Wie man einen Film ohne Männer drehen kann, machte einst George Cukor mit seinem momumentalen Kammerspiel „Frauen“ vor. Ein halbes Jahrhundert später verzichtet auch der Ästhet unter den deutschsprachigen Fernsehregisseuren, Xaver Schwarzenberger, einst Kameramann bei Fassbinder, weitgehend auf Mannsbilder. Zwölf Frauen lassen er und seine Frau, die Autorin und Cutterin Ulli Schwarzenberger, für ihren Film „Lamorte“ (Kunstwort aus L’amour & Mort = Liebe & Tod) in einem Berghotel zusammenkommen. Was als vergnügliches Klassentreffen, 30 Jahre nach dem Abitur, gedacht war, entwickelt sich zu einer Begegnung mit den eigenen Sehnsüchten, mit Hoffnungen und (Todes-)Ängsten.
Und da kommen sie nun: die reife Motorradbiene mit Alkoholproblemen, die konkursgeplagte Zynikerin, die bleiche Konzernpräsidentin, das zur unterwürfigen Matrone mutierte süße Mädel von einst oder das betuliche Hausmütterchen mit kleinem Hirn und großem Herz. 12 Frauen um die 50, mehr oder weniger verbiestert, erschöpft, missgünstig. Eben wie früher: dieselben Eifersüchteleien und Streitigkeiten. Wo Männer sich prügeln, gebrauchen Frauen ihr Mundwerk. „Arrogante Gans“ tuschelt die eine über die andere – „und geliftet“, ergänzt die Dritte. Die angespannte Stimmung steigt. Höhepunkt ist die abendliche Beichte der Initiatorin des Treffens: sie werde bald sterben, sagt sie – und sie hat noch eine Bitte…
Zwischen „Frauen“ und „Lamorte“ liegen die 70er Jahre – die weibliche Emanzipation. Die Männer sind nicht mehr Gesprächsthema Nummer 1, dafür reicht der Friseur als Therapeut schon längst nicht mehr. „Ich finde es schon gut, dass dieses Klischee von der Powerfrau mit 50 langsam in die Köpfe dringt, denn bis jetzt war die Frau über 50 Abfall, Matrone. Gut, dass einer Frau ab 50 Sexualität zugebilligt wird“, betont Dolores Schmidinger, Kabarettistin und „Josefstadt“-Ensemblemitglied. „Und ich find‘ es schön“, so das Enfant terrible der Wiener Szene, „dass auch immer mehr Männer ihre Schwierigkeit mit ihrer Midlife Crisis haben.“
Foto: BR / Teamfilm / Brandenstein
Wirklichkeit und Fiktion durchdringen sich in Schwarzenbergers Film. Die verhandelten Ängste sind schlechthin die Ängste der Frauen um die 50. Auf die Idee kam Ulli Schwarzenberger durch ihr eigenes Klassentreffen. „Ich war davon beeindruckt, dass keine angegeben hat. Denen es schlecht ging, die haben das genauso freimütig erzählt, wie andere, die das große Los gezogen haben.“ Das filmische Klassentreffen wurde zu einer Art Klassentreffen einer österreichischen Schauspielerinnen-Generation: Nicole Heesters, Gertraud Jesserer, Senta Berger, Christiane Hörbiger. „Frauen, mit denen ich in Wien angefangen habe, die ich aber zum Teil sehr lange nicht gesehen habe“, erinnert sich Senta Berger.
In einigen Rollen mag Biographisches versteckt sein, in anderen werden Images eher auf den Kopf gestellt. Gertraud Jesserer, Witwe von Peter Vogel („Kottan“), ihr Sohn war Fotoreporter und wurde erschossen, hat mental mit ihrer Fritzi schon einiges gemeinsam: aufopferungsvoll, bescheiden, kein Glamour. Besonders attraktiv dagegen: Senta Berger. „Susa, das bin nicht ich“, ist ihr wichtig, „aber ihre Erfahrung kann ich gut nachvollziehen. Die Rolle deckt sich mit meiner Vorstellungskraft.“ Und die erklärte Feministin Schmidinger („Marilyn Monroe wäre heute zu dick“) mimt ausgerechnet das Muttchen mit fünf Kindern. „Lamorte“, das ist midlife-krisengeschüttelte Larmoyanz, die der verschütteten Menschlichkeit Platz macht, und zugleich ein altmodischer Film von erlesener Eleganz. (Text-Stand: 1997)