„Es geht nicht um ihn, es geht um sie“, sagen sich die drei erwachsenen Kinder, die in einem norwegischen Dorf an den Fjorden von ihrer Mutter Abschied nehmen wollen. Aber es geht zwangsläufig auch um ihn: Henrik Agdestein, ein Schriftsteller, der sein Leben lang systematisch an seiner Isolation gearbeitet hat. Seine Frau war für ihn die Brücke zur Welt. Jetzt, da sie tot ist, blickt dieser Mann in die Leere seines Daseins. Nach außen ist alles wie immer. Der eigenbrötlerische Intellektuelle gibt Nachhilfe in rationaler Weltsicht – gepaart mit Altersstarrsinn und anerzogener Härte ergibt sich daraus eine ziemlich unpassende Stimmung für eine Beerdigung. Die vom Vater verordnete Trauerfeier im kleinen Kreis wird zum Trauerspiel. Die Kinder sind enttäuscht, ziehen sich von ihrem Vater zurück, der sie ohnehin drängt, ihr Elternhaus zu verlassen. Aber sie wollen nicht abreisen, ohne sich von ihrer Mutter mit Würde verabschiedet zu haben – und so planen sie ein großes Fest zu ihren Ehren.
„Abschied von Hannah“ aus der „Liebe am Fjord“-Reihe ist ein Film über Verlust, über Trauer und die verschiedenen Arten, mit dem Tod umzugehen. Die Genauigkeit der Erzählung, die Stimmigkeit der Charaktere und die daraus resultierende Tiefe der Gefühle machen ihn zu einem wahrhaftigen, feinsinnigen Drama. Matthias Habich gibt seinen misanthropischen Einsiedler nicht als Stinkstiefel, der geläutert werden muss. Dieser Mann hat Grund, so zu sein, wie er ist, dieser Mann kann nicht umgedreht werden, nur dessen harte Schalte kann ein paar selbst gewollte Risse bekommen. Jener Henrik Agdestein ist überfordert mit seinen Kindern, der liebenswerten Lehrerin Sonja, der eigenwilligen Polizistin Laura und Leif, dem erfolgreichen Politiker, dessen Homosexualität der sonst so freigeistige Vater nie akzeptiert hat. Er ist überfordert, weiß nicht wohin mit seinen Gefühlen, wenn sie da zu dritt vor ihm stehen. Unter vier Augen gelingt es ihm, gelegentlich Nähe herzustellen, sogar mit dem Partner seines Sohns versteht er sich. Die Kommunikation in Jörg Grünlers Film nach dem vorzüglichen Buch von Martin Rauhaus ist so reich – das hat nicht mehr viel mit TV-Melodram zu tun!
Hier stimmt jedes Wort, jeder Augenaufschlag, jede (Nicht-)Berührung, jeder Kamerablick. Gleich in der ersten Szene, wenn der Held seine verstorbene Frau ansieht, geht die Kamera nicht mit, sondern bewegt sich auf das Amulett mit den Fotos ihrer Kinder zu, das die Tote in der Hand hält. Die Ehefrau an dieser Stelle zu zeigen, hätte einen rückwärts gewandten Akzent gesetzt, so aber ist ein ästhetisch und emotional intensiver Moment geschaffen, dem eine Montage folgt, in der die Kinder kurz in ihrem Alltag gezeigt werden, bevor sie die Todesnachricht bekommen. Diese Art zu erzählen ist altmodisch und modern zugleich. Oft spiegelt sich auch die Psychologie in Details. Weshalb wohl umarmt der Vater am Ende den Freund des Sohns, während er Leif, mit dem er Frieden geschlossen hat, nur die Hand reicht?
Auch die Gesichter passen zur Landschaft. Matthias Habichs Physiognomie, markant zerfurcht, kann es mit der zerklüfteten Fjord-Landschaft aufnehmen. Ihn kann man nicht oft genug sehen. Und die anderen Schauspieler, weniger bekannt, auch das tut dem Film gut, dem Fremdländischen, dem Norwegen-Touch, man sieht das Gesicht und nicht den (großen) Namen. Ihre Charaktere haben alle ihre eigene Geschichte. Es geht um die ganze Familie. Um die Lebenden und Toten – auch indirekt um den sadistischen Vater der Hauptfigur. Aber es geht auch um die Verantwortung, die man selber für sein Leben trägt. „Manchmal ist das Leben ein Unfall“, sagt der verbitterte Schriftsteller, als er sich an seinen Vater erinnert, doch er relativiert sofort: “Im Übrigen hielt ich es immer für billig, wenn biografische Zufälligkeiten als Entschuldigung dienen.“ Es ist erfreulich: Auch wenn der Held ein ziemlicher Lebensfeind ist, wenigstens ist er nicht dumm. Für allzu viele Helden im Fernsehen gilt das Gegenteil.