Kolle – ein Leben für Liebe und Sex

Sylvester Groth, Renneberg, Zieser, die Zahns, Zanke. Freie Liebe auf dem Flokati

Foto: WDR
Foto Rainer Tittelbach

Er wollte den Muff aus den Elternschlafzimmern vertreiben, vor allem Frauen wollte er Mut und Lust machen. Doch mit seinen Idealen von der “freien Liebe” geriet Oswalt Kolle in den 60er Jahren zwischen alle Stühle. Die Konservativen drohten mit Zuchthaus, die FSK setzte seine Filme nicht nur einmal auf den Index, und von der studentischen Linken wurde der “Liebeslehrer der Nation” nur verlacht. Stoff genug für ein Biopic. Doch Eva und Volker A. Zahn entschieden sich, das soziale Phänomen “Kolle” vor allem am Privaten festzumachen. Ein bisschen Ironie ist auch dabei, aber noch mehr Flower-Power-Pop-Nostalgie.

Er wollte den Muff aus den Elternschlafzimmern vertreiben. Vor allem den Frauen wollte er Mut und Lust machen. Doch mit seinen Idealen von der “freien Liebe” geriet Oswalt Kolle in den 60er Jahren zwischen alle Stühle. Die Konservativen drohten mit Zuchthaus, die Freiwillige Selbstkontrolle setzte seine Filme nicht nur einmal auf den Index, und von der studentischen Linken wurde der biedere “Liebeslehrer der Nation” nur verachtet und verlacht. Genug Potenzial für eine dramatische Biografie gibt Kolle also schon her, stellten die Autoren Eva und Volker A. Zahn beruhigt fest –  “auch wenn er im Gegensatz zu anderen Biopic-Helden glücklicherweise weder erschlagen noch erschossen oder entführt worden ist”.

„Der Titel versprach Schreckliches, doch es wurde ein schöner, leichter, witziger und politischer Film.“ (Henryk M. Broder)

„Die Drehbuchautoren Eva und Volker A. Zahn entscheiden sich in diesem überdurchschnittlichen Film für das Private. Zu Recht verzichtet das Buch auf die Ausbreitung politischer Aspekte. So spannend sind die 68er Phrasen über Sex heute nicht mehr.“ (Der Spiegel)

Kolle – ein Leben für Liebe und SexFoto: WDR
In seiner Ehe stieß Oswald Kolles Ideal von einer offenen Beziehung an seine Grenzen. Sylvester Groth und Petra Zieser

Erzählt werden nur wenige Wochen aus dem Leben des “Sexualpapsts”. Sie stehen exemplarisch für Kolles “Leben für Liebe und Sex”, wie der Untertitel verspricht, und sie zeigen vor allem, was den heute 73-Jährigen in den heute oftmals verklärt dargestellten “Swinging Sixties” antrieb. Für die Autoren war er “ein Mann, der in eher biederen Filmen seine Forderung nach sexueller Freiheit verpackte”. Privat aber stieß Kolles Ideal von einer offenen Beziehung an seine Grenzen. Die Partner spielten plötzlich nicht mehr mit. Die “offene Ehe” war für seine Frau Marlies plötzlich nicht mehr erstrebenswert. Kolle musste sich entscheiden und er entschied sich immer wieder für sein trautes Heim. “Kolle wollte alles und überging dabei völlig die Gefühle der anderen.” So sieht es heute Anett Renneberg, die seine Geliebte spielt und die vor dem Film noch nie etwas von Oswalt Kolle gehört hatte.

Kritik: “Kolle – ein Leben für Liebe und Sex” (ARD)
Oswalt Kolle war kein Wehner, kein Brandt, kein Axel Springer, seine Liebe zu Frau Marlies hatte nichts von der tragischen Liebe zwischen Petra Kelly und Gert Bastian und er fand auch nicht den grausamen Tod unter den Schlägen eines blutrünstigen Mörders wie Walter Sedlmayr. Man fragte sich als Zuschauer bei “Kolle – ein Leben für Liebe und Sex” nicht ganz zu Unrecht, warum wir diese Biografie in Spielform erzählt bekommen haben. Weil das Leben des “Aufklärers der Nation” auch etwas über die Geschichte unseres Landes erzählt? Weil sich in populärer Zeitgeschichte Spaß und Erkenntnis so schön kurzschließen lassen? Weil man etwas über den Umgang mit Sexualität im Wandel der Zeit erfahren kann? Alles gute Argumente, gute Argumente, die aber auch für einen guten Dokumentarfilm gelten könnten. Vielleicht ist es ja der Witz, der Spaß am absurden Moralkodex der 60er Jahre, den ein Spielfilm besser vermitteln kann. Soweit die Theorie. In der Praxis war “Kolle” ein launig-nostalgischer Film mit einem glänzenden Sylvester Groth. Nicht mehr und nicht weniger. tit.

