Eine Frau wird in der Tiefgarage eines Krankenhauses vorsätzlich überfahren. Das Bein der Toten zuckt noch, als wolle es im Rhythmus des einsetzenden Disco-Hits noch ein letztes Mal mittanzen. Im OP ist wenig später ihr Leben nicht mehr zu retten. „Wir machen auf“, entscheidet der Arzt – und erkennt erst jetzt, dass die blutüberströmte Tote seine Frau ist. Ein Fall für Kreutzer, der schon mal den ersten Verdächtigen in der Tiefgarage stellt. Der Kripo-Provokateur schnüffelt fortan durch alle Etagen, durch Krankenzimmer, Operationssäle, die Pathologie, tatkräftig unterstützt durch sein fleißiges Recherche-Bienchen Belinda. Der Mörder ist noch im Haus. Es muss also schnell gehen. Die Problemfelder sind bald in Kreutzers Hirn eingescannt: Affären, sexuelle Nötigung, Bestechlichkeit, Ärzte, die keine Ärzte sind, Medikamentenbetrug. Seltsam benehmen sich viele. Aber wo ist das Mordmotiv?
Soundtrack: Les Rita Mitsouka („Andy“), Bee Gees („Stayin‘ alive“), The Shoes („Time to dance„), Herbie Hancock („Bring down the Birds„), Percy Faith („Theme from A Summer Place“), Simon & Garfunkel („The only living boy in New York„), Aztec Emire („Luno„), Perry Como („Magic Moments„)
„Kreutzer kommt… ins Krankenhaus“ ist der zweite Einsatz des Anti-Kommissars, eine Ermittlungs-Performance, die wie der erste Fall so erfrischend überhaupt nichts mit (fernseh)realistischer Polizeiarbeit zu tun hat. Das Krankenhaus erweist sich als idealer Schauplatz für einen Krimi. Hier liegt der Geruch des Todes schon in der Luft, aber auch das Leben hinterlässt deutlich seine Spuren. Ein System im System, das mit dem vermeintlich simplen Tür-auf-Tür-zu-Prinzip erschließen lässt, ist dramaturgisch dankbar. So wird die von Agatha Christie & Co in Misskredit gezogene Einheit von Raum, Zeit und Handlung zur Frischzellen-Kur für das überstrapazierte Krimi-Genre der 10er Jahre. Ein Krankenhaus mit leisem Hang zum Irrenhaus. Für die Ironie ist hauptsächlich der Titelheld zuständig. Auch wenn Kreutzer Anflüge von Gefühl zeigt, so kommt dieser Bulle dem Krankenhauspersonal doch ziemlich unverschämt. Da inszeniert er beispielsweise seinen Abgang, lässt ihn von Belinda filmen, um danach die Reaktionen der Zeugen seines „Todes“ zu analysieren. Das wirkt selbstverliebt, egozentrisch, provokant. Alles nur zum Zwecke der Ermittlungen? „Sie fühlen mit – aber ich will die Wahrheit“, sagt Kreutzer. Eine Grundsatzerklärung, die auch filmische Konsequenzen hat: diesen Kommissar hat Autor Christian Jeltsch offensichtlich als Gegenkonzept zum einfühlsam empathischen Täter-Opfer-Versteher entwickelt. Kein Befindlichkeitsgesülze, alles ist Spiel – Kommunikation ohne tiefere Bedeutung.
Die Rolle des egomanen Provokateurs ist ein gefundenes Fressen für die intellektuelle Rampensau Christoph Maria Herbst. Was sein Kreutzer und Jeltsch gemeinsam haben: Beide setzen auf Verfremdung. Der eine bürstet die Ermittlungsrituale gegen den Strich, der andere die Krimi-Dramaturgie. Zwar ist in den 90 Minuten alles drin, was ein klassischer Whodunit braucht (ein Toter, viele Verdächtige, ein Motiv, dramatische Nebenplots), was die Emotionen anzufeuern in der Lage ist (kranke Kinder, die richtige Moral, menschliche Züge des Ermittlers), aber wie diese Elemente zusammengesetzt werden – das ist ungewöhnlich. Man muss sich einlassen auf dieses Spiel, das sein eigenes System entwickelt. Hat man es verinnerlicht, geht der Film richtig ab und die Lust an ihm steigert sich von Minute zu Minute. Jede Szene wird zu einer kleinen Aufführung, einer artistischen Miniatur, gelegentlich auch mit absurden Zügen. Eine Befragung kann schon mal die Form eines Flirts annehmen und eine Fahrt im Aufzug zu einer unmoralischen Improvisation ausarten. Kreutzer verliert zweimal seinen Stiftzahn – danach pfeift es in seinen Sätzen. Und in der Kinderklinik gibt er den Clown, bevor er mit der falschen Ärztin ein Tänzchen wagt. Außerdem purzeln auch im zweiten Kreutzer-Film die pointierten Dialoge, die nicht nur Christoph Maria Herbst fein unterspielt. „Kein Bein krieg ich auf die Erde“, jammert die stets beischlafbereite Pharma-Vertreterin. „Vielleicht denken Sie zu horizontal“, entgegnet Kreutzer. Wenig später lässt auch er sich ein auf ein Verkaufsgespräch ohne Hose. Wenn’s der Wahrheitsfindung dient…