Eine Frau rennt durch die Frankfurter Nacht, erreicht ihr Hotelzimmer, dort wartet ihr Mörder. Als Kommissar Marthaler sich des Falls annehmen will, taucht der nassforsche LKA-Mann Axel Rotteck (André M. Hennicke) auf und entzieht ihm den Fall. Marthaler soll mit seinem Team den vermeintlichen Selbstmord des Landtagsabgeordneten Baron Freiherr von Münzenberg untersuchen. Dass das LKA den Mordfall der getöteten Journalistin an sich gerissen hat, hindert den Kommissar, der gerade von seiner Freundin Tereza verlassen wurde und ziemlich fertig ist, allerdings nicht daran, der sich bald schon aufdrängenden Verbindung zwischen den beiden Fällen nachzugehen. Er lässt von seiner neuen Kollegin Sarah Jonas (Alice Dwyer) das Umfeld des Barons durchleuchten. Die Spur führt zu einem Sexklub namens Sterntaler, in dem auch hochrangige Politiker & die Frankfurter Startbahnbau-Lobby verkehren. Als er sich mit Kai Döring (Jürgen Tonkel) den Laden genauer ansehen will, kommt es zu einem Schusswechsel, bei dem Döring schwer verletzt wird. Marthaler wird danach von Rottecks Kollegen Daniel Fichtner (Ludwig Trepte) kontaktiert. Der scheint mehr zu wissen. Kann der Kommissar ihm trauen? Und welches Spiel spielt sein Freund Rotteck?
Foto: ZDF / Daniela Incoronato
Zeitdruck, Schlafmangel, Liebeskummer – für „Kommissar Marthaler“ kommt es in „Die Sterntaler-Verschwörung“ knüppeldick. Eine geschickt Story haben die Autoren Lancelot von Naso und Kai-Uwe Hasenheit, die bereits die Drehbücher zu den ersten vier Folgen der Reihe geschrieben haben, nach dem Roman von Jan Seghers entworfen. Auch wenn von der Brisanz der Vorlage nicht mehr viel übrig geblieben ist: Spielt Seghers Buch doch im hessischen Wahljahr 2008 und beschäftigt sich mit einem Intrigenspiel, mit dem verhindert werden soll, dass im Zuge der unentschieden ausgegangenen hessischen Landtagswahlen eine Allianz aus SPD, Grünen und Linken an die Macht kommt – Stichwort Ypsilanti. Es war ein Thema, über das die ganze Republik diskutierte. Das spielt in dem TV-Krimi keine große Rolle mehr, die Politiker-Ebene gerät in den Hintergrund. Die Verhandlungen über den Bau der dritten Startbahn für den Rhein-Main-Flughafen bilden die Grundlage für das Intrigenspiel um wirtschaftliche und politische Interessen in Bankfurt und eine Rufmordaktion gegen einen Gegner des Startbahnbaus. Spannend ist das auch, natürlich auch zeitloser, und die Mechanismen und Querverbindungen zwischen Bauunternehmen, Banken, Politikern und dem LKA lassen sich so auch aufzeigen. Weniger Polit-Thriller also denn klassischer Krimi.
Gut getan hat der Reihe der Wechsel bei der Regie. Züli Aladag, für sein Integrationsdrama „Wut“ mit Preisen überhäuft, mit „Die Anwälte“, „KDD – Kriminaldauer-dienst“ und einigen „Tatort“-Folgen Reihen-erfahren und zuletzt mit „Die Opfer – Vergesst mich nicht“, dem zweiten Teil der NSU-Trilogie „Mitten in Deutschland“, in aller Munde, erweist sich als gute Wahl. Seine atmosphärische Inszenierung mit vielen Nachtaufnahmen hat ein exzellentes Timing, die Balance zwischen lauten und leisen Szenen stimmt, die Actionszenen sind kurz und knackig (Verfolgungsjagd & Schießerei im Sexklub), die Passagen, in denen Marthaler mit der Trennung von seiner Freundin zu kämpfen hat, sind von hoher emotionaler Intensität. Und die Dialoge sind griffig. Sarah Jonas: „Der geht über Leichen“. Marthaler: Aber er ist ausgesprochen freundlich“. Sarah: „Dann geht er ausgesprochen freundlich über Leichen“. Die Rede ist vom aalglatten Politiker Klotz, hart & smart zugleich gespielt von Götz Schubert.
Gänzlich unaufgeregt führt Aladag seinen Helden durch die Szenerie und gibt Matthias Koeberlin viel Raum zur Entfaltung. Dieser Marthaler (sein Vorname im Übrigen Robert) ist ein echter Großstadt-Cop. Er ist so schlaflos wie die Stadt, so gehetzt und zerrissen wie die Menschen, aber auch so verletzlich und sensibel, dass man viel Empathie für ihn empfindet. Er hat den Blues des vom Schicksal Gebeutelten. Er ist ein Besessener, ein Getriebener, ein Gerechtigkeitsfanatiker, einer, der sich wehrt, wenn ihm etwas gegen den Strich geht. Doch was wäre Marthaler ohne sein Team. Neben Tim Seyfi als Petersen, Jürgen Tonkel als Döring und Claudio Caiolo als schlagfertig-witziger Carlo ist erstmals Alice Dwyer als Sarah Jonas im Team. Sie ist nach Bernadette Heerwagen (Folge 1) und Julia Jentsch (Folgen 2-4) die dritte Frau in dieser Männerrunde. Die Autoren haben ihr zum Einstand viel Möglichkeit gegeben, sich zu profilieren. Sie fügt sich bestens ein in das ansehnliche Personal der Reihe. Und André M. Hennicke als polternder LKA-Mann spielt gewohnt imposant. (Text-Stand: 25.2.2017)