Le Prince

Ursula Strauss, Passi Balende, Lisa Bierwirth. Liebe überwindet nicht alle Grenzen

Foto: ZDF / Jenny Lou Ziegel
Foto Tilmann P. Gangloff

Viele Frauen um die fünfzig haben das Gefühl, unsichtbar zu werden: weil die Männer das sexuelle Interesse an ihnen verlieren. So ergeht es auch der Hauptfigur des mit großer Behutsamkeit inszenierten Langfilmdebüts von Lisa Bierwirth: Geduldig schaut die Kamera (Jenny Lou Ziegel) dabei zu, wie Monika langsam verschwindet. Die von Ursula Strauss betont zurückhaltend verkörperte Kunsthistorikerin ist alleinstehend, ihre internationale Karriere war ihr stets wichtiger; derzeit ist sie Kuratorin in Frankfurt. Dort verliebt sie sich eines Tages in einen kongolesischen Geschäftsmann, der auf der Suche nach Investoren für seine Diamantenmine ist. Monika wirkt wie befreit; doch das Glück ist nicht von Dauer. Sehenswert ist „Le Prince“ (ZDF / Komplizen) vor allem wegen des zentralen Duos; der französisch-kongolesische Rapper Passi Balende ist perfekter Spielpartner für Strauss.

Manchmal wähnt man sich im Ziel, nur um festzustellen: Das Rennen ist noch gar nicht vorbei; im Grunde beginnt es sogar erst. Mit dieser Situation konfrontiert Lisa Bierwirth die weibliche Hauptfigur ihres Spielfilmdebüts, zu dessen Handlung sie durch die Geschichte ihrer Mutter inspiriert worden ist: Monika (Ursula Strauss) ist Mitte bis Ende vierzig und damit in einem Alter, in dem viele Frauen darüber klagen, unsichtbar zu werden; auch sie hat dieses Phänomen bereits verspürt. Eine Familie hat die Kunsthistorikerin nie gegründet, ihre internationale Karriere war ihr stets wichtiger. Derzeit ist sie Kuratorin der Kunsthalle Frankfurt. Als sie erfährt, dass ihr Chef (Alex Brendemühl) das Haus verlassen wird, ist sie erst mal schockiert, weil eine neue Leitung erfahrungsgemäß auch auf neues Personal setzt, aber dann bewirbt sie sich kurzerhand selbst um die Nachfolge. Ihre Aussichten sind gar nicht schlecht, zumal sie fester Bestandteil der Frankfurter Kulturschickeria ist. Auch privat eröffnet sich ein unerwartetes Glück: Durch Zufall lernt sie Joseph (Passi Balende) kennen; der kongolesische Geschäftsmann ist auf der Suche nach Investoren für seine Diamantenmine. Monika wirkt wie befreit, sie scheint die Zügel ihres Lebens im Griff wieder zu haben; doch das Hoch ist nicht von Dauer.

Bierwirth hat ihren ersten Langfilm mit großer Behutsamkeit und Bedacht inszeniert. Geduldig schaut die Kamera (Jenny Lou Ziegel) dabei zu, wie Monika langsam verschwindet. Die Österreicherin Ursula Strauss hat in vielen Komödien Frauen voller Energie verkörpert; hier hält sie sich betont zurück. Die leidenschaftliche Liaison mit Joseph lässt die Kuratorin die ganze Oberflächlichkeit des intellektuellen Smalltalks erkennen. Die Beziehung wird jedoch immer wieder getrübt, weil Joseph keine gültigen Papiere hat. Lange bleibt zudem offen, ob er tatsächlich potenziell schwerreich oder bloß ein ganz gewöhnlicher Krimineller ist; einige der Männer, mit denen er sich umgibt, machen einen recht zwielichtigen Eindruck.

