Krauses Zukunft

Horst Krause, Knof, Böttiger, Antoni, Bernd Böhlich. Nichts bleibt, wie es war

Foto: RBB / Degeto / Arnim Thomaß
Foto Tilmann P. Gangloff

Bernd Böhlich hat auch seinen achten Film über den pensionierten Polizeihauptmeister Horst Krause mit Bedacht inszeniert, aber anders als zuletzt („Krauses Umzug“) passiert in „Krauses Zukunft“ (Degeto, RBB / Mafilm) eine ganze Menge. Für den Geschmack des alten Krause, gewohnt unnachahmlich vom Schauspieler gleichen Namens verkörpert, passiert allerdings viel zu viel, denn Veränderungen sind ihm ein Gräuel. Auf einen geplanten Windpark reagiert er mit der gleichen Ablehnung wie auf die Visionen des Bürgermeisters, der das brandenburgische Dorf in ein Urlaubsparadies verwandeln will. Auf diese Weise macht Böhlich seinen Antihelden zum Repräsentanten jener Menschen, die Krauses Weltsicht teilen: „Leute wie ich werden nicht mehr gefragt.“ Umso wichtiger ist es, dass sich sein Sinnes-Wandel nachvollziehen lässt, und dafür hat Böhlich sehr plausible Argumente gefunden.

Wenn die Zukunft ungewiss ist und das Leben durch Globalisierung und Digitalisierung immer unübersichtlicher wird, fragen sich viele Menschen, warum nicht alles so bleiben kann, wie es ist. So geht es auch Horst Krause, dem vom Schauspieler gleichen Namens verkörperten Titelhelden jener Reihe, deren Geschichten Bernd Böhlich bereits seit 2007 erzählt. Im achten Film wird der pensionierte Polizeihauptmeister mit Veränderungen in seinem unmittelbaren Umfeld konfrontiert, die ihm alle nicht behagen. Dass er den viele Jahre lang gemeinsam mit seinen Schwestern betriebenen Gasthof Köchin Paula (Pauline Knof) überlassen hat und zusammen mit Elsa (Carmen-Maja Antoni) und Meta (Angelika Böttiger) in die Villa seines verstorbenen Freundes Schlunzke umgezogen ist: Damit hat er seinen Frieden gemacht. Schockiert muss er jedoch feststellen, dass Paula Buletten und Eisbein durch Gerichte wie „Gedünstete Sojakeimlinge im Spinatbeet“ ersetzt hat. Der nächste Umbruch nähert sich in Gestalt einer Referentin aus dem Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Klimaschutz: Frau Hummel (Rosa Falkenhagen) möchte seine Pferdewiese pachten und darauf Windkraftanlagen errichten. Kommt gar nicht in Frage, empört sich Bürgermeister Stübner (Boris Aljinovic): Er will das Dorf in ein Urlaubsparadies verwandeln und die beiden Teiche im Dorfzentrum zu einem Badesee verbinden. Windräder, fürchtet er, würden die Touristen abschrecken; von dem Lärm, den die Dinger machen, ganz zu schweigen. Der einzige, der nach vorne denkt, ist Lehrer Seifert (Steffen Groth), Paulas Freund, dessen Einstellungen für ihren Geschmack aber viel zu radikal sind; prompt gibt es in der Beziehung Ärger. Zu allem Überfluss bekommt Meta Post aus Köln, die sie sehr traurig macht: Rudi, ihr Gefährte für den letzten Lebensabschnitt, wird von einer Stippvisite in der alten Heimat nicht mehr zurückkehren (Rudi-Darsteller Tilo Prückner ist im Sommer 2020 verstorben).

Krauses ZukunftFoto: RBB / Degeto / Arnim Thomaß
Alle im Ort sprechen von der Zukunft, haben sich alle gegen Krause (Horst Krause) verschworen? Nicht alle. Meta (Angelika Böttiger) macht eine schwere Zeit durch und freut sich über den Trost ihres Bruders Hotti. Und Elsa (Carmen-Maja Antoni) hatte auch schon bessere Tage (auch wenn sie sich wohl nur schwer daran erinnern kann).

