Laim und die Zeichen des Todes

Max Simonischek, Lavinia Wilson, Gisela Schneeberger. Mit Gefühlen zurückhaltend

Foto: ZDF / Micha Marhoffer
Foto Tilmann P. Gangloff

Fünf Jahre nach „Die Tote ohne Alibi“ zeigt das ZDF einen weiteren Krimi mit Max Simonischek als Münchener Kommissar Lukas Laim, einem dunklen Ritter, der in jeder Hinsicht über den Dingen steht. Die Hauptfigur ist auch heute noch cool, aber die kühle Ästhetik, damals etwas Besonders, fällt mittlerweile kaum aus dem Rahmen. Für einen Krimi ist der Film außerdem nicht spannend genug, aber die ungewöhnliche Geschichte über scheinbar jüdische Vergeltung für erlittenes Unrecht im „Dritten Reich“ ist auch auf einer philosophisch-moralischen Ebene interessant, und die Besetzung veredelt das Ganze.

Das ist selbst für öffentlich-rechtliche Verhältnisse eine lange Zeit: 2011 hat das ZDF den ersten Krimi mit Max Simonischek als Lukas Laim gedreht („Die Tote ohne Alibi“). Der Sohn von Peter Simonischek und Charlotte Schwab war kurz zuvor als Hauptdarsteller des RTL-Zweiteilers „Hindenburg“ bekannt geworden und machte als dunkler Ritter, der in einem cool gefilmten München ermittelte, Lust auf mehr. Trotzdem sind nach der Ausstrahlung fünf Jahre bis zum zweiten Auftritt dieses ausgesprochen lässigen Ermittlers vergangen. Damals war die kühle Ästhetik, mit der Regisseur Michael Schneider und Kameramann Andreas Zickgraf die Geschichte erzählt haben, fürs ZDF noch ziemlich ungewöhnlich; heute fällt dieser Stil kaum noch aus dem Rahmen. Zu Laim passt sie aber nach wie vor ausgesprochen gut, selbst wenn die Figur nicht mehr so konsequent als einsamer Großstadtwolf inszeniert wird. Da sich Simonischek im Fernsehen rar macht, ist diese Haltung dennoch mehr als bloß eine Attitüde, zumal den Kommissar ohnehin eine düstere Aura umgibt: Dieser eher wortkarge Mann, zudem ein Hüne, steht in vielerlei Hinsicht über den Dingen.

Umso reizvoller ist die Idee, Laim persönlich in den zweiten Fall hineinzuziehen (das Buch stammt diesmal von Lisa van Brakel und Jörg von Schlebrügge). Die Geschichte ist ohnehin hochinteressant, denn sie beleuchtet ein Kapitel, mit dem sich gerade der unterhaltende Fernsehfilm bislang noch wenig befasst hat: Es geht um Immobilien und andere Güter, die den Juden in der Zeit des Nationalsozialismus gestohlen oder für einen Spottpreis abgekauft wurden. Untrennbar damit verbunden ist ein zweites Thema, das der Film zwar eher im Hintergrund behandelt, das aber an der Schnittstelle von Historie, Psychologie, Moral überaus faszinierend ist: Wie leben die jeweiligen Enkelgenerationen mit dem Erbe ihrer Vorfahren? Fühlen die einen so etwas wie eine vererbte Mitschuld? Betrachten sich die anderen als Opfer? Und lässt sich Unrecht mit Unrecht vergelten und solchermaßen in Recht verwandeln?

Laim und die Zeichen des TodesFoto: ZDF / Micha Marhoffer
Lukas‘ extravaganter Mutter Marlene Laim (Gisela Schneeberger) hat in alten Alben das Foto gefunden, das ihr Sohn (Max Simonischek) auch schon im Rahmen der Ermittlungen betrachtet hat. Kommt er der Lösung des Falls dadurch näher?

