihrer Schwester Kristin sind groß. Sie hat den Betrieb der Eltern, eine kleine Fischzucht, mit ihrem Mann Petter übernommen. Mit Tochter Ida, die sie liebevoll und ein wenig überstreng bemuttert, sind sie eine glückliche, kleine Familie inmitten der Idylle der Fjorde. Doch der Schein trügt. Ida ist Marits Tochter. Als sie das Kind mit 17 Jahren bekam, entschieden die Eltern, das Baby in die Obhut der älteren, soliden Schwester zu geben. Daraufhin verließ Marit ihr Zuhause. Nun befürchtet Kristin, dass Marit gekommen ist, um ihr Ida wegzunehmen.
Zu Beginn von „Das Meer der Frauen“ liegt mal wieder der wohl bekannte lange Schatten der Vergangenheit schwer auf der Geschichte – und natürlich macht er auch vor den Gesichtern nicht halt. „Nach all den Jahren“ oder „nach all der Zeit“ heißt es da dialogtechnisch unbeholfen in jedem zweiten Satz. Das ändert sich, nachdem eine Aussprache der beiden Schwestern in kunstvoller Melodram-Manier dem Film seine ästhetisch-emotionale Richtung gibt. Noch eine Weile werden die Gegensätze der beiden Schwestern etwas überstrapaziert in Szenen, die zumindest die Kraft des Vorurteils dramaturgisch veranschaulichen. „Entschuldige, dass ich manchmal so bin“, sagt zwischendurch Floriane Daniels Kristin; doch der nächste Rüffel folgt auf dem Fuß. Diese Marit wird sich einfach nicht ändern – oder?
Foto: Degeto / Hardy Spitz
Der vierte Film aus der Reihe „Liebe am Fjord“ entfaltet seine emotionalen Stärken mit der Verlagerung des stereotypen Schwestern-Konflikts auf die 16jährige Tochter. Henriette Confurius spielt Ida beeindruckend wie gewohnt: sie trägt den Film in der zweiten Hälfte und macht ihn zu einer Ode an die Jugend. Klare Physiognomie und klassische Schönheit vor Landschaft – das ist Jörg Grünlers Prinzip in diesem zumindest visuell bemerkenswerten Film. Zeitlupen, Zeitraffer und eine hochbewegliche Kamera treiben den Kitsch weitgehend aus den Bildern. Mal schreien sie nach Standbild, mal liebäugeln sie offen mit Postkarten-Ansichten, mal suchen sie – tatkräftig unterstützt von Wetter und Licht – das große Drama. Das narrative Spiel aus Spiegelungen und Projektionen wirkt Melo-gemäß trivial, doch diese Dramatisierung ist durchaus stimmig. Wer keine Neigung zu melodramatischen Stoffen verspürt – der sollte diesen Gefühlsgenerator „Das Meer der Frauen“ doch besser meiden.