Kommissarin Lucas – Schuldig

Ulrike Kriener, Birnbaum, Flint, Miguel Alexandre. Politisch, komplex, spannend

Foto: ZDF / Laurent Trümper
Foto Volker Bergmeister

Flüchtlinge haben in deutschen Krimis Hochkonjunktur. Auch „Kommissarin Lucas“ (ZDF) beschäftigt sich mit der brisanten Problematik. Und verknüpft diese überzeugend mit dem Thema Bodypacker – Drogenkuriere, die den Stoff im Magen haben. Wie die Not von Menschen, die aus ihrer Heimat fliehen müssen, aber kein Geld haben, Schlepper zu bezahlen, von Banden ausgenutzt wird, das macht „Schuldig“ mit Ulrike Kriener als Regensburger Ermittlerin zumThema. Emotionaler, spannender Krimi mit wendungsreichem Plot.

Regensburg ein schmuckes, verschlafenes Städtchen in Bayern? Nicht im ZDF-Krimi-Dauerbrenner „Kommissarin Lucas“. Seit 2003 jagt Ulrike Kriener in der Titelrolle böse Buben. Und die sind diesmal auch in den eigenen Reihen zu finden. „Schuldig“ heißt der 24. Fall, der eine große Geschichte mit einer persönlichen Tragödie verbindet. Zu Beginn tappt man als Zuschauer völlig im Dunkeln. Es ist Nacht, in einem Wald steht ein Wohnmobil. Und in dem Gefährt eskaliert die Situation. Ein junges Pärchen ergreift die Flucht, der Mann wird von den Verfolgern, „Gypsy“ Scherer (Konstantin Frolov) und seinen Helfern, gefasst und getötet, die junge Frau (Banafshe Hourmazdi) kann entkommen. Der Tote ist Hassan Sabuni, syrischer Flüchtling, der als „Bodypacker“ Heroin geschluckt und nach Deutschland transportiert hat. Er wird regelrecht ausgeweidet. Kommissarin Ellen Lucas, Kollege Tom (Lasse Myhr) und Nina (Andrea Wenzl), die Neue im Team, suchen fieberhaft nach Leila, seiner flüchtigen Schwester. Auch sie hat Heroinkugeln im Magen. Eine tödliche Vergiftung droht. Schnell wird klar, dass Regensburg Endpunkt der sogenannten Donauroute ist, die von international agierenden bulgarischen Drogenschmugglern betrieben wird. Der Kopf der Bande ist Bojko Jankov (schön böse: Peter Davor). Für die Ermittlungen erhält die Lucas Verstärkung durch Kriminalrat Harald Leinenweber (Arved Birnbaum). Der scheint Ellens Kollegen Boris (Michael Roll) gut zu kennen, auch wenn beide den Anschein erwecken wollen, nichts miteinander zu tun zu haben. Eine Spur führt die Kommissarin in ein Flüchtlingsheim zur Schwester der Flüchtigen. Als Boris plötzlich auf eigene Faust ermitteln, eskaliert die Situation.

Kommissarin Lucas – SchuldigFoto: ZDF / Laurent Trümper
Die „Bodypackerin“ Leila (Banafshe Hourmazdi) hat sich in einem Lagerhaus versteckt. „Gypsy“ (Konstantin Frolov) hat ihr nicht ganz uneigennützig geholfen.

Der Einstieg ist solide, aber ziemlich konventionell. Mit Action und Dramatik versucht man die Zuschauer in den Fall hinein zu ziehen. Das gelingt nur bedingt, zu ausgestellt wirkt die Szenerie. Danach fliegt die Kamera über den Wald zum Tatort. Dort gibt es das übliche – in den meisten deutschen Krimis wohl unvermeidliche – Geplänkel der Ermittler, ein paar Einführungssätze zur Neuen. Nina heißt die und ist – das liegt derzeit wohl im Trend – für die modernen Ermittlungsmethoden zuständig. Klare Rollenverteilung in deutschen Krimis. Da stellt sich die Frage: Warum sind eigentlich junge Assistenten in den Kommissariaten in der Regel auch immer hervorragende Hacker? Natürlich darf auch die übliche kleine, private Geschichte von Ellen Lucas nicht fehlen. Die beginnt bieder, wenn sie Altkleider aussondert und Vermieter Max (Tilo Prückner) sich derer annimmt. Und dass der dann – ja, wir sind ja beim Thema Flüchtlinge – Syrer bei sich aufnimmt und mit ihnen in geselliger Runde sitzt, ist ein typischer Autorenkniff. Der Fall und die begleitende Geschichte laufen parallel. Meist dient letztere ja der Auflockerung, doch der Witz und die Leichtigkeit fehlen in diesem Fall.