Le PrinceFoto: ZDF / Jenny Lou Ziegel
In der Frankfurter Kulturschickeria fühlt sich die Kuratorin Monika (Ursula Strauss) immer weniger zu Hause. Alex Brendemühl, Hanns Zischler und Tatjana Pasztor

Aber das ist ohnehin nur die Fassade der Geschichte. Im Grunde behandelt das Drehbuch, das die Regisseurin gemeinsam mit Hannes Held geschrieben hat, eine ganz andere Frage: Ist eine Beziehung zwischen einer deutschen Frau und einem schwarzafrikanischen Mann angesichts all’ der historischen und kulturellen Unterschiede überhaupt möglich? Kann ihre Liebe die postkolonialen Strukturen überwinden? Bierwirth gesteht, dass sie die Ehe ihrer Mutter, die mit einem Kongolesen verheiratet war, anfangs misstrauisch beobachtet hat. Die Filmhandlung hat zwar überhaupt nichts mit dieser Ehe zu tun, aber einige Erfahrungen sind laut Bierwirth eingeflossen, darunter die Erkenntnis, welche Kraft und Mut es braucht, um eine Liebe zu leben, der keine Chance eingeräumt wird.

Tatsächlich entwickelt sich zwischen Monika und Joseph bald ein Gefälle. Anfangs füllt er in ihrem Leben eine Lücke, deren Ausmaß ihr womöglich erst durch ihn bewusst wird. Sie wiederum wird für ihn zum Wegweiser im Behördendschungel, zumal er kein Deutsch spricht. Als er vorübergehend im Gefängnis landet, zahlt sie die Kaution und nimmt ihn bei sich auf. Plötzlich befindet sich der stolze Kongolese in einer eindeutigen Abhängigkeit; das gefällt ihm gar nicht. Sein Vater, sagt er im Verlauf einer der sich nun häufenden Auseinandersetzungen, sei kolonialisiert worden, er jedoch nicht, und deshalb erwartet er Respekt.

Eindeutige Hauptfigur des Films ist zwar Monika, aber Bierwirth wechselt zwischendurch einige Male die Perspektive, um den allgegenwärtigen Rassismus zu schildern, die Angst bei Personenkontrollen und generell die Schwierigkeit, als Asylsuchender in Deutschland Fuß zu fassen. Das erzählt „Le Prince“ allerdings eher beiläufig und zu Beginn sogar komisch, als sich Joseph im Hinterhof einer Bar vor der Polizei versteckt und Monika zu seiner unfreiwilligen Komplizin wird. Diese Ebene bleibt zwar präsent, aber die Handlung konzentriert sich mehr und mehr auf den inneren Druck der Beziehung. Joseph ist ohnehin weit mehr als bloß ein Stellvertreter aller Schwarzafrikaner. Als Monikas Kulturfreunde ihn vom Gespräch ausschließen, indem sie sich auf Deutsch unterhalten, wirkt er nicht etwa verärgert, sondern wie ein Mann, der die Kunsthalle kaufen könnte, wenn er wollte; seine Freunde begrüßen ihn gern als „Le Prince“. Der französisch-kongolesische Rapper Passi Balende ist eine ausgezeichnete Besetzung für diese Rolle und ein perfekter Spielpartner für Strauss. Schade nur, dass Bierwirth und Held kein richtiges Ende eingefallen ist.

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Kinofilm

ZDF

Mit Ursula Strauss, Passi Balende, Nsumbo Tango Samuel, Victoria Trauttmansdorff, Alex Brendemühl, Douglas Gordon, Hanns Zischler

Kamera: Jenny Lou Ziegel

Szenenbild: Marie-Luise Balzer

Kostüm: Sandra Ernst

Schnitt: Bettina Böhler

Redaktion: Claudia Tronnier, Christian Cloos (Das Kleine Fernsehspiel)

Produktionsfirma: Komplizen Film

Produktion: Jonas Dornbach, Janine Jackowski, Maren Ade

Drehbuch: Hannes Held, Lisa Bierwirth

Regie: Lisa Bierwirth

EA: 04.08.2023 10:00 Uhr | ZDF-Mediathek

weitere EA: 16.08.2023 23:15 Uhr | ZDF

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