Berlin in der nahen Zukunft. Die kommerzielle aktive Sterbehilfe ist gesetzlich freigegeben. Die Chance für Sebastian von Werding und seine Idee, das Sterben als letztes großes Event des Lebens zu verkaufen! „Sterben, wenn Sie es wollen, nicht, wenn es das Schicksal befiehlt – das ist die letzte große Freiheit des menschlichen Willens.“ So propagiert der plastische Chirurg sein bahnbrechendes Geschäftsmodell. Geschulte Kräfte und Schauspieler mimen Freunde, Eltern und Verwandte, die den Kunden bei seinem „Heimgang“ begleiten. Das Geschäft mit dem Sterben läuft wider Erwarten unrund an. Jetzt ist auch noch die 85-jährige Hannah verschwunden, die Vorzeigekundin von Werdings Firma Exsolvo. Der ehemaligen Schauspielerin erging es wie vielen anderen dementen Alten. Die orientierungslos in der Stadt herumirrende Frau wurde von Security-Kräften aufgegriffen und ins Greisen-Getto, das Institut Solaritas, eingeliefert. Dort kämpft von Werdings Tochter Simona für die Rechte der Alten und für ein würdevolles Sterben im Einklang mit ihrem Hippokratischen Eid. Bald taucht dort auch der abgehalfterte Journalist Jens Kurzhals auf, der das Image von Exsolvo aufpolieren soll. Er unterstützt von Werding, weil er das Geld braucht. Privat tickt er anders. Aufopferungsvoll kümmert er sich um seinen dementen Vater, und er verliebt sich in Simona.
Friedemann Fromm entwirft in „Komm, schöner Tod“ ein nach dem Stand der Prognosen nicht unrealistisches Zukunftsszenario. Aus dem „Es war einmal“ macht der Autor-Regisseur ein „Es wird einmal…“. Als Erzählform wählt er das Märchen – ein böses, ein schreckliches Märchen. Diese enge Verbindung von Hochrechnung eines gesellschaftlichen Ist-Zustands und traditioneller, fiktiver Erzählform ist die Stärke des Films. Indem Fromm auf eigenwillige Figuren aus Fleisch und Blut setzt, die mehr als nur die jeweilige Position im realen Spiel der Kräfte markieren, entwickelt er eine eigene Vision der Dinge. Er entwirft nicht nur ein Schreckensszenario, er zimmert kein simples Thesen-Stück, sondern schafft eine filmische Phantasie – eine Phantasie über die Wege, mit der Angst vor dem Sterben umzugehen. „Komm, schöner Tod“ handelt auch in all seinen Nebengeschichten von diesem Thema. Da werden die Alten, die Demenzkranken, aus dem Stadtbild entfernt und weggesperrt, und die Jüngeren aktivieren Verdrängungsmechanismen, Überlebensstrategien, bauen sich aus Sex, plastischer Chirurgie & Konsum einen Kokon aus Illusionen. Von all dem erzählt der Film.
Friedemann Fromm über das Thema des Films:
„Alle Wege, unsere Angst vor dem Tod zu beruhigen, sind keine Lösung, und deshalb greift auch die politische Diskussion um dieses Thema immer wieder zu kurz. Denn es geht nicht um die Frage: Was machen wir mit den Alten in unserer Gesellschaft, erlauben wir Sterbehilfe oder nicht? Sondern: Wie gehen wir mit uns und miteinander um? Wie verhalten wir uns zum eigenen Tod und dem der Anderen? Wie integrieren wir den Tod in unser Leben? Welchen Preis sind wir bereit zu zahlen für aufrichtiges Mitgefühl und das Annehmen eigener, persönlicher Verantwortung?“
„Komm, schöner Tod“ ist kein Film über die Alterspyramide, Fromm will keinen Diskurs zum Thema Sterbehilfe entfachen. „Es ist ein Film über den Umgang mit dem Tod und über die Liebe, ihre Poesie und ihren Schmerz im Angesicht des Verlustes – und es ist ein Film über die Würde, die jeder Mensch besitzt, auch ein dementer“, so der Filmemacher. Der Zuschauer wird nicht mit Informationen zugetextet. Vielmehr bleiben Bilder in Erinnerung – schmerzliche, aber auch magische, nicht selten humoresk-ironische Momente. Der verstörte Vater des Journalisten (ideal besetzt: Peter Franke) auf dem Kriegspfad, geschminkt, nackt, schutzlos wie ein Kind, verzweifelt wimmernd, „warum darf ich nicht sterben?“. Oder das in Herbert Knaups alkoholkranken J.K. optisch eingeschriebene Dilemma eines Journalisten, der von seinen Rollen überfordert ist: als Sohn, als Pflegekraft, als Leitartikler, als PR-Manager, als Liebender. Oder Viktor (wunderbar skurril: Heinz W. Krückeberg), der Träumer, der Tänzer, der Romantiker, der seine Demenz nur spielt und der seine Angebetete für ihre letzte Reise aus den Fängen von Pflegedienst und Sterbe-Event-Management befreit. Das Sterben am Meer hat man oft gesehen in Filmen. Bei Friedemann Fromm ist es ein Bild voller Zärtlichkeit. Und mehr noch: Der weite Blick dürfte auch beim Zuschauer emotionale Schleusen öffnen, und er liefert einen Freiraum, um das Gesehene nachschwingen zu lassen. „Komm, schöner Tod“ steht in der Tradition der gesellschaftlich relevanten Science-Fiction eines Rainer Erler („Das Blaue Palais“) und ist doch ganz anders! (Text-Stand: 9.3.2012)