Ostkongo, deutsche Soldaten unterstützen die Blauhelm-Mission der UN. Für Oberleutnant Nicole Ziegler ist es ihr erster Auslandseinsatz. Die couragierte Frau, Anfang 30, hat einen undankbaren Job zu übernehmen. Sie soll dem Selbstmord eines Soldaten nachgehen. Unmissverständlich macht sie deutlich, dass es ihr nicht genügt, einen Routinebericht abzuliefern. Sie will die Wahrheit. Über die Art und Weise ihrer Ermittlungen gerät sie immer wieder mit Hauptmann Kosak aneinander, der um die Moral der Truppe fürchtet. In Oberst Lonsky indes findet sie einen Seelenverwandten. Als „Nikki“ auf ein erschreckendes Video stößt, abgespeichert auf dem Handy des Toten, läuten bei ihr alle Alarmglocken. Ein deutscher Soldat, der ein einheimisches Kind erschießt? Kann das wahr sein? Kann das echt sein?
„Es muss diese Geschichten und Filme geben, die sich mit den verletzten Seelen der Kriegs- oder Einsatzteilnehmer beschäftigen. Diese Themen werden in der Öffentlichkeit nicht sichtbar und kaum hörbar behandelt.“ (Peter Keglevic)
Foto: ZDF / Kelly Walsh
Eine ehrgeizige Feldjägerin kommt mit den bundesdeutschen Maßstäben für Recht und Ordnung, für Gut und Böse in ein Land im Chaos, in dem Mord und Totschlag in ihren grausamsten Formen an der Tagesordnung sind. Eine fast absurde Situation. Ein aussichtsloses Unterfangen, hier nach „deutschem Recht“ zu verfahren? Diese beiden „Systeme“ scheinen nicht kompatibel. Die deutschen Soldaten, die monatelang etwas für sie Undefinierbares erhalten oder herstellen sollen, haben die Regeln des Kongo mit ihrer Angst ums Überleben eingesaugt. Andererseits: Mord bleibt Mord… Das ist das atmosphärische Spannungsfeld, in dem Autor Alexander Adolph das Geschehen des Fernsehfilms „Kongo“ angesiedelt hat. Die Geschichte ist fiktiv, doch sie basiert auf zahlreichen Gesprächen mit Bundeswehrsoldaten, die im Kongo oder in Afghanistan gekämpft haben. „Sehr offen und bewegend wurde mir über Fremdheit, Angst, Stress, Traumata und persönliche Ausgrenzung erzählt“, erinnert sich Adolph. Produzent Christian Granderath war es „wichtig, den Soldaten gerecht zu werden, die uns ihre Emotionen geschildert haben“. Der Film politisiert und er polemisiert nicht. Er wirbt um Verständnis für den Menschen, der im Dschungel der bislang unerhörten Erfahrungen überfordert ist, und er zeigt, wie unerfüllbar der Auftrag ist, den viel zu junge Menschen, die aus einer völlig anderen Welt kommen, in der Fremde übernehmen sollen. Unvorbereitet treffen sie auf die Allgegenwart des Todes, den Geruch des Sterbens.
Der ZDF-Film „Kongo“ vermittelt eine klare Haltung, ohne dass er sie als Fahne durch den Film trägt. Der Film erzählt seine Geschichte – und das auf eine bestechende Art, dazu in einem Genre, das es im deutschen Fernsehen (bis auf das Pro-Sieben-Kriegsfilmdrama „Friedensmission – 10 Stunden Angst“, 1997) so noch nicht gegeben hat. Alle (sehenswerten) Afghanistan-Dramen des letzten Jahres waren „Willkommen-daheim“-Filme. Überragende Leistungen in allen Bereichen machen „Kongo“ im Sachen Genrespannung mit psychologischem Anspruch zu einem der besten Filme des Jahres. Messerscharfe Dialoge, passgenaues Spiel, nie zu laut, aber auch nie zu leise (die Bundeswehr verpflichtet), eine Erzählökonomie in den Bildern, wie man sie aus amerikanischen Filmen kennt, aber auch eine perfekte Politik der Bildauschnitte sowie ein Montagerhythmus, der einen hineinzieht in diesen großartigen Film mit seiner Krimistruktur und der Psychologie eines Fünf-Personen-Dramas. Produzent, Redakteur, Autor, Regisseur, allesamt Kinder der 1970er Jahre, haben ihre Hausaufgaben gemacht. Sie wissen, wie Dschungelkrieg aussieht. Sie wissen es aus „Apocalypse now“, „Platoon“ und all den anderen kritischen Vietnam-Filmen ihrer Jugend.
Foto: ZDF / Kelly Walsh