Genug kritisiert, denn das Lob überwiegt. Wie sich die Story in den knapp 90 Minuten nach dem eher mauen Auftakt entwickelt, ist überzeugend. Die Geschichte wird immer wendungsreicher, erklärende Dialoge gibt es nur selten. Die Spannung baut sich bis zum Finale auf. Das findet bereits eine viertel Stunde vor dem Ende statt, ein Showdown mit Toten und verletzten Ermittlern. Aber das kann es doch noch nicht gewesen sein – oder? Nein, die Autoren Thomas Schwebel und Daniel Schwarz drehen den Fall weiter. Das hat sich zwar schon angedeutet, dennoch erzeugt es Spannung. Der Schlüssel zur Lösung liegt in der Vergangenheit. Das ist geschickt und gescheit konstruiert und wird ansprechend aufgelöst.

Kommissarin Lucas – SchuldigFoto: ZDF / Laurent Trümper
Andrea (Katja Flint) versucht, ihren Sohn Gypsy (Konstantin Frolov) zu beruhigen. Miguel Alexandre (Regie und Kamera) treibt die Spannung in „Schuldig“ wohldosiert voran.

Miguel Alexandre, krimiversierter Regisseur („Tatort“) und Spezialist für Mehrteiler („Der Mann mit dem Fagott“), treibt die Spannung wohldosiert voran, gönnt der Lucas sehr schöne ruhige, dicht inszenierte Szenen – wie das Gespräch mit der Schwester der flüchtigen Frau. Die Bilder sind stimmig und tragen die Geschichte. Der Regisseur war selbst hinter der Kamera. Auch wenn Ulrike Kriener zu ihrer Reihe „Kommissarin Lucas“ in einem Interview mal gesagt hat: „Es muss nicht sein, dass man jedes aktuelle Thema in einem Krimi erzählt. Das kann man auch in Form eines Fernsehspiels machen“ – so ist die Verknüpfung von Krimi und Aktualität hier sehr gut gelungen. Ein Verdienst der Autoren Thomas Schwebel (ehemals bei der Kultband „Fehlfarben“ aktiv) und Daniel Schwarz. Sie sind ein eingespieltes Team, haben auch schon für die ZDF-Reihe „Unter anderen Umständen“ Drehbücher geschrieben.

Apropos Kriener: Gerade solche Themen wie hier in „Schuldig“ sind es, die diesem komplexen Charakter der Ellen Lucas entgegen kommen, hier kommt die kluge und toughe Figur am besten zur Geltung. Sie ist kein leidender, kein weinerlicher Typ, zeigt Emotionen, ist aber stets kontrolliert und überlegt. Schön, dass man auch in der 24. Episode die Lucas so sein lässt und nicht an der Figur herum bastelt. Neu im Team ist Andrea Wenzl. Die fügt sich als Nina gut ein. Und einer, der bereits von Anfang an dabei ist, steht vor einer schwierigen Aufgabe: Michael Roll als Boris agiert diesmal als Einzelkämpfer und hat eine sehr emotionale Reise in die Vergangenheit zu absolvieren. Überzeugend Katja Flint als Andrea Scherer, deren Mann einst getötet wurde und die nun auch Angst hat, auch ihren Sohn zu verlieren. Und Arved Birnbaum („Weinberg“) ist mit seinem ruhigen, unaufgeregten, aber packenden Spiel ohnehin jemand, dem endlich auch mal eine größere Würdigung zuteil werden sollte. Fazit: „Kommissarin Lucas – Schuldig“ bietet alles, was ein Reihen-Krimi braucht – eine starke, wendungsreiche Story, charismatische Hauptfigur, gute Besetzung, große Spannung.

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Reihe

ZDF

Mit Ulrike Kriener, Arved Birnbaum, Katja Flint, Konstantin Frolov, Banafshe Hourmazdi, Annika Kuhl, Peter Davor, Michael Roll, Lasse Myhr, Andrea Wenzl, Maryam Zaree, Antonio Wannek, Katja Bürkle

Kamera: Miguel Alexandre

Ausstattung: Gabi Pohl

Musik: Dominic Roth

Produktionsfirma: Olga Film

Drehbuch: Thomas Schwebel, Daniel Schwarz

Regie: Miguel Alexandre

Quote: 5,56 Mio. Zuschauer (18,9% MA)

EA: 14.05.2016 20:15 Uhr | ZDF

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