Lena Fauch – Gefährliches Schweigen

Ferres, Held, Assenza, Stöckle, Johannes Fabrick. Solide Seelenkrimi-Unterhaltung

Foto: ZDF / Bernd Schuller
Foto Rainer Tittelbach

Zweiter Fall für Veronica Ferres‘ Polizeiseelsorgerin Lena Fauch im ZDF. „Gefährliches Schweigen“ thematisiert das große Dilemma einer Gottesfrau im kriminellen Sündenpfuhl: Sie darf nicht ermitteln, sie darf aber auch nicht um polizeiliche Hilfe bitten, weil sie dann ihre Schweigepflicht verletzten würde. Trotz Regisseur Johannes Fabrick gilt: Lass die Bibel und die bedeutungsvolle Blässe der Titelfigur sprechen. Nichts gegen Ferres – aber mit einem weniger durch bekannte Filmrollen belegten Gesicht wäre mehr möglich gewesen.

Die evangelische Pastorin Lena Fauch folgt dem Ruf ans Münchner Kriminalpräsidium. Als Polizeiseelsorgerin soll sie sich um verletzte, tief gekränkte Seelen kümmern. In den Reihen der Kollegen wird sie rasch fündig. Da ist Gregor Hoffmann, ein ständig übergriffiger Polizeibeamter, der auch Fauch unverschämt auflaufen lässt und rüde bedroht. Und da ist Kriminalhauptkommissar Christian Fenn, ein bekennender Christ und praktizierender Moralapostel, der seinen Intimfeind Hoffmann am liebsten suspendieren würde und sich von der Seelsorgerin Unterstützung erhofft. Doch die hat ihren eigenen Kopf und außerdem ist ihr dieser fromme Fenn etwas zu alttestamentarisch ausgerichtet. Nachdem er seine Frau zum Teufel gejagt hat, konzentriert er sich ganz darauf, seiner Tochter „Rechtschaffenheit“ und „Anstand“ einzubläuen. Doch jene Muriel lebt längst nicht mehr das Leben einer braven Studentin, das sie ihrem Vater vorspielt. Lena Fauch weiß bald mehr über das Mädchen als ihr lieb ist – aber sie muss schweigen. Und dann ist Muriels Ex-Freund plötzlich tot.

„Gefährliches Schweigen“ ist die zweite Episode der losen ZDF-Reihe um Polizeiseelsorgerin Lena Fauch. Stärker als im knalligen Auftaktfilm steht hier die seelsorgerische Tätigkeit der Titelfigur im Mittelpunkt. Die Frau Gottes darf nicht ermitteln, sie darf aber auch nicht um polizeiliche Hilfe bitten, weil sie dann ihre Schweigepflicht verletzten würde. Autorin Britta Stöckle bekommt das grundsätzliche Dilemma dieses Umstands dramaturgisch recht gut in den Griff. Fauch muss eben ein bisschen warten, bis die zum Handeln legitimierten Kollegen auch soweit sind – derweil geht sie in sich, fragt ihren väterlichen Freund und Vorgänger um Rat oder lässt sich von ihrem Chef zum Abendessen ausführen. Auch gegenüber dem Zuschauer hat sie offenbar eine Art Schweigepflicht: als sie unerlaubt in einer Szene den Tatort besichtigt, sieht und erahnt sie mehr als der Zuschauer – die Infos werden erst später nachgereicht. Ein dramaturgischer, aber kein schlechter Trick: das Spannungsniveau und besonders der Neugierpegel, das Interesse an der Auflösung, bleiben ziemlich hoch.

Lena Fauch – Gefährliches SchweigenFoto: ZDF / Bernd Schuller
„Entschuldigen Sie sich!“ Der gläubige Fenn faucht. Norman Hacker, Markus Boysen und Alexander Held in „Lena Fauch – Gefährliches Schweigen“

Das, was einem der Film an „beispielhafter Wertevermittlung“, wie ZDF-Redakteur Daniel Blum es nennt, mitgeben will, kommt mitunter etwas zu offensichtlich ins Spiel. „Hören Sie auf zu hassen – das vergiftet Ihr Herz“, ein solcher Satz fügt sich noch bruchlos in den Handlungsfluss. Zwei, drei Mal kommt es hingegen zu regelrechten neu- versus alttestamentarischen Wortduellen zwischen Seelsorgerin und Kommissar. Was uns dieser Film moralisch „vermitteln“ möchte, macht die Handlung schon deutlich genug, dass man diese Erkenntnis nicht noch mit Bibelsentenzen untermauern müsste. Und obwohl Grimme-Preisträger Johannes Fabrick („Der letzte schöne Tag“) nicht nur Charaktere liebt, sondern auch ein feinsinniger Stimmungs- und Bilderregisseur ist, vermisst man die religiöse Ikonografie und philosophische Handschrift in der Inszenierung, wie sie beispielsweise Matti Geschonneck in Friedrich Anis Polonius-Fischer-Verfilmungen über den Plot legte.

Lass die Bibel (statt Bilder) sprechen: so ein bisschen bekommt man diesen Eindruck bei „Lena Fauch – Gefährliches Schweigen“. Und wenn doch Bild, dann wird es vor allem von Veronica Ferres beherrscht und ihre ständig auf ernst und angestrengt gepolte Mimik. Dieser protestantische Gesichtsausdruck, die verhaltene Anspannung, mag realistisch sein für eine Pastorin, die vor einem Jahr ihren Ehemann im Polizeieinsatz verloren hat. Allerdings ist die  bedeutungsvolle Blässe (vielleicht liegt es auch am Fall, der kaum etwas anderes als Trauermienen zulässt) auf Dauer doch ein wenig ermüdend. So gilt auch für diesen Film, was für immer mehr seriell erzählte 90-Minüter gilt: 60 Minuten hätten es auch getan.

Wie Ferres ihre Lena Fauch spielt, das hat viel auch mit der Rolle zu tun. Dennoch wäre mit einer frischeren Schauspielerin, einem weniger mit bekannten Film(roll)en belegten Gesicht, sehr viel Spannenderes, Überraschendes möglich gewesen. Da hätte man als Zuschauer vielleicht mehr entdecken können in dieser Geschichte um fehlende Barmherzigkeit und den Leidensdruck der hohen Erwartungen. So ist von vornherein die Tonlage vorgegeben: Betroffenheitsgestus mit empathischer Unerschrockenheit. Das ist solide Seelenkrimi-Unterhaltung, deren Botschaft allenfalls offene Türen einrennt. (Text-Stand: 13.9.2013)

tittelbach.tv ist mir was wert

Mit Ihrem Beitrag sorgen Sie dafür, dass tittelbach.tv kostenfrei bleibt!

Kaufen bei

und tittelbach.tv unterstützen!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Reihe

ZDF

Mit Veronica Ferres, Alexander Held, Xenia Assenza, Claudia Geisler, Norman Hacker, Markus Boysen, Jörg Gudzuhn, Nicholas Reinke

Kamera: Helmut Pirnat

Szenenbild: Thilo Mengler

Schnitt: Sandy Safeels

Produktionsfirma: Hager Moss Film

Drehbuch: Britta Stöckle, Johannes Fabrick

Regie: Johannes Fabrick

Quote: 5,21 Mio. Zuschauer (16% MA)

EA: 21.10.2013 20:15 Uhr | ZDF

Spenden über:

IBAN: DE59 3804 0007 0129 9403 00
BIC: COBADEFFXXX

Kontoinhaber: Rainer Tittelbach