Krüger aus Almanya

Horst Krause, Marie Gruber, Bochert. Das Happy End etwas zu zielsicher angesteuert

Foto: Degeto / Anil Cizmecioglu
Foto Thomas Gehringer

Der Berliner Paul Krüger reist nach Antalya, um die Verlobung seiner geliebten Enkelin mit einem Türken zu verhindern. Im Gepäck jede Menge Vorurteile. Vor Ort sieht dann manches anders aus. „Krüger aus Almanya“ ist eine liebenswürdige, wenn auch etwas altbackene Horst-Krause-Show. Ein Multi-Kulti-Drama mit hohem, manchmal übertrieben hohem Wohlfühl-Faktor. Und die Türkei sieht aus wie aus einem Urlaubskatalog abfotografiert.

Der Berliner Witwer Paul Krüger (Horst Krause) hat’s nicht so mit „Mohammedanern“. Seine Nachbarn sind so laut, dass er die Schlagermusik im Radio kräftig aufdrehen muss. Im Supermarkt sorgen Frauen mit überquellenden Einkaufswagen für lange Wartezeiten, und im Park grillen Großfamilien auf dem angestammten Boule-Platz. „Das sind doch alles Islamisten“, ist so ein typischer Krüger-Satz. Oder, am Grab seiner verstorbenen Gattin: „Die Deutschen sterben aus, Hildchen.“ Thilo Sarrazin und Pegida lassen grüßen. Und dann will sich Krügers Enkelin auch noch mit einem Türken verloben. Im Auftrag der Mutter, einer supertoleranten Politikerin, die sich gerade für „muslimisches Mittagessen an allen Schulen“ einsetzt, soll ihr das „der allerbeste Opi“ ausreden. Der muss dafür allerdings nach Antalya reisen. Ein Abenteuer, das er gemeinsam mit Karin (Marie Gruber) angeht, der befreundeten Wirtin seiner Stammkneipe mit dem schönen Namen „Am Flachbau“.

Dem Film, der perfekt in die „Toleranz“-Woche der ARD gepasst hätte, steht die löbliche Botschaft von Beginn an mit dicken Lettern auf die Stirn geschrieben. Vorurteile und kulturelle Differenzen werden im sonnigen Degeto-Stil überwunden, das Happy End zielsicher angesteuert. Das funktioniert, weil man mit Horst Krause einen unterhaltsamen, „besonderen“ Typen ins Rennen schickt. Eigentlich spielt Krause ja immer Krause, sei es als brandenburgischer Polizist Krause oder, wie hier, als Berliner Witwer Krüger, der einst als Ringer erfolgreich war. Er ist kein aggressiver Ausländerhasser, sondern ein schweigsamer älterer Herr mit Hosenträger, aus der Zeit gefallen, in sich ruhend, stur und misstrauisch, aber auch gutmütig. Krüger ist mit Computern und Hotel-Karten heillos überfordert, dem Hotelboy in der Türkei mag er anfangs seinen Koffer nicht anvertrauen, doch am Ende ist es natürlich der vorurteilsbeladene Krüger, der dem deutsch-türkischen Glück auf die Sprünge hilft.

Krüger aus AlmanyaFoto: Degeto / Anil Cizmecioglu
„Der will also mein Schwiegersohn werden…“ Da ist der Dicke baff. Karim Günes, Anna Unterberger, Horst Krause

Dem stoischen Krause/Krüger verdankt der Film seine besten Momente. Wie er da missmutig durch das schicke Hotel in Antalya schlurft und alles miesepetrig kommentiert, ist an sich schon komisch. Bei einem Tagesausflug fährt der Bus ohne Krüger ab, weshalb er sich nun allein zurechtfinden muss. Ein Türke, der lange in Rüsselsheim gearbeitet hat, nimmt ihn mit zu sich nach Hause. Krüger erlebt einen gastfreundlichen Abend und eine Nacht unter einem herrlichen Sternenhimmel. Nun sind seine vermeintlichen Gewissheiten über Muslime schon ins Wanken geraten. Und ein bettelnder Junge, der mit einer Steinschleuder wie David im Kampf gegen Goliath zwei Räuber vertreibt, rührt schließlich sein Herz. Es stellt sich heraus, dass der Junge ein Waise aus Syrien ist… Das ist allerdings ein bisschen viel Wohlfühl-Multikulti. Wie hier auch noch das syrische Bürgerkriegs-Drama eingearbeitet wird und sich alles in Wohlgefallen auflöst, weil der Junge in einem vorbildlichen Kinderheim unterkommt und am Ende selbst gemalte Bilder an seinen Wohltäter aus Deutschland schickt, das erscheint angesichts der realen Flüchtlingssituation arg schönfärberisch. Drehbuch und Inszenierung laufen damit selbst in die Toleranz-Falle, die sie ansonsten durch einige Nebenfiguren andeuten. Neben Krügers Tochter, der Politikerin, zählt noch ein deutsches Touristen-Paar dazu, das sich sehr bemüht, ein paar türkische Ausdrücke korrekt auszusprechen, das aber sehr ärgerlich wird, wenn es nicht alles bekommt, was bezahlt wurde. Victoria Trauttmansdorff und Gilbert von Sohlern können hier ein paar satirische Spitzen setzen.

Anderes kommt reichlich altbacken daher. Wie der Handlungsstrang um die einsame Karin, die gleich in der ersten Hotel-Nacht in den Armen eines ebenso charmanten wie reichen Russen landet, mit Geschenken überhäuft wird und am Ende doch wieder im „Flachbau“ landet. Hier kommt immerhin eine leicht tragische Note ins Spiel. Für das Melodram sorgt das junge, wie aus dem Ei gepellte Liebespaar, gespielt von Anna Unterberger und Karim Günes. Die Türkei sieht in diesem Film aus wie aus einem Tourismus-Prospekt abfotografiert. Das Verruchteste, was sich sagen lässt, ist, dass es einen schwulen Cousin und mit der „Berlin Bar“ einen homosexuellen Treffpunkt in Antalya gibt. Das Finale feiert dann aber die guten Patriarchen: Krüger und Deniz‘ Großonkel ringen, von „Familienoberhaupt zu Familienoberhaupt“, um das Glück der Liebenden. Während vor der Tür alle auf den Segen der alten Männer warten.

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Fernsehfilm

ARD Degeto

Mit Horst Krause, Marie Gruber, Anna Unterberger, Karim Günes, Pjotr Olev, Victoria Trauttmansdorff, Gilbert von Sohlern, Caspar Fischer-Ortman, Jörg Gudzuhn, Fritz Roth, Ramin Yazdani, Beyazit Gülercan

Kamera: Andreas Höfer

Szenenbild: Susanne Dieringer

Schnitt: Antonia Fenn

Produktionsfirma: Provobis

Drehbuch: Elke Rössler, Marc-Andreas Bochert

Regie: Marc-Andreas Bochert

Quote: 4,82 Mio. Zuschauer (15,3% MA); Wh. (2018): 2,51 Mio. (7,6% MA)

EA: 11.04.2015 20:15 Uhr | ARD

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