Am 22. Juni 1974 um 21 Uhr 03 fiel ein Schuss, der die Bundesrepublik erschütterte. Es war das kleine Wunder von Hamburg, als Jürgen Sparwasser das einzige deutsch-deutsche Fußballländerspiel in der 78. Minute für den großen Außenseiter entschied. Der Westen war düpiert, der Osten feierte, das Politbüro feixte und der Torschütze wurde zum Helden. In dem Sat-1-Movie „Küss mich, Genosse!“ kommen nun die Ereignisse von damals, die in der Hoch-Zeit des Kalten Krieges mehr als nur sportliche Bedeutung hatten, in komödiantisch gewendeter Form zu neuen Ehren. Dabei hat auch Jürgen Sparwasser wieder seinen Auftritt.
Foto: Sat 1 / Aki Pfeiffer
Jenny, die davon träumt, Reporterin zu werden, hat es nur ins Geräuscharchiv eines Radiosenders geschafft. Doch sie wittert ihre Chance: Ihre eigene Geschichte könnte ihr Durchbruch sein. Gezeugt wurde Jenny in jener geschichtsträchtigen Minute 1974, noch dazu in einem Erntelager der FDJ. Das Jungvolk jubelte und ihre Eltern jauchzten vor Glückseligkeit. Es war Liebe auf den ersten Blick, was da den Spross aus hanseatisch bestem Hause und den ostdeutschen Schallplattenaufleger ereilte. Ihren Vater hat Jenny nie kennengelernt, denn er wurde beim Fluchtversuch in den Westen erschossen. Dieser Geschichte will sie nachrecherchieren. Sie besucht den Ort ihrer Zeugung, das ehemalige Ferienlager, heute ein Bolzplatz. Gerade will sie sich umschauen, da bekommt sie einen Ball voll ins Gesicht. Als sie wieder zu sich kommt, befindet sie sich am 21. Juni 1974, einen Tag vor ihrer Zeugung.
Jürgen Sparwasser ist es, der der Heldin den Knockout beschert und sie in die Vergangenheit beamt. Hier begegnet die von Mira Bartuschek sympathisch gespielte Jenny ihrem Vater, der dummerweise ein Auge auf sie geworfen hat, und ihrer Hippie-Teenager-Mutter. Die junge Frau aus dem Jahre 2007 hat es in der Hand, die Familiengeschichte neu zu schreiben. Wenn etwas schiefgehen sollte mit ihrer Zeugung, wird sie den nächsten Tag nicht überleben.
Foto: Sat 1 / Aki Pfeiffer
Eizelle West trifft Samenzelle Ost! Es stört kein bisschen, dass die clevere Konstruktion der Story vom Hollywood-80er-Jahre-Klassiker „Zurück in die Zukunft“ abgekupfert wurde. Und die Comic-Kommentare, die „Lola rennt“ oder „Berlin, Berlin“ zierten, werden durch Drittgebrauch auch nicht weniger originell. Viel wesentlicher ist: Das ironische Spiel mit den 70er-Jahre-Klassenfeind-Klischees hüben wie drüben funktioniert, das Tempo stimmt, hinzu kommen die 2006-trifft-1974-Gags und Schauspieler, die dem Affen so richtig Zucker geben.
Hauptdarstellerin Bartuschek ist die Managerin der Handlung, Jörg Schüttauf als LPG-Chef und Anja Kling als FDJ-Sekretärin sind zum Wegschmeißen komisch und Josefine Preuß zeigt ähnlich „süße“ Präsenz wie zuletzt in „Türkisch für Anfänger“. Glänzend auch Florian Martens als Stasi-Koordinator der berühmt-berüchtigten „Aktion Leder“. Er bedient die Parodie und trifft gleichsam den Ernst der politischen Lage: schließlich waren 1500 DDR-Touristen auf dem Weg zum Spiel nach Hamburg, was den DDR-Oberen Kopfschmerzen bereitete. Mit acht „Abgängen“ war die Verlustbilanz aber moderat: zu fünf Republikflüchtigen gesellten sich drei Herztote. (Text-Stand: 23.1.2007)