Lerchenberg

Sascha Hehn, Eva Löbau, Cornelia Gröschel. Dauerschmunzeln über die Anstalt

Foto: ZDF / Jan Rasmus Voss
Foto Rainer Tittelbach

Zum 50. Geburtstag überrascht das ZDF mit einer Sitcom aus dem Innenleben der Anstalt. Die Serie heißt zwar „Lerchenberg“, spielt auf dem Lerchenberg, wurde auch dort in der Senderzentrale gedreht, aber ARD-Mitarbeiter dürften sich hier genauso gut wiederfinden. Sascha Hehn spielt sich selbst – und das macht er richtig gut: eitel, großkotzig und immer ein bisschen hintenherum. Großartig auch Eva Löbau als herzensgute, etwas naive Innovations-Redakteurin. Gutes Timing, echte Typen, köstliche Dialoge, leise Ironie. Neue Folgen!

So viel Selbstironie hätte man dem ZDF gar nicht zugetraut. Zum 50. Geburtstag überrascht der Mainzelmännchen-Sender, der damit noch rund 10 Jahre unter dem Durchschnittsalter seiner Zuschauer liegt, mit einer Sitcom aus dem Innenleben der Anstalt. Eine satirische Auseinandersetzung mit den Mechanismen und absurden Vorgängen im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Die Serie heißt zwar „Lerchenberg“, spielt auf dem Lerchenberg, wurde auch dort in der Senderzentrale auf der grünen Wiese vor Mainz gedreht, aber ARD-Mitarbeiter dürften in dieser Produktion des TV-Labors Quantum des „Kleinen Fernsehspiels“ genauso ihre Aha-Erlebnisse haben. Im Mittelpunkt steht die Jungredakteurin Billie, die endlich ihr erstes ehrgeiziges Filmprojekt realisieren möchte. Sie steht für Qualitäts-TV. Sie glaubt zu spinnen, als sie den Namen des Schauspielers hört, der unbedingt rein muss ins Projekt: Sascha Hehn.

LerchenbergFoto: ZDF / Andrea Enderlein
Pop-Ikonen-Treffen auf dem Lerchenberg. Catwoman (Cornelia Gröschel), Superman (Stephan Kampwirth), Mainzelmännchen (Eva Löbau) in Folge 4: „Sascha hautnah“

Gutes Arbeitsklima in der Anstalt
Philipp: „Kommst du mit?“
Judith (entnervt): „Ich muss arbeiten.“
Philipp: „Ach komm, ey, das muss doch hier keiner, wenn er nicht will.“

Der spielt sich selbst – und das macht er richtig gut. Eitel, großkotzig und immer ein bisschen hintenherum, so gibt er seinen abgehalfterten Star, der gern über seine Verhältnisse lebt. „Schauen Sie, wenn Sie unbedingt moderner werden wollen, dann engagieren Sie einfach für seinen Part eine junge Frau – das kommt bei allen Generationen gut an“, empfiehlt er dem Regisseur, nachdem ihn dieser auf den Rücksitz eines Motorrads und Wayne Carpendale nach vorne frontal zur Kamera gesetzt hatte – mit der Begründung: er sei der Jüngere. Auch die weibliche Hauptdarstellerin ist großartig: Eva Löbau, zuletzt als Lilo-Pulver-Sexbomben-Verschnitt in der Arbeitswelt-Komödie „BlitzBlank“, ist schon fast eine Idealbesetzung. Man glaubt, sie schon häufig getroffen zu haben bei Pressekonferenzen oder auf den Gängen irgendeiner jener Senderanstalten, auf denen immer jemand mit Rollwagen voller DVDs und Sendebänder unterwegs ist. Ihre Billie ist uneitel, sie ist gutgläubig, fast ein bisschen naiv. Sie will helfen, sie will geliebt werden, und sie will anfangs noch gutes, engagiertes Fernsehen machen, schließlich gehört sie zur sogenannten „Innovationsredaktion“, aber ihre Motivationskurve knickt – mit Sascha Hehn an der Backe – sichtlich ein. Bald ist sie nur noch der Fußabtreter für alle – ihre Chefin (Katrin Giegerich), der es an so ziemlich allem fehlt, für die neue Volontärin (Cornelia Gröschel), die  sich von Billie helfen lässt und ihr dann den Job wegschnappt und deren Schwarm, Sportredakteur Philipp (Matthias Lier), gleich mit.

