Bei einem Überfall auf einen Supermarkt wird ein Polizeibeamter erschossen. Seine Kollegin hatte den Täter bereits gestellt, konnte sich jedoch nicht zum Gebrauch der Waffe durchringen, bevor der maskierte Räuber eine Verkäuferin als Geisel nahm und schließlich den Polizisten auf der Flucht tödlich traf. Lena Fauch wird an den Tatort gerufen, ist aber am dritten Todestag ihres Mannes, der selbst Polizist war und im Dienst erschossen wurde, überfordert. Der Dienststellenleiter bittet Fauch, ihn zur Familie des getöteten Polizisten zu begleiten, um die Todesnachricht zu überbringen, doch vor der Haustür nimmt sie Reißaus.
Im vierten Fall der ZDF-Reihe wird die persönliche (Vor-)Geschichte der evangelischen Polizei-Seelsorgerin stärker als bisher mit dem aktuellen Krimi-Fall verwoben. Lena Fauch, die den „finalen Rettungsschuss“ ablehnt, wird angefeindet, zweifelt an ihrer beruflichen Aufgabe, ist oft erschöpft und auch mal zornig, weil man ihr die Wahrheit über den Tod ihres Mannes verschwiegen hat. Sie sucht wieder Rat und Trost bei ihrem väterlichen Freund Bader (Jörg Gudzuhn) und lässt ein wenig Zärtlichkeit mit Robert (Magnus Krepper) zu, einem Ex-Kollegen ihres Mannes. Eine Figur also, die differenziert und reich an Emotionen ist – und bei der Hauptdarstellerin Veronica Ferres sichtlich an ihre Grenzen stößt. Als strenge, kontrollierte Protestantin bewegt sich Ferres einigermaßen sicher. Alles darüber hinaus wird schwierig und vermag die Schauspielerin nur selten mit Leben zu füllen. Sätze wie „So ein mieser Lügner; ich kann das alles nicht glauben“ wirken wie aufgesagt. Bedenkt man, dass Lena Fauch Dreh- und Angelpunkt des Films ist, ist dies kein Randaspekt.
Foto: ZDF / Barbara Bauriedl
Autor und Regisseur Martin Weinhart wirft in seinem Drehbuch die grundsätzlich spannende Frage nach der Alltagstauglichkeit christlicher Gebote auf. Was bedeutet das fünfte Gebot „Du sollst nicht töten“ für einen Polizisten in einer extremen Situation? Wie kann man seinen eigenen Prinzipien unter besonderem Druck gerecht werden? Neben der Aufklärung des Verbrechens geht es also um ethische Dimensionen, steht die Frage im Vordergrund, welche innere Haltung die Protagonisten einnehmen. Dafür steht auch eine Neben-Episode: Ein junger Polizist gerät in einen Gewissenskonflikt, weil er Zeuge einer Misshandlung durch seinen Vorgesetzten wurde. Wenn er ihn anzeigt, riskiert er womöglich die Karriere in seinem „Traumberuf“. Wenn er ihn nicht anzeigt, hat er seine Prinzipien gleich zu Beginn verraten.
Unter Druck gerät auch die Titelfigur in der zentralen Frage des Films: Lena Fauch steht mit der Ablehnung des gezielten Todesschusses ganz allein da. In einem Dialog zwischen Fauch und Bader werden unterschiedliche theologische Positionen formuliert, aber auf pastorale Floskeln hat Weinhart hier weitgehend verzichtet. Ohnehin ist Lena Fauch aufgrund der eigenen Probleme alles andere als die jederzeit zuverlässig funktionierende Seelsorgerin. Mit Melanie Knapp, der Mutter der weiblichen Geisel, hat sich der Autor und Regisseur außerdem eine Figur ausgedacht, die ein reizvolles Zusammenspiel der beiden Frauenfiguren ermöglicht. Knapp entwickelt ein besonderes Gespür für Lena Fauchs Einsamkeit – auch weil sie dieses Gefühl teilt und sich nach Freundschaft sehnt, wie sich im Verlauf des Films herausstellen wird. Bettina Mittendorfer („Eine ganz heiße Nummer“) spielt diese Rolle mit Bravour.
Ungeachtet des ungewöhnlichen Ansatzes bewegt sich Weinhart auf den ausgetretenen Pfaden eines konventionellen Fernsehkrimis. Mit allen Vor- und Nachteilen. So ist es durchaus spannungsfördernd, dass die Seelsorgerin den Ermittlern aufgrund der „Beichte“ einer Protagonistin eine Weile lang einen Schritt voraus ist – und ihr Wissen aufgrund des „Zeugnisverweigerungsrechts von Geistlichen“ für sich behalten darf. Viele Figuren sind jedoch schematisch angelegt, agieren plakativ und leicht durchschaubar. Es gibt die guten und bösen Cops, den nur auf die öffentliche Wirkung bedachten Vorgesetzten, den Teenager, der aus purer Selbstverliebtheit Unheil anrichtet. Der Kriminalfall selbst ist nicht mehr als durchschnittliche Kost, die Täterfigur nahezu bedeutungslos.
Foto: ZDF / Barbara Bauriedl
Hinzu kommen Ungereimtheiten: Man fragt sich gleich zu Beginn, wieso der „finale Rettungsschuss“ für die junge Polizistin Susi Maßmann (Natalia Belitski) während des Raubüberfalls die alleinige Option gewesen sein soll. Außerdem verdrängt der mit etwas Lolita-Erotik gewürzte Mutter-Tochter-Konflikt zunehmend das religiös-philosophische Thema, auch das womöglich ein Zugeständnis an gängige Krimi-Konventionen. Immerhin wird dieses Drama schön konsequent auf die Spitze getrieben, bis zum verhängnisvollen Showdown mit zwei schießwütigen Frauen und einem armen Tropf, der alles falsch machen muss, damit Lena Fauch schließlich mit anklagendem Blick (zum Glück wortlos) durch die Reihen grübelnder Polizisten gehen kann. Am Ende sieht man sie im Büro ihre Sachen packen. Sollte das das Ende der Reihe sein? Der Schaden für die Fernsehlandschaft wäre begrenzt.