Clever sorgt das Drehbuch dafür, dass diese Fragen nicht nur für die Ermittlungen, sondern auch für die Ermittler eine Rolle spielen: Großvater Laim, ein Spediteur, hat als guter Freund Heinrich Himmlers sein Vermögen mit fragwürdigen Transporten aus dem Dachauer Konzentrationslager verdient. Laims neue Kollegin Fischer (Lavinia Wilson) wiederum ist Jüdin, mehrere Mitglieder ihrer Familie sind in Dachau gestorben. Als ein betuchter Grünwalder Notar ermordet wird und sich auf seiner Brust in blutroter Farbe die hebräischen Zeichen für Vergeltung finden, ahnt Laim noch nicht, dass ihn dieser Fall auch persönlich betrifft: Seine Mutter (Schneeberger) hat einen mit den gleichen Zeichen unterschriebenen Brief bekommen. Wenn sie nicht 80.000 Euro zahlt, machen die Erpresser publik, was sich ihr Vater während des „Dritten Reich“ hat zuschulden kommen lassen. Es sind noch weitere Briefe dieser Art verschickt worden – und dann erhält auch Laim eine Drohung.

Worin die Hauptschuld besteht, zeigt der 1938 spielende Prolog des Films: Vier Männer treffen sich mit einem fünften in einer Berghütte, um einen Vertrag zu besiegeln. Zum Schluss wird noch ein Foto gemacht, dann eilt der fünfte davon – und wird hinterrücks erschossen. Natürlich taucht das Gruppenbild in der Gegenwart immer wieder auf, und auch andere Aufnahmen spielen eine große Rolle; auf diese Weise gelingt es dem Film geschickt, Gegenwart und Vergangenheit miteinander zu verknüpfen. Bei einer weiteren Erzählebenen hat das nicht ganz so reibungslos funktioniert: Das erste Opfer war Mäzen eines Museums für jüdische Kunst, dessen Leiterin (Bibiana Beglau) in einem Zwiespalt steckt, als sich rausstellt, dass an dem gespendeten Geld gewissermaßen das Blut ihres Volkes klebt. Interessanter und mit ungleich konkreterem Bezug zu den Ereignissen sind die Auftritte von Fritz Karl als charismatischer Historiker Kammeyer, dessen Ausführungen über die Untaten der Nationalsozialisten mitreißende Geschichtsstunden sind; eine Saat, die offenbar bei einigen seiner Studenten (u.a. Morgane Ferru, ein interessantes neues Gesicht) tödliche Früchte trägt.

Laim und die Zeichen des TodesFoto: ZDF / Micha Marhoffer
Eine Besetzung, die sich sehen lassen kann. Johanna Fischer (Lavinia Wilson) und Lukas Laim (Max Simonischek), beide ein Paar, befragen Lea Adler (Bibiana Beglau), die Leiterin des Museums für jüdische Kunst, über ihre Zusammenarbeit mit dem Toten.

Obwohl „Laim und die Zeichen des Todes“ alles mitbringt, um ähnlich zu fesseln wie Kammeyers Vorlesungen, fehlt dem Film eine gewisse Emotionalität, was nicht zuletzt an Simonischeks bewusst distanziertem Spiel liegt. Die Kombination mit Lavinia Wilson ist zwar reizvoll, aber Wilsons Rolle ist zu klein, um Laims Defizite auszugleichen. Vermutlich ist das der Grund, warum Gerhard Wittmann als Dritter im Ermittlerbund etwas mehr ins Zentrum gerückt ist; seine gelegentlichen Humoresken sind eine willkommene Abwechslung. Ansonsten ist die Optik elegant, und die elektronische Musik (erneut Dirk Leupolz)  passt perfekt zum coolen Duktus des Films, und diesmal werden wohl nicht erneut fünf Jahre bis zur nächsten Episode vergehen. Das ZDF begründet die lange Pause mit der Theaterarbeit des Hauptdarstellers; das Drehbuch für Laims dritten Fall wird derzeit entwickelt.

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Reihe

ZDF

Mit Max Simonischek, Lavinia Wilson, Gisela Schneeberger, Gerhard Wittmann, Golo Euler, Fritz Karl, Bibiana Beglau, Katharina Müller-Elmau, Morgane Ferru, Rick Okon

Kamera: Andreas Zickgraf

Szenenbild: Anke Osterloh

Kostüm: Stephanie Fürst

Schnitt: Jörg Kroschel

Musik: Dirk Leupolz

Soundtrack: Foo Fighters („Something From Nothing“), Thom Yorke („Cymbal Rush“)

Produktionsfirma: Network Movie

Produktion: Wolfgang Cimera, Bettina Wente

Drehbuch: Lisa van Brakel, Jörg von Schlebrügge

Regie: Michael Schneider

Quote: 5,24 Mio. Zuschauer (16,7% MA)

EA: 03.04.2017 20:15 Uhr | ZDF

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