Ein Mord in der Bar eines Nobelhotels. Der jazzige Soul klingt noch in den Ohren, da sitzt die schwarze Sängerin der Club-Combo tot in ihrer Garderobe – erwürgt. Kreutzer kommt. Oder ist er vielleicht schon da – und fotografiert die Verdächtigen und filmt ihr Verhalten? „Die Nacht ist sein Freund“, sagt er, denn er liebt die Dämonen der Menschen, die Leidenschaften, die erwachen, wenn die braven Bürger schlafen. Seine Assistentin Belinda ist eine ganz Ausgeschlafene. Sie recherchiert fix und das ermittelnde Warm up ist ihre Passion. Sie bereitet die Bühne vor für Kreutzer – und der haut drauf. Dieser Kommissar verunsichert die Wartenden, er schikaniert gelegentlich sogar, versucht es mit Spielchen, üblen Tricks, gibt mal den guten, mal den bösen Bullen und er erkennt die wunden Punkte, die Schwächen, die Lebensthemen seiner Gegenüber. Und in nur wenigen Stunden hat er den Fall gelöst.
Kreutzer denkt laut, doch anders als seine kriminalistischen Ahnen weniger, um dem Publikum das Mörderraten zu erleichtern, sondern um zu provozieren. In gewissem Maße provoziert auch „Kreutzer kommt“. Was auf den ersten Blick wie ein Krimi-Stück aus der TV-Mottenkiste wirkt, entpuppt sich als eine aufgeklärte Ermittlungs-Performance, die mehr mit Welt-Wissen und Kommunikationsstrategie als mit realistischer Polizeiarbeit zu tun hat. Drehbuchautor Christian Jeltsch will sich nicht weniger einen Jux machen als der grandiose Christoph Maria Herbst in der Titelrolle – und zwar durch eine Ironie, die sich über die ernsthaften Situationen legt, eine Ironie, die verunsichern, irritieren kann, aber die den Krimi nicht zur Komödie machen möchte. Das Genre wird aus den Klauen der Konvention gerissen. „Kreutzer kommt“ will einem nicht weismachen, dass hier Realität verhandelt würde, auch verlässt sich die Handlung nicht auf den größten Mythos, den der deutsche Fernsehkrimi in der Post-Schimanski-Zeit hervorgebracht hat, jenen Pseudo-Fernsehrealismus, der einen einlullt mit den immergleichen Fragen („wo waren Sie gestern…?“) und Erzählmustern.
Bei diesem Spätkrimi bleibt das Spiel als Spiel erkennbar. Eine zarte Künstlichkeit liegt über der Szenerie. Der Kommissar jongliert mit den Klischees herkömmlicher Crime-Formate, so wie er (aber auch Herbst) mit Sprache, Körpersprache und Psychologie spielt. „Kreutzer kommt“ zerlegt das Genre und setzt seine Bestandteile wieder neu zusammen. Christian Jeltsch bemüht die vermeintlich altmodische Einheit von Raum, Zeit und Handlung. Er kombiniert klug, hat einen kongenialen Hauptdarsteller (klasse auch Rosalie Thomass) und mit Richard Huber einen in allen Krimi-Varianten, von „Tatort“ bis „Dr. Psycho“, erfahrenen Regisseur an seiner Seite. Auf den zweiten Blick ist „Kreutzer kommt“ erfrischend innovativ.