Letzter Moment

Matthias Habich, Ulrike C. Tscharre & Gila von Weitershausen im amourösen Clinch

Foto: NDR / Georges Pauly
Foto Rainer Tittelbach

Alter Mann liebt junge Frau, deren Mutter er einst verfallen war. „Letzter Moment“ ist ein Film, der sich wie sein Held, mutig zwischen den Stühlen befindet. Es ist ein Liebesdrama, dessen Stoff sich auch für ein Melo eignen würde. Doch dieses Missverständnis kommt Dank der Darsteller gar nicht erst auf. Habich raunzt gegen die mitunter etwas bedeutungsvollen Sätze an, Gila von Weitershausen bricht mit ihrem Degeto-Image und Ulrike C. Tscharre ist mehr als nur sexy. Ein Schauspielerfilm – sperrig, altmodisch, sympathisch.

Peter trifft sich mal wieder mit seiner Ex-Frau. In einem Lokal macht sie dem abgeklärten Endsechziger einen „Antrag“ zum Zusammenleben. „Das klingt nach Aufgeben auf hohem Niveau“, fällt ihm dazu nur ein. Sie sucht das Weite, er schläft wenig später in der Küche des Restaurants mit der Kellnerin, einer 32-jährigen Studentin – und sein Herz ist entflammt. Auch Isabel verliebt sich Hals über Kopf in den charismatischen Intellektuellen, der älter als ihr Vater ist. „Ich will dich wieder sehen“, sagt Peter am Ende der langen Nacht. „Ich heirate nächste Woche“, verabschiedet sich Isabel. Es wird ein Abschied, der wenige Stunden dauert. Isabel heiratet trotzdem – doch in der Nacht der Hochzeitsparty entführt sich die Braut selbst. Es scheint eine große Liebe zu werden, die sich zwischen dem alten Mann und der jungen Frau entwickelt. Doch Isabels Mutter steht dem Glück im Weg. Sie war Peters „Lebensmensch“, die Frau, die ihm das Herz gebrochen und ihn einsam gemacht hat.

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Peter (Matthias Habich) lernt Isabels (Ulrike C. Tscharre) Vater Konstantin (Thomas Thieme) kennen. Der ist natürlich weniger erbaut von dem neuen Lover seiner 32-jährigen Tochter.

„Letzter Moment“ ist ein Film, der sich ähnlich wie sein Held, zwischen mehreren Stühlen befindet. Der Film erzählt ein Liebesdrama, dessen Stoff sich auch für ein Melodram eignen könnte. Doch dieses Missverständnis kommt Dank der Darsteller gar nicht erst auf. Wenngleich Gila von Weitershausen den Verdacht nahe legt, dass der Film auch um die Degeto-Fans buhlt, so ist sie doch die große positive Überraschung des Films – eine Wieder-Entdeckung quasi. Eine Herzenssache so trocken und kantig zu erzählen ist ein Wagnis. Das kann schnell dröge werden. Da Sathyan Ramesh aber mit Matthias Habich einen glaubhaften Protagonisten für dieses Konzept hat, nimmt der Film auch diese Hürde. Dass „Letzter Moment“ ohne Parallel-Plots auskommt und ganz in seinem amourösen Mikrokosmos kreist, ist mutig und wirkt angenehm altmodisch. Darin erinnert der Film positiv an Debütfilme, bei denen die Macher eine stoffliche Vision haben und sich am Thema abarbeiten. Auch in seiner dramaturgischen Sprunghaftigkeit, dem Hang zum „weniger ist mehr“ und einigen bruchhaften filmästhetischen Lösungen liebäugelt der Film mit „kleinen“ Kinokoproduktionen.

Die angenehme Konzentration auf den Liebeskonflikt erlaubt es dem Zuschauer alles zu sehen, alles zu hören. Der Film ist transparent, zeigt alles her, nichts wird durch Nebenhandlungen relativiert. Da werden Fernsehkritiker, die bekanntlich Liebesfilmen wenig abgewinnen können, einiges zu mäkeln haben. Und ein Problem hat der Film tatsächlich: da er stofflich so reduziert ist, alles so klein, szenisch und brav chronologisch erzählt, serviert er seine Dialoge dem Zuschauer/Zuhörer auf dem silbernen Tablett. Und diese Dialoge sind nur gut, wenn Habich sie knackt, sie zerbeißt, gegen sie anraunzt, ihnen ihre tiefe, schwere Bedeutsamkeit nimmt. Aber auch er muss Sätze sagen wie „Ich war gestorben an dem Tag, an dem du weggingst“. Viel zu viel wird das, was der Film insgesamt erzählen möchte, den Figuren in den Mund gelegt. „Beinahe hätte ich ihn ziehen lassen, beinahe hätte ich nicht gemerkt, dass er mein Lebensmensch ist.“ Große Worte in kleiner Ästhetik. „Wenn jetzt jemand sagt, es ist nicht so, wie du denkst, dann passiert hier was Schlimmes.“ Solche abgeklärten Sätze passen zu Zeitgeist-Stücken oder „Sex and the City“, in einem klassisch erzählten Drama ist eine solche aufgesetzt witzige Selbstreferentialität unglücklich gewählt.

Letzter MomentFoto: NDR / Georges Pauly
Und es folgt der nächste Schock: Katharina (Gila von Weitershausen) und Peter (Matthias Habich) kennen sich aus früheren Zeiten. Sie war seine große Liebe.

Bei aller Kritik, eines spürt man in jeder Szene: „Letzter Moment“ ist kein nach Schema F entwickeltes, routiniert erzähltes Drama, es ist ein sperriger Film, bei dessen Entstehung sicherlich ähnlich viel Herzblut floss wie in der Geschichte. Der Film, der Dank Ulrike C. Tscharre („Im Angesicht des Verbrechens“) zwei, drei sehr erotische Momente hat, feierte seine Premiere auf dem diesjährigen Filmfest Emden-Norderney, wo Ramesh für das Script zu „Letzter Moment“ vor zwei Jahren den festivaleigenen Drehbuchpreis gewann.

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Fernsehfilm

Arte, NDR

Mit Matthias Habich, Ulrike C. Tscharre, Gila von Weitershausen, Thomas Thieme, Beatrice Richter, Ole Puppe

Kamera: Jana Marsik

Szenenbild: Dietmar Linke

Schnitt: Dora Vajda

Produktionsfirma: memento Film

Drehbuch: Sathyan Ramesh, Markus Gruber

Regie: Sathyan Ramesh

Quote: ARD: 3,72 Mio. Zuschauer (14% MA)

EA: 17.09.2010 20:15 Uhr | Arte

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