Kolle – ein Leben für Liebe und SexFoto: WDR
Sexuellen Freuden nie abgeneigt. Ein Hauch von Flower-Power atmet „Kolle – Ein Leben für Liebe und Sex“. Dass der Film nur ein Mal (2010) wiederholt und danach an andere Anbieter weitergereicht wurde, ist einer der vielen ARD-Entscheidungen, die einem vernünftigen Menschen ein Rätsel bleiben. Lieber 10.000 Morde statt einmal Sex-History im Fernsehen? Sylvester Groth und Annett Renneberg

Zwischen Cordsofa und Flokatiteppich lümmeln sich in dem WDR-Fernsehfilm von Susanne Zanke die Paare, mal mehr mal weniger bekleidet. Und zwischen all dem rosa Fleisch, das weit weniger betörend auf die Sinne des Zuschauers einwirkt als die gelborangene Bettwäsche, bewegt sich Sylvester Groth mit körperbetontem Cordjacket und poppig gemustertem Pullunder. Der diesjährige Grimme-Preisträger, Experte für seelische Drahtseilakte, kommt hier weniger schwermütig daher als sonst. “Ich spiele Kolle witzig, humorvoll, alles andere als verbissen, was er ja auch gar nicht ist”, so Groth. Dennoch spürt man bei ihm den Idealist Kolle. “Er meint, was er sagt”, betont Autorin Eva Zahn. “Ich will nicht, dass die Leute träumen. Ich will, dass sie handeln und dass sie zärtlich zueinander sind”, sagt Kolle im Film. Viele Menschen folgten ihm. Seine Bücher wurden in 17 Sprachen übersetzt, seine Aufklärungsfilme wie “Das Wunder der Liebe” oder “Deine Frau, das unbekannte Wesen” sahen mehr als 50 Millionen Zuschauer. Davon auch viele, die ihn als “Schmutzfink” beschimpften. Tumulte vor und in den Kinos, in denen seine Filme liefen, waren keine Seltenheit. Sogar Morddrohungen sah er sich ausgesetzt. Ehemänner, deren Frauen Kolle sexuell befreit hat, fühlten sich frustriert. “Was? Die Frau soll oben liegen? Wollen Sie die ganze Welt auf den Kopf stellen?”, fragte ihn einmal ein Zensor der FSK.

“Kolle – Ein Leben für Liebe und Sex” geht liebevoll mit seinen Figuren um, selbst Ehefrau Marlies wird nicht als betrogenes Hausmütterchen gezeigt. Pop-Ambiente und reichlich Beat-Musik geben diesem “Biopic” eine nostalgische Grundierung. Einige Zeitgeist-Klischees lassen  sich Dank guter Darsteller übersehen. Für Redakteur Alexander Wesemann ist dieser Film nicht nur “eine Rückschau auf die damalige Zeit, sondern er will auch die Frage aufwerfen, was sich seitdem wirklich in Sachen Sexualität geändert hat”. (Text-Stand: 2002)

Kolle – ein Leben für Liebe und SexFoto: WDR
Im März 2024 gab es „Kolle – ein Leben für Liebe und Sex“ neben YouTube bei Joyn und Amazon Prime / Netzkino kostenpflichtig zu sehen. Den Gebührenzahlern, die den Film indirekt finanziert haben, bleibt er weiterhin vorenthalten. Eigentlich ein Fall für die ARD-Mediathek!

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Fernsehfilm

WDR

Mit Sylvester Groth, Petra Zieser, Annett Renneberg, Matthias Matschke, Bernd Stegemann, Oliver Boysen, Peter Rühring

Kamera: Tamas Ujlaki

Szenenbild: Florian Haarmann

Kostüm: Anne Jendritzko

Schnitt: Andrea Mertens

Musik: Andreas Schilling

Produktionsfirma: Eyeworks Germany

Drehbuch: Eva Zahn, Volker A. Zahn

Regie: Susanne Zanke

EA: 29.05.2002 20:15 Uhr | ARD

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