Der Dicke, zwei Kumpels und sehr viel Sonne
Paul Krüger (Horst Krause), der gemütliche Dicke mit den Hosenträgern, reist in Begleitung von zwei Freunden nach Griechenland. Seine Enkeltochter Annie ist hochschwanger und will ihren Freund Deniz heiraten, aber möglichst erst dann, wenn auch ihr Vater Harald dabei sein kann. Den hatte Annie bisher noch nie kennengelernt. Von Harald, einem angeblichen One-Night-Stand von Krügers Tochter Susanne (Florian Daniel), weiß man nur, dass er vor Jahren eine Taverne in Troufaki eröffnen wollte. Der Fernsehfilm „Krügers Odyssee“ wird seinem Titel insofern gerecht, da Paul, Ecki (Jörg Gudzuhn) und Bernd (Fritz Roth) viel unterwegs sind. Vom Flughafen geht es per Taxi weiter, dann auf einem kleinen Fischkutter auf die Insel Ithaka, von dort per Fähre, Mietwagen, Esel und zu Fuß zum Kloster Agios Stefanos. Manches ist für die nicht mehr ganz taufrischen Reisenden beschwerlich, aber das harmlose Road-Movie abenteuerlich zu nennen, wäre doch arg übertrieben. Der Film liefert mitten im Winter herbstlich-sonnige Bilder von der Landschaft und malerischen Küstenorten, von Meer und Strand & einem klaren Sternenhimmel. Dazu klimpert eine Musik, die man vom Griechen auf der Ecke zu kennen glaubt. Wenn’s denn dem Tourismus im gebeutelten Land hilft.
Foto: Degeto / Stephanie Kulbach
Die Krise in Griechenland im Wohlfühl-Modus
Unterwegs bis zum vorhersehbaren Ende werden nicht nur Attraktionen, sondern auch allerlei Klischees abgeklappert. Busfahrer streiken, Taxifahrer quatschen pausenlos ins Handy und verlangen saftige Rechnungen, und jeder Grieche hat irgendeinen Vetter oder Neffen, der einem wieder weiterhelfen kann. Auch wurden beim Casting offenbar Griechen mit stattlichen Vollbärten bevorzugt. Natürlich ist das alles nur gut gemeint, werden Gastfreundschaft und Gelassenheit als griechische Tugenden gefeiert. Die gegenwärtige Krise kommt in einer einzigen Szene zur Sprache, vielleicht weil jemand dachte, das müsse man auch irgendwie unterbringen. Das hätte man besser gelassen, denn so erweist sich die Wohlfühl-Masche erst recht als verlogen: Leider hätten ihre Kinder und Enkelkinder fortgehen müssen, weil es hier keine Arbeit gebe, sagt der ältere Grieche, der früher mal in Wolfsburg arbeitete und Krüger und seine beiden Freunde zum Mittagessen eingeladen hat. Man sitzt vor einem gepflegten Steinhaus nett beisammen, von Blumen umgeben, die schöne Landschaft im Hintergrund, auf dem Tisch ein bescheidenes, appetitliches Essen. „Das Leben ist hier viel besser als in Wolfsburg“, sagt der Gastgeber in dieser Postkarten-Kulisse. Und die Kinder kämen ja auch immer wieder gerne nach Hause. Glücklich drückt er seine Frau, die das Essen auf-, aber sonst nichts beitragen darf. So idyllisch hat das Degeto-Fernsehen „sein“ Griechenland gern.
Die Drei sind von gestern, meinen es aber nicht böse
Wie das Berliner Trio mitsamt ihren Vorurteilen, ihrem Halbwissen und ihrer Not-Ration Bockwürstchen im Gepäck durchs Land zieht, hat immerhin einen gewissen Unterhaltungswert. Die Drei sind von gestern, meinen es aber nicht böse. Insbesondere Horst Krause, der als Paul Krüger so herrlich muffelig über Stock und Stein stiefelt und mit seinem rabiaten Berliner Charme manchen Griechen verschreckt, ist ein gewisser Trost für den doch sehr altbackenen Humor – mit Pointen wie dieser hier: Gleich zu Beginn rutscht Krüger beim Schneider immer wieder die Hose runter, weil er mit der gleichzeitigen Bedienung von Handy und Beinkleid überfordert ist. Ecki und Bernd, seine Freunde aus der Kneipe mit dem wunderbaren Namen „Am Flachbau“, sind sympathische Stammtisch-Philosophen, aber sicher keine raffinierten Sidekicks. Der stets hungrige Ecki leidet schwer unter der Fehleinschätzung, dass Griechen jede Menge Fleisch essen würden. Und Bernd hält sich für einen Sprach-Experten, weil er mal in der Schule Griechisch-Unterricht hatte. Die Griechen hätten die Säulen unserer Kultur errichtet, doziert Bernd: „Plato, Sokrates, Vicky Leandros“. Der biedere Humor scheint bewusst auf ein älteres Publikum abzuzielen.