Wie gewohnt erzählt Grimme-Preistzräger Böhlich auch diese Geschichten aus Schönhorst sehr entschleunigt und episodisch; im Grunde werden die einzelnen Kapitel nur durch den Hauptdarsteller zusammengehalten. Zu den schönsten Szenen gehören die Zwiegespräche mit Paulas Sohn Timo (Cai Cohrs), der den dicken Krause als Opa adoptiert hat. Dass die Dialoge des Jungen mitunter auswendig gelernt klingen, ist kein Problem, denn wenn es um Umweltschutz geht, beruft sich Timo auf die Parolen von Seifert. Auch Krause kann den Klimawandel nicht ignorieren; das Land ächzt unter einer Dürre, weil es seit Wochen nicht geregnet hat. Trotzdem ist er der erste, der Stübners Petition gegen die Windräder unterschreibt. Mit gleicher Leidenschaft stellt er sich allerdings auch dem Bagger in den Weg, der Stübners Vision Wirklichkeit werden lassen soll. Als ein Reporter über Krauses Gerangel mit einem Polizisten berichtet, zieht sich der beauftragte Bauunternehmer zurück: Negative Schlagzeilen sind nicht gut fürs Geschäft; damit ist auch Stübners Plan vorerst geplatzt.

Horst Krause, der Schauspieler, hat sich noch nie bemüht, mit der Filmfigur um Sympathie zu buhlen. In den „Polizeiruf“-Krimis war der Wachtmeister zwar stets loyal, aber nicht „nett“ im landläufigen Sinn. Auch darin liegt das Erfolgsgeheimnis der Reihe: Krause ist ein ganz normaler älterer Herr aus der Nachbarschaft, dem es zunehmend schwerfällt, sich umzustellen. Auf diese Weise macht Böhlich seinen Antihelden zum Repräsentanten vieler Menschen, die Krauses Weltsicht teilen: „Leute wie ich werden nicht mehr gefragt“, wenn es um Bauprojekte geht, weshalb sie grundsätzlich dagegen sind. Umso wichtiger ist es, dass sich sein Sinnes-Wandel nachvollziehen lässt. Seine ablehnende Haltung gegenüber dem Fortschritt wandelt sich, als Sängerin Fanny (Manon Straché) den Alten, in den sie sich beim gemeinsamen musikalischen Auftritt in „Krauses Umzug“ ordentlich verguckt hat, mit zu ihrem Vater nimmt. Das Leben des Hundertjährigen (Herbert Köfer) wird von einer Veränderung bedroht, die im Vergleich zu Krauses Windrädern monströs ist, und in diesem Fall ist selbst Frau Hummel machtlos. Die junge Referentin ist ohnehin eine interessante Figur: Als Mechatronikerin findet sie im Nu heraus, warum Krauses Motorrad nicht mehr fährt, außerdem baut sie Timos motorisierte Seifenkiste zum ersten Elektroauto von Schönhorst um. Falls sich irgendein Vorwand fände, Frau Hummel auch in Zukunft einen Abstecher in die Provinz machen zu lassen, wäre das schön, zumal sich die Aktivitäten von Krauses Partnerinnen weitgehend auf stechende Blicke (Böttiger) oder Alte-Leute-Weisheiten wie „Grundbuch kommt vor Sparbuch“ (Antoni) beschränken. Andererseits ist diese vermeintliche Schlichtheit ein Merkmal der Reihe. „Alles hat seine Zeit“, sagt Krause, als eines seiner Pferde stirbt. Aus seinem Mund klingt der Satz keineswegs einfältig, und wahr ist er ohnehin.

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Reihe

ARD Degeto, rbb

Mit Horst Krause, Pauline Knof, Angelika Böttiger, Carmen-Maja Antoni, Boris Aljinovic, Cai Cohrs, Steffen Groth, Rosa Falkenhagen, Manon Straché, Herbert Köfer

Kamera: Florian Foest

Szenenbild: Dorothee Bodelschwingh

Kostüm: Christine Zartmann

Schnitt: Gudrun Steinbrück

Musik: Sebastian Schmidt

Redaktion: Josephine Schröder-Zebralla (RBB), Stefan Kruppa (Degeto)

Produktionsfirma: Mafilm

Produktion: Eva-Marie Martens, Alexander Martens

Drehbuch: Bernd Böhlich

Regie: Bernd Böhlich

Quote: 4,72 Mio. Zuschauer (13,9% MA)

EA: 05.02.2021 20:15 Uhr | ARD

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