Die 20jährige Marisa ist eine sogenannte „Kameradschaftsaktivistin“. Sie haut gern drauf, wenn ihr ein Gesicht nicht deutsch genug aussieht. Und als Kassiererin im Supermarkt weigert sie sich schon mal „so was“ zu bedienen. Unter „so was“ versteht sie beispielsweise zwei junge Afghanen aus einem nahegelegenen Asylbewerberheim. Als sie das Moped der beiden nach einem ihrer Wutanfälle mit dem Auto von der Straße kickt und fortan nur noch einer der beiden in ihrem Laden auftaucht, ist ihr dann doch nicht ganz wohl zumute. Sie nimmt an, sie habe den Jungen getötet. Ihr schlechtes Gewissen lässt sie dem anderen, Asul, helfen. Der darf sich schon mal gratis mit Lebensmitteln eindecken und sie gewährt ihm auch kurzzeitig Obdach. Bedrohlich wird die Lage, als ihr eingebuchteter Glatzenfreund wieder aus dem Knast kommt. Mit „Deutschland-erwacht“-Gesängen und Parolen wie „Taten statt Worte“ stimmen er und seine Kumpels sich auf „Krieg“ ein, während sich Marisa offenbar langsam aus ihrer Neonazi-Phase verabschieden möchte und raus will aus der Gruppe.
Rechtsradikalismus ist offenbar auch „Mädelsache“, wie der Jungfilmer David Wnendt bei seinen intensiven Recherchen zu seinem Debütfilm „Kriegerin“ im Osten Deutschlands feststellen konnte. Ihn interessierten die Widersprüche, denen die jungen Frauen der rechten Szene ausgesetzt sind. „In der rechtsradikalen Ideologie werden Frauen ja kaum Entwicklungsmöglichkeiten zugestanden; ihr Platz ist zu Hause als Mutter am Herd“, so der Filmemacher, der bereits 1997 für ein Fotoprojekt durch Brandenburg und Sachsen-Anhalt tourte und irritiert war über die rechtsradikale Normalität – sprich: die Integration der Skinheads ins Dorf- und Kleinstadtleben. Bei den Recherchen zum Film, für die er sich auch bei Demos in die Reihen der Neonazis gesellte, hatte er einige Gespräche mit rechtsradikalen Frauen geführt. Eine war „ein junges, ganz sympathisches Mädchen mit Hakenkreuz-Tattoo auf der Brust“, sagt Wnendt in einem Interview. „In den Gesprächen vermittelte sich eine ungeheure Vielschichtigkeit und Widersprüchlichkeit, die ich unbedingt zeigen wollte.“
Die Liste der Preise, die „Kriegerin“ einheimste, ist lang. Zu Recht. Es ist ein intensiver, ungeschönter, unspekulativer Debütfilm, der seinem Thema schneller auf der Spur war als die Gesellschaft und der vor allem ein soziales Klima beschreibt, das Nährboden sein kann für militante Neonazi-Organisationen wie das Zwickauer Terrornetzwerk. Dass der 2010 gedrehte Film erst im Januar 2012, zwei Monate nach Auffliegen der NSU ins Kino kam, brachte dem Film zwar eine große Aufmerksamkeit, führte aber gleichzeitig dazu, dass viele Kritiker und Zuschauer den kleinen Film mit zu großen gesellschaftlichen Ansprüchen belegten. Die einen sahen „Kriegerin“ als Indiz für die Blindheit der Gesellschaft und der Staatsschutzorgane, was die rechte Gewalt angeht. Den anderen lieferte der Film zu wenig Antworten und Analyse der Ursachen. Zu wenig wurde in vielen Kritiken die individuelle Geschichte gesehen und gewürdigt, die der Film ja in erster Linie erzählt: die eines Skingirls, das dem innig geliebten Landser-Großvater zum Trotz aussteigen möchte aus dieser Welt der dumpfen Gewalt.
„Kriegerin“ ist ein vergleichsweise kleines Drama, eine Tragödie auf einem gut recherchierten Hintergrund, welcher mit seinem „Nahkampfstil“ mehr als wirkungsvolle Fassade ist. Einziges Manko: die etwas simpel konstruierte Dramaturgie. Die Läuterung ist quasi ein Muss – will man die wütende Marisa als Identifikationsfigur führen. Immer ein bisschen problematisch ist im Abbildmedium Film auch die Darstellung von Euphorie(sierung) und Gewalt. Ein Trick, solchen Szenen nicht zu viel Faszinationspotenzial für den Zuschauer mitzugeben, besteht darin, die Euphorisierten nicht zu sympathisch zu zeichnen. Wnendt gelingt das, die männlichen Neonazis betreffend – was allerdings dazu führt, dass diese Feier- und Saufgelage ein bisschen holzschnittartig geraten. Bei den beiden weiblichen Hauptfiguren bemüht sich der Filmemacher sehr viel mehr um ein differenziertes Bild. Der Heldin Marisa wird mit Svenja (stark: Jella Haase) ein jüngeres Alter Ego an die Seite gegeben. Dadurch wird die Entwicklungsgeschichte der 20jährigen Heldin quasi um ihre Pubertät erweitert… Dass man als Zuschauer/Kritiker die Dramaturgie dieses Films während des Sehens weniger hinterfragt, als man es beispielsweise bei einem Fernsehfilm tun würde – das liegt an der zupackenden Bildsprache und einer Hauptdarstellerin, über die man ob ihrer Leistung in diesem Film nicht genug schwärmen kann: „Man kann sich an Alina Levshin… nicht satt sehen. Alina Levshin ist ein Versprechen für das deutsche Kino“ (Förderpreis Deutscher Film 2011).