LerchenbergFoto: ZDF / Andrea Enderlein
Ein Lerchenberg der Eitelkeiten. Man sieht ihn gut – dennoch will Sascha Hehn vorne sitzen, vor Wayne Carpendale!

Sascha Hehn loggt sich ins ZDF-System ein & gelangt auf die „Giftliste“
Hehn: „Ich brauch ein Passwort.“
Frau Merzig: „Versuchen Sie’s mal mit ‚Aktenzeichen XY’.“
Hehn: „Das ist ja hochinteressant… Christoph Maria Herbst, Marianne und Michael, Thomas Gottschalk, Heinz Erhardt – Heinz Erhardt?!“
Frau Merzig: „Na, wer einmal drauf ist, kommt so schnell nicht herunter.“

Leider startet die Serie nur mit dürfigen vier Folgen. Die erste, „Das Wunder“, beginnt mit einem 80er-Jahre-Zusammenschnitt der peinlichsten Hehn-Posen. Dazu das herzhafte Lachen der Redakteurin. Der Schwiegermutterschwarm hat sich beworben auf eine Rolle in ihrem Herzensprojekt. Das Lachen wird ihr schnell vergehen. Sie verliert IHR Projekt und muss sich dafür um das Comeback dieses eitlen Fatzkes kümmern. Ein köstliches Pingpong zwischen Aversion und Sympathie beginnt. In der zweiten Folge, „Ein Fall für zwei“, werden Sascha Hehn und Wayne Carpendale als Nachfolger von Matula & Co auf ihre Krimitauglichkeit getestet. Doch die Probeaufnahmen sind für die Katz – der oberste ZDF-Serien-Redakteur lehnt Sascha Hehn aufs Entschiedenste ab. Jener heute allmächtige Berthold Bode war zu „Schwarzwaldklinik“-Zeiten Laufbursche beim ZDF und hat die Allüren des Stars nur noch allzu gut in Erinnerung: hat Hehn ihm tatsächlich die Freundin ausgespannt und etwas mit Bodes Mutter gehabt?  Diese Folge spielt äußerst süffisant mit dem Image des Serien-Stars, der erst nach „Lerchenberg“ zum „Traumschiff“-Kapitän berufen wurde. Ironie und ein leiser Sarkasmus liegen auf den entspannt wirkenden Szenen, die nicht laut auf Pointe inszeniert und geschnitten sind. Das hat nicht das Tempo und den eruptiven Witz von „30 Rock“, der preisgekrönten US-Serie von und mit Tina Fey aus dem Innenleben einer fiktiven TV-Show – hier ist Dauerschmunzeln die adäquate Reaktion. Dauerschmunzeln beispielsweise über jene „Giftliste“, auf der die Namen der Leute stehen, die nicht mehr fürs ZDF arbeiten sollen. Der Sender hat sich natürlich sofort dazu geäußert: so eine Liste gebe es nicht. Ist auch egal. Köstlich die Szene, in der Sascha Hehn mit diebischer Freude diese Liste manipuliert: „Ich will mich nur eben bei ein paar netten Kollegen revanchieren…“ (Text-Stand: 28.2.2013)

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Mehr Informationen

tittelbach.tv ist mir was wert

Mit Ihrem Beitrag sorgen Sie dafür, dass tittelbach.tv kostenfrei bleibt!

Kaufen bei

und tittelbach.tv unterstützen!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Serie & Mehrteiler

ZDF

Mit Sascha Hehn, Eva Löbau, Cornelia Gröschel, Matthias Lier, Karin Giegerich, Anke Sevenich, Wayne Carpendale, Stephan Kampwirth

Kamera: Jenny Bräuer

Musik: Matthias Mania

Produktionsfirma: lüthje schneider hörl Film

Drehbuch: Vivien Hoppe, Maren Lüthje, Florian Schneider, Felix Binder

Regie: Felix Binder

Quote: 1. Folge: 1,5 Mio. Zuschauer (6,7% MA); 2. Folge: 1,09 Mio. (5,7% MA)

EA: 30.03.2013 23:15 Uhr | ZDFneo

Spenden über:

IBAN: DE59 3804 0007 0129 9403 00
BIC: COBADEFFXXX

Kontoinhaber: Rainer Tittelbach