Auf dem ledernen Aufnäher an der Levi’s tragen viele Zuschauer:innen den Anfang und das Ende des Mehrteilers mit sich herum: Der legendäre „leather patch“ zeigt heute noch die Szene, in der zwei Pferde versuchen, eine Hose zu zerreißen. 1876 führten Levi Strauss und Jacob Davis in San Francisco die Vorteile ihrer Erfindung in einer öffentlichen PR-Aktion vor – so erzählen es jedenfalls Neele Leana Vollmar (Drehbuch, Regie) und Robert Krause (Drehbuch) in „Levi Strauss und der Stoff der Träume“. Die Hose, „die selbst den stärksten Beanspruchungen widersteht“, wurde zum Verkaufsschlager und später zu einem Kultobjekt. Jährlich werden mehr als 250 Millionen Exemplare der „bekanntesten und meistgetragenen Hose der Welt“ produziert, heißt es im Abspann. Der Sitz der 1853 gegründeten Firma Levi Strauss & Co. befindet sich immer noch in San Francisco.
Levi Strauss (Vincent Redetzki) allerdings stammte aus Buttenheim nahe Bamberg. Er war der Kaufmann, der bereits mit dem strapazierfähigen Denim-Stoff handelte, während der vielseitig begabte Handwerker Jacob Davis (Anton von Lucke) aus dem lettischen Riga die entscheidenden Ideen für die Fertigung lieferte: die verstärkten Nähte, die Nieten. Beide waren Juden und in den 1840er Jahren in die USA ausgewandert. Dass sie sich bereits bei der Atlantik-Überquerung begegneten, gehört wohl eher in den Bereich der Fantasie. Ohnehin erscheint der Sinn der Episode mit dem kranken Hund, den Davis mit einem Schuss erlöst und über Bord wirft, etwas rätselhaft. Gemeinsam meldeten Strauss und Davis 1873 jedenfalls das Patent an. Und obwohl im Titel nur von Strauss die Rede ist, werden die Geschichten beider Männer und ihrer Familien bis dahin nahezu gleichwertig parallel erzählt. Somit wird auch der weniger bekannte Jacob Davis gewürdigt.
Dass auch starke Frauen tatsächlich eine wichtige Rolle spielten, kommt einer zeitgemäßen Erzählung entgegen. Überliefert ist vor allem die enge Bindung zwischen Levi Strauss und seiner Schwester Fanny (Amy Benkenstein). Während die älteren Brüder Louis (Hannes Wegener) und Jonas Strauss (Paul Walther) bereits ein Geschäft in New York eröffnet haben, ziehen Levi und Fanny in der Heimat noch als Hausierer von Tür zu Tür, werden dort beschimpft und übers Ohr gehauen. Nach dem Tod des kranken Vaters (Johannes Silberschneider) können beide endlich mit ihrer Mutter (Nirit Sommerfeld) vor dem Antisemitismus im Königreich Bayern ebenfalls in die Staaten fliehen, wo sich Levi schließlich von seinen Brüdern emanzipiert und eine Filiale im aufstrebenden San Francisco eröffnet. Fanny bleibt vorerst in New York und heiratet David Stern (Bardo Böhlefeld), wird aber später ihrem Bruder im Westen zur Seite stehen.
Vollmar und Krause erzählen eine typisch amerikanische Gründergeschichte: Levi beginnt in einem leer stehenden, schmutzigen Gebäude in San Francisco – sozusagen ein Start-up des 19. Jahrhunderts. Die Räume füllen sich mit der Zeit, doch an der kalifornischen Goldküste herrscht pure Gesetzlosigkeit. Levi muss wie alle anderen Händler zehn Prozent seines Umsatzes an den korrupten und gierigen Mister Eddy (Roland Koch) und seinen gehorsamen Sohn Henry (Alessandro Schuster) abliefern. Der Wirtschaftskrimi und Strauss‘ Existenzkampf sorgen für Spannung, geraten aber auch arg kolportagehaft mit einem schlichten Gut-Böse-Schema. Golo Euler spielt den aufrechten Journalisten Jude William, der Levi für seinen Kampf gegen Eddy gewinnen will. Nebenbei wird eine homoerotische Beziehung zwischen dem unverheirateten Strauss und dem häufig betrunkenen Journalisten angedeutet. Ob Levi Strauss wirklich homosexuell war, bleibt unklar. Offen dürfte er dies ohnehin kaum gelebt haben. Kostüme, Frisuren und die teils detailreichen Szenenbilder lassen ein Gefühl für die Zeit entstehen. Gleichzeitig ist der historische Look nicht gerade überwältigend groß und muss ohne aufwendige Darstellungen etwa des Lebens in New York oder der Goldgräber-Stimmung in San Francisco auskommen. Die Handlung konzentriert sich auf wenige Schauplätze, vor allem die Strauss’schen Geschäfte.
Zu einer Liebesgeschichte wird der zweite Handlungsstrang um Jacob Davis, der vor einem drohenden Militärdienst für den russischen Zaren geflüchtet war. Während die Strauss-Familie wochenlang per Schiff von New York nach San Francisco zu reisen pflegt, reitet der von Rückenschmerzen geplagte Davis allein gen Westen. Als er in einem Camp von Goldgräbern landet, lernt er Annie Packsher (Lea van Acken), die schöne Verlobte des gewalttätigen Anführers (Christian Beermann), kennen. Aber der Wilde Westen ist hier nicht wirklich inklusive: Wie es Jacob und Annie bis nach Reno, Nevada, schaffen, bleibt ebenso ausgespart wie später Annies Erlebnisse auf ihrem Solo-Trip samt Baby von Reno nach San Francisco. Western-Klischees sollten offenkundig nicht vom Wirtschaftskrimi ablenken. Doch während der Antisemitismus in Europa deutlich skizziert wird, bleibt der Rassismus in Nordamerika nahezu ausgeklammert. Sklaverei und Bürgerkrieg scheinen weit entfernt. Und in San Francisco treten zwar chinesische Migranten als Billiglohnarbeiter in Erscheinung, aber keine Schwarze oder amerikanische Ureinwohner.