Dass sie sich noch mal über den Weg laufen, hätten Konrad und Katharina sich nicht träumen lassen. Die Situation ist vielleicht nicht optimal für die toughe Frau, Mitte 60, deren Mann sie gegen was Jüngeres eingetauscht hat, und den etwas schwermütigen Mann um die 70, der mit der Diagnose leben muss, in naher Zukunft zu erblinden – aber ihre Begegnung ist schon mal ein Anfang: denn sie sind frei, etwas Neues zu tun. Zum Beispiel eine Entführung zu inszenieren. Die beiden rutschen mehr oder weniger in die Sache rein: Ein an der Liebe seiner Eltern zweifelnder Junge, geistig etwas zurückgeblieben, für den die Gelegenheitstaxifahrerin so etwas wie Chauffeurin und Großmutterersatz geworden ist, will es genau wissen, was er seinen Eltern wert ist. Und da der sympathische Konrad das Geld für seine Augen-OP gut gebrauchen könnte, zählt jener Georg eins und eins zusammen – und erklärt sich eines Nachts am Telefon für gekidnappt. Die Forderung der Erpresser: 50.000 €. Für Katharina ist das alles ein Unding und sie will den Jungen zurückbringen. Konrad dagegen wägt ab: Der Junge kriegt endlich Aufmerksamkeit von seinen Eltern, er ein Stück weit sein Augenlicht zurück und Katharina bekommt ihn. Da auch er schon vor Jahren fasziniert war von dieser Frau, wäre er der Top-Gewinner. Doch zum großen Coup sind die beiden nicht geboren. Und so haben sie bald eine echte Geisel und wenig später auch einen echten Entführer am Hals.
Die Handlung des ARD-Fernsehfilms „Konrad und Katharina“ ist keinesfalls dafür gemacht, um sie an der Realität zu messen, dafür aber taugt diese Tragikomödie, die in den Adventswochen spielt, mit ihrer grundsätzlichen Herzerwärmerfunktion für gediegene Schmunzelunterhaltung in der Vorweihnachtszeit. Wer anfangs noch glaubt, die MDR/ORF-Koproduktion würde sich den allzu betulichen 2000er-Jahre-Kooperationen dieser beiden Sender anschließen und dem Zuschauer nichts weiter als eine Goldie-Romanze präsentieren – der sieht sich bald getäuscht. Nachdem die kräftig Lebensenergie getankte Heldin ihrem wiedergefundenen Herzblatt das Leben gerettet hat, nimmt der wohlstandsverwahrloste Dreikäsehoch die Sache in die Hand und lenkt die Geschichte in Richtung Gaunerkomödie. Die Entwicklung der Handlung ist dann im zweiten Drittel des Films ziemlich überschaubar; das Ganze lebt vor allem von einer unaufgeregten Situationskomik, die von den beiden Ausnahmemimen Christine Schorn und Uwe Kockisch mit trockenem Dialogwitz getragen und gleichsam unterspielt wird. Schon allein die Grundidee, zwei in Gesetzesbrüchen eher unerfahrene Alte müssen die komplizierte Logistik einer Entführung mit Lösegeldübergabe bewältigen, das allein birgt schon viel komisches Potenzial in sich. Und ab der 60. Minute kommt dann alles vermehrt anders als geplant. Eine Wendung jagt die nächste. Und sogar die Kult-Österreicherin Adele Neuhauser schaut – gefesselt und geknebelt – kurz um die Ecke. Jede eingeführte Figur ist zu mehr als nur einer „Funktion“ gut und auch die bereits in der ersten Szene auftauchende Pistole wird noch vielfach zum Einsatz kommen: Man spürt also durchaus die dramaturgische Klasse – auch wenn es schon einigermaßen verwundert, dass neben Elke Rössler („Trennung auf Italienisch“) der deutsche „Stromberg“-Vater & „Dr.-Psycho“-Erfinder Ralf Husmann bei diesem Drehbuch die Hände mit im Spiel hatte.
Durch das Alter der Protagonisten wirkt das Ganze selbstredend ein bisschen betulicher, als wenn Christian Ulmen, Christoph Maria Herbst oder zuletzt Charly Hübner in der preisgekrönten Komödie „Vorsicht vor Leuten“ sich auf Husmanns Spuren um Kopf und Kragen quatschen oder versuchen, ein bisschen Ordnung in eine ziemlich verrückte Welt zu kriegen. Auch treten die Emotionen und mit ihnen die Moral (Eltern müssen mehr achtgeben auf ihre Kinder / Liebe kommt vor Geld / Familie vor Beruf) stärker in den Vordergrund als in den vermehrt mit Ironie geschwängerten Komödien des Erfolgsautors. Die Geschichte hat aber vor allem eine andere Zielgruppe! „Konrad und Katharina“ ist ein Film, der nicht den Anspruch hat, das Medium Fernsehen weiterzubringen, der aber seiner Verantwortung, auch und vor allem ältere Menschen gut zu unterhalten, gerecht wird. Gemessen an dem, was Menschen über 70 im deutschen Fernsehen oftmals in den Mund gelegt wird, sind die Dialogwechsel schon überaus erfrischend. „Wahrscheinlich bin ich bald blind“, erklärt Konrad seinen Suizidversuch. „Wahrscheinlich bin ich bald tot“, kontert Katharina trocken. Als diese dem kleinen Georg zur Feier des Tages auch ein Gläschen Sekt eingießt, meint sie auf die Frage „Ist da nicht Alkohol drin?“ nicht weniger trocken: „Wollen wir wohl hoffen.“ Und als zwei Polizisten ihre Wohnung betreten, flötet sie der neugierigen Nachbarin entgegen: „Heute leiste ich mir mal zwei!“ Nicht schlecht auch Konrads Satz vorm ersten Kuss: „Ich habe immer Angst, dass ich nach alten Leuten rieche.“ Aber es sind eben nicht nur die Sätze, es ist auch die Beiläufigkeit, mit der sie gesprochen und mit der sie leise gekontert werden.
Dass Menschen mit 70 auch noch ein Recht auf Glück haben, ist ein Thema in Fernsehfilmen, seitdem die Zielgruppe immer älter wird. Ein relevantes Thema, in den letzten Jahren auch immer relevanter umgesetzt. Weniger Zuckerguss und falsche Emotionen, mehr Realismus in Bezug auf die Psychologie des Alterns. Der lebenskluge Film von Franziska Meletzky schließt an diese erfreuliche Entwicklung und gute ARD-Produktionen wie „Eine halbe Ewigkeit“, „Das Gewinnerlos“ und „Altersglühen – Speed Dating für Senioren“ an. Besonders hervorgehoben muss noch Kieran West werden, der sein vermeintliches „Sorgenkind“ ohne kindliche Übertreibungen fast wie im wahren Leben spielt. Die völlig unterforderte Melika Foroutan kann einem dagegen leid tun als völlig überforderte Architektin – eine ziemlich eindimensionale Funktionsfigur. Und etwas ratlos macht die Musik, die mal in Gaunerkomödienmanier offenbar eine Aura des Konspirativen erzeugen soll, die in der Hauptsache aber die Bilder künstlich dramatisiert oder – häufiger noch – belanglos & völlig überflüssig zududelt. Die Hauptzielgruppe dürfte sich daran freilich weniger stören.