Foto: Degeto / Stephanie Kulbach
TV-Spielfilm ist nicht so streng: „Eine Posse, der man einfach nicht böse sein kann: wunderschöne Landschafts-Bilder, einige gute Witze und einige schlechte Gags, die allerdings so schlecht sind, dass man wieder lacht.“
Frauen sind entweder Spielverderberinnen oder vollbusige Sirenen
Das bestätigt sich auch auf Ithaka, wo die Reisenden in einer Kommune von deutschen Alt-Hippies stranden, die dem Berliner „Flachbau“-Trio kulturell mindestens ebenso fremd sind wie die einheimischen Griechen. Diese Art von „culture clash“ funktioniert so leidlich, wobei die debattierfreudigen Teilzeit-Aussteiger als Figuren reine Abziehbilder bleiben. Etwas ranzig wirkt vor allem die Darstellung der Geschlechterrollen. Frauen sind entweder Spielverderberinnen, die den Männern sogar das Rauchen im Freien verbieten wollen, oder vollbusige Sirenen wie Penelope (Sabine Vitua), die sich zwischen ihren „Fühlskulpturen“ in Szene setzt und Ecki ansäuselt: „Willst du mal streicheln?“ Diese Form der Anspielung auf die griechische Mythologie und auf Penelope, Odysseus‘ Ehefrau, wirkt schon sehr abgestanden. Im Kloster Agios Stefanos steuert der Film dann aufs Finale zu. Krüger findet seinen verhinderten Schwiegersohn, den Harald Schrott mit grüblerischem Gesichtsausdruck als Sinn suchenden Mann in Mönchskutte gibt. Dieses komödiantische Roadmovie erhält – nicht überraschend für einen Degeto-Freitagsfilm – auf der Zielgerade einen melodramatischen Einschlag und endet in einer Art Rundum-Versöhnung, auch auf interkulturellem Gebiet, eingefädelt natürlich von Paul Krüger, dem knuffigen Berliner mit dem großen Herzen.
Die „Krüger“-Reihe soll nach nun zwei Filmen fortgesetzt werden
Horst Krause als Reisender, das hat durchaus Tradition, wenn man an das wunderbar musikalische Kino-Roadmovie „Schultze gets the blues“ aus dem Jahr 2003 zurückdenkt. Vor fast drei Jahren erblickte Paul Krüger im Film „Krüger aus Almanya“ das Licht der Fernsehwelt. Das ist so lange her, da fällt es nicht weiter ins Gewicht, dass Enkelin Annie und ihr Verlobter Deniz mittlerweile von anderen Darstellern (Anna Hausburg, Emre Aksizoglu) gespielt werden. Degeto-Redakteurin Barbara Süßmann sieht hier sogar „Reihen-Potenzial“: „Man setze eine an sich unbewegliche Figur in Bewegung und beobachte mit Vergnügen, wie daraus überraschende Begegnungen und neue Perspektiven entstehen. Das Ergebnis sind warme, liebevolle Komödien mit einem Quäntchen Eskapismus, denn Krüger ist ja immer mit einer Mission in Sachen Familie unterwegs“, sagt sie. Laut Produzent Jens C. Susa wird bereits an neuen Geschichten mit Horst Krause als Paul Krüger gearbeitet. Womöglich wird es also weitere Filme geben, die dann aber hoffentlich mehr „überraschende Begegnungen“ und „neue Perspektiven“ zu bieten haben. (Text-Stand: 13.12.2017)