Georges Dupin (Pasquale Aleardi) muss den Mord an einem in Concarneau hoch angesehenen Arzt aufklären. Der Mann fällt ihm förmlich vor die Füße, als der Kommissar auf der Terrasse im Café seinen Petit nimmt und mit seiner Mutter (Tatja Seibt) aus Paris telefoniert, die ihn besuchen kommt. Mord oder Todschlag im Affekt könnten die Todesursache sein. Verdächtige gibt es einige: Da sind die wenig trauernde, untreue Witwe (Katrin Giegerich), der Sohn des Hauses (Johannes Klaußner), der die Praxis des Vaters übernommen hat, und Luzel (Peter Benedict), ein Partner des Toten, der nicht nur mit ihm gemeinsam offenbar undurchsichtige Immobiliengeschäfte tätigte, sondern darüber hinaus auch mit dessen Frau ein Verhältnis hat. Da so gut wie jeder von der Affäre wusste, hat vor allem auch Luzels betrogene Ehefrau (Julia Jenkins) ein handfestes Motiv. Nicht so schnell ins Visier von Dupin und den Kollegen Kadeg (Jan Georg Schütte) und Nolwenn (Annika Blendl) gerät Priziak (Hans-Uwe Bauer), ein weiteres Mitglied einer alteingesessenen Familie des Ortes. Und ausgesprochen seltsam verhält sich auch Sieren (Amy Benkenstein) die neue, etwas unbedarfte Bedienung im Café.
„Bretonisches Vermächtnis“, die achte Episode aus der ARD-Krimireihe „Kommissar Dupin“, ist ein klassischer Whodunit. Um das Verdachtskarussell 90 Minuten lang in Gang zu halten, in einer Geschwindigkeit, ganz so wie es der Bretagne entspricht, kommen die passenden Motive und Charaktere ins Spiel: Eifersucht, Rache, alte Geschichten, symbolisiert durch ein Frauen-Foto aus den 1980er Jahren; Männer, die durch ihre Missetaten miteinander schicksalhaft verbunden sind, Frauen, die sich verzehren nach Liebe und den untreuen Gatten unbedingt zurückhaben wollen … und dann ist plötzlich ausgerechnet der, der sich bisher am verdächtigsten verhalten hat, tot. Einen Preis für stimmige Psychologie und Figuren-Tiefgang bekommt dieser Donnerstagskrimi im Ersten nach dem gleichnamigen Roman von Jean-Luc Bannalec natürlich nicht; auch sollte man als Zuschauer tunlichst vermeiden, die Rollen-Bilder näher zu durchleuchten. Und der Fall erzählt nichts Weltbewegendes: eine Lehre, eine Erkenntnis oder gar einen moralischen Mehrwert, das alles lässt sich aus der Geschichte – zumindest im Film – nicht ziehen. Was hier allein interessiert: der Krimi als ein Rätsel.
Foto: Degeto / Wolfgang Ennenbach
In seiner Dramaturgie ähnelt die „Dupin“-Reihe den Donna-Leon-Verfilmungen um Commissario Brunetti. Die nach 20 Jahren ausgelaufenen Venedig-Krimis begegneten oft – noch deutlicher als die Bretagne-Reihe – den Romanen mit einer Krimibauweise aus dem seriellen Setzkasten. Auch die TV-Adaptionen der Bannalec-Romane haben – anders als viele Krimis hierzulande – keinen Realismus-Anspruch (bei einer Reihe, die deutsche Schauspieler Franzosen spielen lässt, wäre dies ohnehin schwierig). Alles wird der Mördersuche untergeordnet: Jedes Plot-Element ist vor allem Funktion fürs narrative Ganze; dabei ist die Wirkung stets wichtiger als die innere Logik. Selbst die Titelfigur – in Kombination mit Pasquale Aleardi sicherlich für den Zuschauer der zentrale „Anker“ der Reihe – ist nur ein sympathischer Träger von Eigenschaften, einen ernstzunehmenden Charakter-Kern besitzt Dupin nicht. Und so bleibt auch selbst das erste Auftreten seiner Mutter in der Reihe flüchtig und belanglos. Mit komplexeren Fällen und mit mehr Präsenz von Freundin Claire könnte da mehr möglich sein an zwischenmenschlicher Nähe und psychologischer Ernsthaftigkeit, wie man in den besseren Episoden (allen voran „Bretonisches Leuchten“) bereits sehen konnte.
Neben dem Hauptdarsteller ein weiterer Reiz dieser seit 2014 laufenden ARD-Reihe ist der Schauplatz Bretagne, sind die malerischen, stimmungsvollen Drehorte, die oft eine nordisch-romantische Rauheit besitzen, anstatt wie andere Degeto-Krimis zu südländischem Dolce Vita einladen. In „Bretonisches Vermächtnis“ kommt diesem optischen Aspekt keine zentrale Rolle zu. Landschaftsbilder sind selten, wirken unvermittelt, sind ohne tieferen Sinn und ohne bemerkenswerte Sinnlichkeit. Das lenkt den Blick auf die Inszenierung: Zeichnete sie sich anfangs unter Regisseuren wie Matthias Tiefenbacher und Thomas Roth noch durch einen Hang zur ästhetischen Beredsamkeit und einer atmosphärischen Gestaltung der Landschaft aus, ist sie bei Bruno Grass, der schon bei „Bretonische Geheimnisse“ (2019) Regie führte, unauffällig und ohne große Raffinesse. Der filmische Erzählfluss ist gleichförmig, ein dynamisches Wechselspiel zwischen kurzen und langen Szenen gibt es kaum, die Auflösung ist im Detail häufig einfallslos (z.B. die Schuss/Gegenschuss-Dialogpassage zwischen Dupin und seiner Mutter). Grass bleibt nah am Geschehen, was nicht das Schlechteste sein muss – solange das Geschehen etwas hergibt. Da die Handlung dieser „Dupin“-Episode allerdings überschaubar und wenig komplex ist, hat man am Ende der langen 90 Minuten den Eindruck, sich mit einem allenfalls durchschnittlichen Rätselkrimi die Zeit vertrieben zu haben.